“Cainstorm Island: Der Gejagte” ist der 1. Teil einer dystopischen Reihe der deutschen Autorin Marie Golien. Die Schriftstellerin, die auch Spiele-App-Entwicklerin ist, entführt ihre Leser in eine Welt, in der die Schere zwischen Arm und Reich noch immer groß und die Bandenkriminalität noch größer ist. Und in der die Technik eines implantierten Chips — der an den Sehnerv angeschlossen ist und Fremde am eigenen Leben teilhaben lässt — einen Jungen in höchste Gefahr bringt. Big Brother auf die Spitze getrieben. Ein Thriller voller Action, ein Rausch voller Adrenalin! Absolut perfektes Lesefutter für Jungs ab 14 Jahren und interessierte Erwachsene.
Eine Welt in einer unbestimmten Zukunft. Emilio lebt auf Cainstorm Island. In Milescaleras, einer Stadt, in der sich die Häuser teilweise wie Schuhkartons übereinander stapeln. Auf der Insel sind Überbevölkerung, Dreck und Armut die größten Probleme. Und die Präsenz der “Las Culebras”, einer gefährlichen Gang, die keine halben Sachen macht und schon mal eine ganze Familie hinrichten lässt, wennder Familienvater seine Schulden nicht bezahlen kann: “Eine aufgesprühte schwarze Schlange starrt auf mich herab. Aufgerissenes Maul und nadelspitze Zähne. Böses, leicht irres Funkeln in den Augen und bereit, sich auf mich herabzustürzen. Ein Schauer läuft mir über den Rücken, obwohl die Schlange nur ein Graffito ist. Möglichst verschwörerisch flüstere ich: “Wenn die >Las Culebras< jemanden hinrichten, sprühen sie diese Kobra über den Toten. Es ist eine Warnung an uns andere.” (Zitat aus “Cainstorm Island: Der Gejagte” S.6) Ebenso Emilios Familie hat einige Schulden. Zwar nicht bei den “Las Culebras”, aber bei einer genauso unangenehmen Persönlichkeit. Um die Schulden zu tilgen, hat Emilio angefangen für die Firma Eyevision zu arbeiten, die auf dem reichen Nachbarkontinent Asaria liegt, und sich einen Chip implantieren lassen, der täglich eine halbe Stunde seines Lebens aufzeichnet. “Ich filme durch meine Augen und das Video wird automatisch auf meinem Kanal hochgeladen. Die Leute können live zuschauen und kommentieren oder sie schauen sich die gespeicherten Videos an. Für jeden Zuschauer bekomme ich ein paar Cent. Je mehr Zuschauer, desto besser.” (Zitat S.15) Schon seit früher Kindheit hat Emilio es geliebt steile Hauswände hochzuklettern oder von einem Dach zum nächsten zu springen. Er liebt den Adrenalinkick und die Herausforderung. Das mögen sein
e Zuschauer natürlich. Doch dann passiert etwas Furchtbares! Bei einem seiner Streifzüge durch die Stadt begegnet Emilio einem der obersten Gangbosse der “Las Culebras”, der ihn angreift und den Emilio in Notwehr tötet. “Ich habe durch meine Augen gefilmt, wie ich diesen Typen umgebracht habe! Automatisch abgespeichert auf meinem Kanal und jederzeit abrufbar für jeden, der ein Eyenet besitzt.” (Zitat S.28) Nun hat er sich die gesamte Gang zum Feind gemacht und die wollen ihnen tot sehen! Noch wissen sie nicht, wer Emilio ist, da er sich auf seinem Kanal nur einen Nickname gegeben hat und auf den Aufnahmen auch nie selbst zu sehen ist. Doch sie setzen alles daran dies möglichst schnell herauszufinden! Denn Emilio ist ja jeden Tag eine halbe Stunde “online” zu sehen und die Firma Eyevision hat auch keinesfalls vor seinen Kanal abzuschalten. Im Gegenteil — plötzlich ist Emilio, der gnadenlos gejagt wird, die interessanteste Person im ganzen Netz…
“Cainstorm Island: Der Gejagte” sticht jetzt nicht unbedingt durch ein besonders schönes Cover (bezieht sich auf Hardcover, siehe unten) hervor. Aber die Geschichte, die erzählt wird, die tut es definitiv! Der Thriller, der durchgehend in Emilios Sicht in der Ich-Perspektive geschrieben ist, schafft es relativ schnell das Bild einer anderen Welt zu erschaffen, die — auch wenn sie zeitlich nicht näher datiert ist — vorstellbar und greifbar wirkt. Da wäre zum einen der Kontinent Cainstorm mit seinen 40 Städten, die völlig überbevölkert sind und in Armut versinken. Polizei? Müllabfuhr? So etwas gibt es nicht mehr. Viele leben auf der Straße. Auch Emilio hat mit seiner Mutter, ehe sie geheiratet hat, lange Zeit nur in einem Auto gelebt, ehe der neue Mann und Emilios Stiefvater sie in seinem Haus aufnahm. Ca. 120 km entfernt und durchs Meer getrennt liegt der Kontinent Asaria, auf dem alle Reichen leben: “…die Welt dort drüben ist völlig anders: Wolkenkratzer aus Glas, die sich wie Pflanzen mit der Sonne drehen. Parks mit Büschen, die unter ihren Blüten fast zusammenbrechen, Wasserfälle und tiefe Wälder mit seltsamen Tieren. […] Glänzende Autos, die über den Boden zu schweben scheinen. Straßen, so sauber, als könnte man von ihnen essen.” (Zitat S.15) Das
Leben dort ist wie eine fremde Kultur für Emilio. Doch dank seines Kanals kann er sich auch das Leben anderer Menschen auf Asaria ansehen. Denn 99% seiner Zuschauer sind Menschen aus Asaria. Alle anderen können sich diese Technologie nicht leisten, beziehungsweise besitzen keine Eyewatch, mit der sie auf die Online-Kanäle zugreifen können. Nur wenige Menschen — allen voran die Gangmitglieder der “Las Culebras” verfügen über diesen Reichtum. Vor allem die Sensationsgier und Voyeurismus werden in “Cainstorm Island: Der Gejagte” besonders hervorgehoben. Denn es sind die Asarier — und besonders Emilios abgebrühter Chef Bradley — die beste Unterhaltung von ihm verlangen: “Er sagte, ich müsse einfach nur eine habe Stunde spannendes Kino für die Zuschauer aus dem fernen Asaria liefern. Die würden meine Stadt, Milescaleras, gerne kennenlernen, aber nicht persönlich. Das wäre zu gefährlich, zu dreckig und zu ansteckend.” (Zitat S.43) Gerade die Verfolgungsjagd in dem Buch mitzuerleben, ist wirklich atemberaubend! Denn wenn
Emilio “live” auf Sendung ist, verrät jeder Blick, wo er sich befindet und die “Las Culebras”, die mit ihren Eyewatches jeden dieser Momente beobachten, starten eine gnadenlose Hetzjagd. Und sie sind äußerst zahlreich. Adrenalin pur! Es ist unglaublich, wie fesselnd das Buch ist, man fiebert buchstäblich jeden Augenblick mit Emilio mit und hat manchmal das Gefühl gar keinen Ausweg mehr für ihn zu sehen, weil er so umzingelt wird, dass es dann geradezu nervenzerreißend ist, seinen nächsten Schritten zu folgen. Das Ende bleibt offen und macht neugierig auf die Fortsetzung.
Fazit: Ein außerordentlich packendes Buch! Ein Pageturner der Extraklasse!!
Einen Chip im Kopf? Dieses Phänomen findest du ebenso in “Boy in a white room” von Karl Olsberg und in der Spannungsreihe von Andreas Eschbach: “Black out” (Band 1), “Hide out” (Band 2) und “Time out” (Band 3.). Mit einem Chip im Gehirn jederzeit online gehen, das ist auch in der “Pandora”-Reihe von Eva Siegmund möglich und auf eine überraschende, andere Art und Weise in der “Starters”-Reihe von Lissa Price. Gut könnte ich mir ebenfalls “Boy 7” von Mirjam Mous vorstellen. Eine richtig gute Alternative hinsichtlich Überwachung durch das Anzapfen des Sehnervs ist “T.R.O.J.A. Komplott” von Ortwin Ramadan. Das “Big Brother is watching you”-Phänomen findest du zudem in dem höchst gelungenen “Welcome to Reality” von Len Vlahos und in “Little Brother” von Cory Doctorow. Wenn andere am Leben teilhaben und immer neuere Aufgaben den Protagonisten erwarten, dann könntest du dich außerdem in “Battle Island” von Peter Freund” oder in “Nerve: Das Spiel ist aus, wenn wir es sagen” von Jeanne Ryan befinden.
Bibliografische Angaben:Verlag: dtv ISBN: 978-3-423-74064-7 Erscheinungsdatum: 18.Juni 2021 Einbandart: Broschur Preis: 12,95€ Seitenzahl: 352 Übersetzer: - Originaltitel: - Originalverlag: - Original-Hardcover:
Deutscher Trailer:
Kasimiras Bewertung:
(5 von 5 möglichen Punkten)
Dieser Titel hat es in folgende Kategorie geschafft: **Kasimiras Lieblingsbücher**