Colin Hadler — Exilium

2.März 2023

Exi­li­um” ist ein Thril­ler des öster­rei­chi­schen Autoren Colin Had­ler. Er ent­führt in eine Welt, in der ein Jun­ge mit einem künst­li­chen High­tech-Arm einer Ver­schwö­rung auf die Spur kommt. Wer­den in sei­ner Stadt wirk­lich Expe­ri­men­te an Men­schen gemacht? Men­schen, denen ein Chip ein­ge­pflanzt wird, der sie wil­len­los macht? Eine Geschich­te über eine glä­ser­ne Gesell­schaft, Über­wa­chung und die Macht der Tech­nik, aber auch Wer­te wie Freund­schaft und Mensch­lich­keit. Äußerst fes­selnd und mit einem wirk­lich ange­neh­men Erzähl­stil geschrie­ben. Dazu sehr action­reich, aber den­noch mit Tief­gang. Außer­dem hat der Autor eini­ge raf­fi­nier­te, über­ra­schen­de Wen­dun­gen parat! Per­fek­tes Lese­fut­ter für Jugend­li­che ab 13 Jah­ren und inter­es­sier­te Erwachsene.

Vor zwei Jah­ren ist Lenn­ox’ Schwes­ter bei einem Auto­un­fall gestor­ben. Seit­dem ist für den nun 17-jäh­ri­gen nichts mehr so wie es ein­mal war. Oft pla­gen ihn Alp­träu­me. Sei­ne Mut­ter ist meis­tens in einer Kli­nik und den Draht zu sei­nem Vater, der sich in Arbeit ver­kriecht, hat er auch völ­lig ver­lo­ren. Dafür liebt Lenn­ox das Hacken. “Mit dem Hacken habe ich ange­fan­gen, da war ich sie­ben. Die vir­tu­el­le Welt war mein Stoff­tier, mein siche­rer Hafen, an dem ich anle­gen konn­te, wenn mich die Rea­li­tät erdrückt hat.” (Zitat aus “Exi­li­um” S.15) Denn seit dem Auto­un­fall hat Lenn­ox eine künst­li­che Pro­the­se. Sein Arm sieht aus wie der eines Robo­ters und er hat ihn selbst mit aller­lei tech­ni­schem Schick­schnack auf­ge­rüs­tet. “Ich bin eine wan­deln­de Karao­ke­bar. Eine Alarm­an­la­ge. Ein moder­ner Fran­ken­stein. Manch­mal habe ich den Ein­druck, mei­ne Hand fühlt mehr als mein Herz.” (Zitat S.29) Freun­de hat Lenn­ox nur einen ein­zi­gen. Dori­an. Mit dem er manch­mal sinn­lo­se Strei­che spielt, indem er zum Bei­spiel sämt­li­che Bild­schir­me eines Ein­kaufs­cen­ters hackt und mit Tier­fil­men bespielt. Des­öf­te­ren hat er dafür schon Ärger bekom­men. Doch nun wird sein Leben völ­lig auf den Kopf gestellt, als sei­ne Nach­ba­rin Tes­sa ihn eini­ges Tages anspricht und auf eine Ver­schwö­rung in sei­ner Stadt auf­merk­sam macht. “Ich habe etwas gefun­den”, sagt sie knapp. “Etwas, das ich nicht hät­te fin­den sol­len. Und nun muss ich den Preis dafür bezah­len. Ich bin in die­ser Stadt nicht mehr sicher. […] Men­schen wer­den ster­ben, Lenn­ox. KasimiraDei­ne Fami­lie, Dori­an, Nia. Aber man kann es noch auf­hal­ten. Du kannst es noch auf­hal­ten.” (Zitat S.36) Tes­sa glaubt, dass ihr bald etwas zusto­ßen wird. Sie gibt ihm eine Kar­te mit ein paar Koor­di­na­ten. Lenn­ox weiß nicht so recht, was er davon hal­ten soll. Er ist ohne­hin gera­de damit beschäf­tigt sich Gedan­ken über ein Mäd­chen an sei­ner Schu­le zu machen, die ihm eine Kar­te ins Schließ­fach geschmis­sen hat und ihn tref­fen will. Sie heißt Nia und gefällt ihm äußerst gut. Aber dann wird Tes­sa tat­säch­lich tot auf gefun­den und Lenn­ox beschließt an den Ort zu gehen, des­sen Koor­di­na­ten Tes­sa ihm vor ihrem Tod gege­ben hat. Auf einem abge­schirm­ten Gelän­de im Wald trifft er zusam­men mit Nia in einer Hal­le auf eine Frau, die von Wis­sen­schaft­lern bela­gert wird. “Jemand expe­ri­men­tiert an Chips her­um. Im Grun­de nichts Neu­es, aber… du hast es selbst gese­hen. Sie über­schrei­ten Gren­zen. Und die Frau auf dem Stuhl hat bestimmt nicht frei­wil­lig dort geses­sen. Ich will gar nicht wis­sen, was sie schon alles mit ihr ange­stellt haben. Oder was mit so einem neu­ar­ti­gen Chip mög­lich ist.” (Zitat S.84) Der gro­ße Tech­nik­kon­zern “Exi­li­um”, der die Fäden in der Stadt zusam­men­hält, scheint mit all­dem zu tun zu haben. Und Lenn­ox fin­det her­aus, dass sogar sein Vater für “Exi­li­um” arbei­tet. Bald wird Lenn­ox gna­den­los gejagt. Weil er zu viel weiß…

Das Cover ist anspre­chend gestal­tet und passt sehr gut zum Kon­text des Thril­lers. Die­ser beginnt mit einem Pro­log, auf wel­chen inter­es­san­ter­wei­se noch zwei wei­te­re Pro­lo­ge zu spä­te­ren Zeit­punk­ten fol­gen;-) Man­ches in Kasimira“Exi­li­um” ist ein­fach erfri­schend andersColin Had­ler ist defi­ni­tiv ein neu­er Stern am Jugend­buch­thril­ler­him­mel, eine moder­ne Erzähl­stim­me, die sich zu lesen lohnt. Er hat einen wun­der­bar läs­si­gen Erzähl­stil: “War­um Dori­an und ich bes­te Freun­de sind, ist schwer zu sagen. Man­che Din­ge pas­sie­ren eben ein­fach. An dem einen Tag rutscht man in der Dusche aus, am ande­ren don­nert man gegen eine Stra­ßen­la­ter­ne — und ja, ich hat­te plötz­lich Dodo an der Backe.” (Zitat S.12), bie­tet jede Men­ge sprit­zi­ger Dia­lo­ge, die ziel­grup­pen­ge­recht und höchst unter­halt­sam sind, dazu eini­ge gelun­ge­ne Über­lei­tun­gen. “Ich bin mir nie sicher, ob dei­ne Kat­ze über­fah­ren wur­de oder ob das dein nor­ma­ler Gesichts­aus­druck ist”, sagt Dori­an […] “Du weißt doch, dass ich kei­ne Kat­ze habe”, murm­le ich und neh­me einen Schluck von mei­nem Soft­drink. “Kei­ne Kat­ze, kei­ne Ner­venKasimira, kei­nen Appe­tit”, ergänzt Dori­an. “Nenn mir eine Sache, die du hast.” Kopf­schmer­zen, den­ke ich und wer­fe einen Blick zu den ande­ren Tischen. Die gestress­ten Fami­li­en mit ihren schrei­en­den Babys sind kaum aus­zu­hal­ten.” (Zitat S.10) Der Thril­ler spielt in einer unbe­kann­ten Zeit, die durch­aus die unse­re sein könn­te und in einer fik­ti­ven Stadt namens Libea. Das Set­ting geht hier­bei aber nicht all­zu sehr in die Tie­fe. “Libea ist atem­be­rau­bend. Und das liegt nicht nur an den Abga­sen, die einen in den Sei­ten­gas­sen kaum Luft holen las­sen. Rie­si­ge Lein­wän­de thro­nen hoch oben an öffent­li­chen Plat­zen — an den Fas­sa­den der Wol­ken­krat­zer. […] Hier unten, am Boden ist die Welt eine ande­re. Her­un­ter­ge­kom­me­ne Imbiss­bu­den, Zei­tungs­ver­käu­fer, beleuch­te­te Schau­fens­ter und rau­chen­de Taxi­fah­rer. Sie bele­ben eine Metro­po­le, die nie­mals zum Still­stand kommt.” (Zitat S.23) Es könn­te also eine belie­bi­ge Groß­stadt unse­rer Kasimiraheu­ti­gen Zeit sein. Lenn­ox als Cha­rak­ter ist sehr gut getrof­fen. Er berich­tet durch­ge­hend in der Ich-Per­spek­ti­ve. Ein eher zurück­ge­zo­ge­ner Jugend­li­cher, der sich in vir­tu­el­le (Hacker-)Realitäten flüch­tet, den Tod sei­ner Schwes­ter nicht wirk­lich ver­ar­bei­tet hat und ungern Gefüh­le zeigt. “Nüch­tern betrach­tet bin ich näm­lich eher ein Durch­schnitts­typ. Mage­rer Kör­per­bau und schwar­zes Haar, das ich mir an den Spit­zen Blau gefärbt habe. Mei­ne Kla­mot­ten sind schlicht, meist ein­far­big” (Zitat S.16) Doch durch Tes­sas Offen­ba­run­gen wird in Lenn­ox’ Leben plötz­lich alles ganz anders. Er muss aus sei­ner Kom­fort­zo­ne aus­bre­chen und sich tat­säch­lich mit einem rie­si­gen Kon­zern anle­gen. Doch auf­grund von Freund­schaft und auch einer lang­sam auf­kei­men­den Lie­be (klei­ne Love­sto­ry inklu­si­ve), aber auch jeder Men­ge hel­den­haf­ter Ambi­tio­nen funk­tio­niert das David-gegen-Goli­ath-Prin­zipKasimira und Lenn­ox wächst über sich hin­aus, macht eine glaub­haf­te Wand­lung durch. Span­nungs­tech­nisch wird man als Leser*in hier­bei ordent­lich auf Trab gehal­ten. Auch ein paar fie­se Cliff­hän­ger am Ende des Kapi­tels durch­zie­hen den Thril­ler, bei­spiels­wei­se als Lenn­ox eine schrift­li­che Ein­la­dung von Nia in sei­nem Schließ­fach fin­det und zu ihrem vor­ge­schla­ge­nen Treff­punkt kommt: “Nia mus­tert mich mit einem Blick, den ich nur schwer deu­ten kann. Sie öff­net den Mund, kneift die Augen zusam­men und fragt: “Wer bist du?” (Zitat S.44) An man­chen Stel­len hät­te ich mir noch ger­ne mehr über die Hintergründe/Machenschaften des Kon­zerns gewünscht, hier hät­te die Dra­ma­tik noch etwas erhöht wer­den kön­nen. Was genau stel­len sie mit den Chips alles an? Wie mani­pu­lie­ren sie damit? Das Ende ist ein ein­zig­ar­ti­ger Show­down mit höchst raf­fi­nier­tem, per­fekt kon­stru­ier­tem Aus­gang und lässt einen das gan­ze Buch noch ein­mal ganz neu über­den­ken. Chapeau!

Dir gefällt der Erzähl­stil von Colin Had­ler? Dann lies noch sei­ne ande­ren Bücher, hier chro­no­lo­gisch nach Erschei­nungs­da­tum sor­tiert: “Hin­term Hasen lau­ert er” (Lesealternativen2019), “Wenn das Feu­er aus­geht” (2020) und “Anco­ra: Die Zeit ist gegen dich” (2022). Lese­al­ter­na­ti­ven gibt es eini­ge zu “Exi­li­um”. Als Ers­tes muss­te ich an die genia­le “Cain­storm Island”-Rei­he von Marie Goli­en den­ken, die auch das The­ma Com­pu­ter­chip und Über­wa­chung höchst action­reich ver­ar­bei­tet. Oder lies die “Data Leaks”-Rei­he von Mir­jam Mous oder den in sich abge­schlos­se­nen Thril­ler “See­ing what you see, fee­ling what you feel” von Nao­mi Gib­son. Gut könn­te dir außer­dem “Tha­la­mus” von Ursu­la Pozn­an­ski gefal­len. Einen Chip im Kopf? Die­ses Phä­no­men fin­dest du eben­so in “Boy in a white room” von Karl Ols­berg und in der Span­nungs­rei­he von Andre­as Esch­bach“Black out” (Band 1), “Hide out” (Band 2) und “Time out” (Band 3.). Hin­sicht­lich des Endes gibt es auch eine gro­ße Gemein­sam­keit mit dem gran­dio­sen “Secret Zero: Das Spiel beginnt…” von Mor­gan Dark

Bibliografische Angaben:
Schilder was wo wer wannVerlag: Planet! (Thienemann Esslinger)
ISBN: 978-3-522-50721-9
Erscheinungsdatum: 24.Februar 2023
Einbandart: Broschur
Preis: 16,00€
Seitenzahl: 336
Übersetzer: -
Originaltitel: -
Originalverlag: -
Originalcover: -

Exklusiver Song zum Thriller:
 

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Kasimiras Bewertung:

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(4,5 von 5 mög­li­chen Punkten)

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