“Panic Hotel: Letzte Zuflucht” ist der fünfte Roman des deutschen Autoren Stephan Knösel, der erstmals nicht in seiner Heimatstadt München spielt, sondern in Frankfurt am Main. Im Jahre 2032 ist ein weltweiter atomarer Krieg ausgebrochen, der wenige reiche Menschen in Luxusbunker flüchten lässt. Mitten im Geschehen ein Junge und ein Mädchen, deren Liebe sich zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt entwickelt. Ein Kammerspiel. Bewegend und unterhaltsam. Mit kleinen erzählerischen Schwächen. Jetzt neu als Taschenbuch erschienen. Für Jungs und Mädchen ab 14 Jahren gleichermaßen gut geeignet. Und für interessierte Erwachsene.
Durch Klimawandel, Dürreperioden, einen unaufhaltsamem Flüchtlingsstrom, der sich vom Süden her nach oben drängte, ist es geschehen: ein eigentlich nur von der westlichen Allianz abgegebener Warnschuss mit Mittelstreckenraketen den Flüchtlingen gegenüber wurde vom Iran fehlinterpretiert und löste einen Gegenangriff aus. “So stieß ein Dominostein den nächsten um: Der Gegenangriff des Iran musste vergolten werden — was wiederum Russland als Verbündeten Irans in Zugzwang brachte. Danach gab es kein Zurück mehr.” (Zitat aus “Panic Hotel: Letzte Flucht” S.14) Ein atomarer Weltkrieg mit ungeahnten Folgen. Ein Kampf ums Überleben entbricht. Doch es gibt Hoffnung. Zumindest für die Reichen der Reichen. Denn im Vorfeld wurde in Frankfurt am Main ein Bunker gebaut: “Hotel war nicht der offizielle Name des Bunkers. Er hatte keinen Namen. Aber der Bunker war hinter dem Le Grand in den Berg gebaut worden und ähnelte selber einem Hotel. Das war Absicht. Die zukünftigen Bewohner — wie die Theissens — gehörten zu den reichsten Menschen Deutschlands. Weil diese Menschen den Bunker finanziert hatten, nannte man sie die Gründer. Der Aufenthalt kostete pro Person eine zweistellige Millionensumme.” (Zitat S.10) Für diesen Preis erhielt man eine mindestens 30-jährige Wohlfühlgarantie. Genoss das Leben wie in einem Luxusresort. Auch die Familie Theissen, für die die 16-jährige Janja als Bedienstete arbeitet, hat dort selbstverständlich einen Platz: Herr und Frau Theissen und ihre 17-jährige Tochter Vanessa. Und Janjas Mutter, die in der Villa der Theissens mit dem restlichen Personal zurückbleibt, hat dafür gesorgt, dass auch Janja in dem Luxusbunker unterkommt: “Sie hatte ihren Platz im Bunker Janja überlassen. Wie sie die Theissens dazu gebracht hatte, zuzustimmen, war Janja ein Rätsel. Sie hatte sie wiederholt gefragt, und ihre Mutter hatte nie darauf geantwortet — und das, ohne ihrem forschenden Blick dabei auszuweichen.” (Zitat S.12ff) Doch kurz vor dem Lockdown ist Vanessa nicht zu finden. Ein Angestellter des Wachdienstes — der 20-jährige Gabriel, ein ausgebildeter Soldat — bietet der Familie Theissen an, ihre Tochter zu finden. Die Eltern stimmen zu, nichts ahnend, dass es ausgerechnet Gabriel ist, mit dem Vanessa seit einiger Zeit — seit sie ihn auf einer Führung durch den Bunker kennengelernt hat — zusammen ist. Doch bei seinem Versuch Vanessa zu retten und auch noch seinen jüngeren Bruder Wesley illegal in den Bunker zu schleusen, stirbt Gabriel und Wesley nimmt Gabriels Platz ein. Und dort treffen Janja und Wesley schließlich aufeinander. Wesley stellt sich versehentlich mit seinem echten Namen vor. Janja erkennt den Namen auf seiner Uniform: “G. Meyer” und weiß, dass er nicht der ist, der er vorgibt zu sein. Wird sie ihn verraten? Das muss Wesley auf jeden Fall verhindern…
Das Cover ist in leuchtender Signalfarbe gestaltet, dazu das abgewandelte Atomkraft-Symbol in Verbindung mit einer für Frieden stehenden Taube — passend gemacht. Der Roman ist durchgängig in personaler Erzählperspektive geschrieben, meist abwechselnd sowohl aus Janjas als auch aus Wesleys Sicht. Von Anfang an befindet man sich bereits mitten im Geschehen: “Es war wie ein Albtraum — doch es passierte wirklich, selbst wenn es immer noch unvorstellbar war. Der Krieg hatte Europa erreicht. Wie ein gigantischer Waldbrand hatte er sich vom Nahen Osten aus von Land zu Land gefressen und die Weltmeere übersprungen — alles innerhalb weniger Stunden.” (Zitat S.9) Eindrucksvoll schreibt der Autor die sich zuspitzende Situation, die allmählich entstehende Panik der Menschen und die Rettung in den Bunker. Dieser selbst ist auch äußerst beeindruckend: Es gibt einen inneren und einen äußeren Bereich. Der Kern: Das Luxushotel. Bedienstete dürfen nur umständliche Umwege außen herum nehmen, um die Reichen nicht zu stören, die darin allerlei Annehmlichkeiten wie Wellness, Unterhaltung in einem Medienbereich und verschiedene Restaurants genießen können. Im Bunker gibt es sogar eine Hühnerfarm, ein Forellenbecken, riesige Wassertanks, die bewacht werden und ein mehrstöckiges Krankenhaus — alles auf insgesamt 30 Etagen. Für Janja heißt das eine Menge Arbeit: “Zwölf Stundenschichten plus vier Stunden Bereitschaft am Tag.” (Zitat S.64) Aber sie soll froh sein, überhaupt überlebt zu haben. Draußen — so hört man Gerüchte — ist alles in Schutt und Asche gelegt worden. Mittlerweile gibt es keine Verbindung mehr zur Außenwelt. Das in so einem abgeschlossenen Raum und mit Menschen, die eng aufeinander hocken, viel passieren kann, wird schnell klar: “Dieser Bunker hatte von der Bewohneranzahl her die Größe eines Dorfs. Aber es gab keine politischen Struktur, noch nicht. Es gab keinen Bürgermeister oder Gemeinderat, auch kein Rechtssystem. All diese Überlegungen hatte man auf den Ernstfall verschoben, der jetzt eingetreten war.” (Zitat S.65) Die Spannung könnte manchmal noch ein kleines bisschen mehr sein. Erzählerisch gab es so ein paar Kleinigkeiten, die mich gestört haben: Einmal wird etwas unnötig wiederholt: “Wesley musste an Gabriel denken. Dann kam ihm Janja in den Sinn. Warum hatte sie ihm geholfen mit diesem Hamlin?” (Zitat S.101ff) und eine Seite später wieder: “Warum hatte diese Janja ihm gegen Hamlin geholfen, fragte Wesley sich jetzt.” (Zitat S.103) Auch bei Janjas Entwicklung wird an einer Stelle eine spannende Andeutung gemacht, hinsichtlich der Gründe, warum ausgerechnet sie einen Platz im Bunker bekommen hat, aber dann nichts mehr groß dazu aufgeklärt. Manchmal gibt es auch unpassende Sprünge im Text. Da sind Janja und Wesley gerade zusammen und schon will er sich von ihr trennen. Später werden dann sämtliche Gründe aufgezählt, die dagegensprechen, dass sie zusammen sein können und schwups — schon sind sie wieder zusammen, ohne das darauf weiter eingegangen wird. Dennoch ist die Geschichte an sich unterhaltsam zu lesen, ist so eine Mischung aus Endzeitroman, Liebesgeschichte und am Ende kommt sogar noch ein kleiner Kriminalfall dazu.
Dir gefällt Stephan Knösels Erzählstil? Dann lies noch seine anderen Bücher: “Echte Cowboys”, “Jackpot”, “Das absolut schönste Mädchen der Welt und ich” und “Master of Disaster: Chaos ist mein zweiter Name”. Du magst noch mehr Romane lesen, die in einem Bunker spielen? Dann greif unbedingt zu “Über uns Stille” von Bestsellerautor Morton Rhue, dem spannenden “Überleben” von S.A.Bodeen, dem heftigen “Bunker Diary” von Kevin Brooks. Hinsichtlich des Kampfs ums Überleben könnte ich mir auch sehr gut die “Godsped”-Reihe von Beth Revis, “Dry” von Neal & Jarrod Shusterman oder “New Earth Project: Tödliche Hoffnung” von David Moitet vorstellen. Ein Bunker spielt auch eine kleinere Rolle in “Sein Reich” von Martin Schäuble.
Bibliografische Angaben: Verlag: Beltz & Gelberg ISBN: 978-3-407-81270-4 Erscheinungsdatum: 21.Juli 2021 Einbandart: Taschenbuch Preis: 9,90€ Seitenzahl: 360 Übersetzer: - Originaltitel: - Originalverlag: - Originalcover: -
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