Endlich wieder neues Lesefutter von der österreichischen Bestsellerautorin Ursula Poznanski! Der dystopische Thriller “Cryptos” entführt in eine Zukunft, in der die Folgen des Klimawandels bereits so stark vorangeschritten sind, dass die Menschen hauptsächlich in virtuellen Welten leben. Als Weltendesignerin Jana ausgerechnet in ihrer entworfenen Welt einen Mord zu verzeichnen hat, geraten die Dinge plötzlich außer Kontrolle… höchst aktuell, faszinierend und äußerst spannend zu lesen! Das “Erebos” der Fridays-for-Future-Generation. Für Jugendliche ab 14 Jahren und Erwachsene.
Zusammen mit ihrem Kollegen Matisse arbeitet die 17-jährige Jana für den Konzern Mastermind. Sie ist Weltendesignerin. Einst war sie selbst in einer virtuellen Welt unterwegs, in der sie an allerlei Wettbewerben teilnahm, unwissend, dass sie dadurch bereits auf sich aufmerksam gemacht hat. Denn Jana hat Talent. Die Besucher fühlen sich wohl in den von ihre geschaffenen Fluchtwelten, kehren immer gerne wieder zurück. Ihr liebstes Projekt ist Kerrybrook: “Kerrybrook ist die kleinste meiner Welten und die, die am wenigsten Arbeit, dafür aber den meisten Spaß macht. Ich habe sienach dem Vorbild irischer Dörfer modelliert: hügelig, mit viel Grün, geduckten Häuschen und einer Burgruine, die über der Landschaft thront. Es gibt Schafe, gemütliche Pubs und jede Woche einen Markt auf dem Hauptplatz.” (Zitat aus “Cryptos” S.5) Denn heutzutage — nach zahlreichen Klimakatastrophen — leben die Menschen hauptsächlich nur noch in virtuellen Welten. Die Realität ist hässlich geworden, genauso wie die Siedlungsklötze, in denen sie eng zusammen gepfercht leben. Doch in jedem Wohndepot haben die Menschen ihre Kapsel, in die sie steigen können. In der sie einen speziellen Overall tragen und in der sie die meiste Zeit des Tages in eine andere, bessere Welt abdriften können. “Niemand wird gern in die Realwelt zurückbeordert, aber ganz ohne menschliche Arbeitskraft geht es eben nicht. Dafür bekommen sie Punkte, mit denen sie sich später neue Zugangspässe kaufen können.” (Zitat S.10) Jana hat einen Generalpass für alle Welten, ihr Luxus als Designerin. Doch dann bekommt sie eines Tages unglaublich viele Ausfallmeldungen. “Auf Transfers muss ich nicht reagieren, nur auf Ausfälle, also wenn jemand, der zuletzt in meiner Welt war, überhaupt
nicht mehr auftaucht. Weder hier noch anderswo im System. Meistens bedeutet das, die Person ist schwer krank oder tot.” (Zitat S.6) Während es am Anfang nur drei Ausfälle innerhalb kürzester Zeit sind, werden es schließlich immer mehr. Und als Jana selbst nach Kerrybrook reist, stellt sie fest, dass dort eine Frau ermordet wurde. Etwas, was dort eigentlich gar nicht möglich sein sollte: “Wer sich für Kerrybrook qualifiziert, dürfte vom Persönlichkeitsprofil her eigentlich nicht gewalttätig sein und mordlüstern schon gar nicht. […] Das System, das ausrechnet, für welche Welt man einen Pass bekommen kann, macht nur selten Fehler. Ich persönlich kann mich an keinen einzigen erinnern.” (Zitat S.16) Und was viel schlimmer ist, die Frau ist nicht nur virtuell gestorben, sondern auch in ihrer Kapsel. Jana muss unbedingt herausfinden, was passiert ist und bringt sich bald in große Gefahr…
Das Cover passt inhaltlich genau und zeigt eine Welt, die Kerrybrook darstellen könnte. Dazu der grün schillernde Schriftzug — das macht optisch ordentlich was her. Ursula Poznanski scheint in “Cryptos” an ihren Erfolg von “Erebos”, für das sie 2011 den Deutschen Jugendliteraturpreis und viele andere Auszeichnungen erhalten hat, anknüpfen zu wollen. Während in “Erebos” die virtuelle Welt sich auf eine Auswahl zockender Jugendlicher beschränkte, betrifft dies in “Cryptos” mal eben die ganze übrig gebliebene Weltbevölkerung. Ein interessantes Setting nicht nur für Jugendliche, sondern vor allem für Erwachsene. Denn was wäre, wenn die Welt durch “Tornados, Dürren und Überschwemmungen” (Zitat S.13) so zerstört wäre, dass das Leben in der Realität nicht mehr erträglich ist? Dass die Flucht vor den Folgen des Klimawandels die Bevölkerung lieber in Online-Welten abdriften lässt? Diesen Plot hat die Autorin wunderbar gezeichnet und
man ist beim Lesen äußerst gespannt über jedes Detail, das man erfährt: “..ein totales Abtauchen ist nicht vorgesehen. Auch deshalb, weil es Vorschriften gibt, die einzuhalten sind. Regelmäßiges Duschen zum Beispiel, auch wenn der Overall ein eigenes Hygienesystem aufweist. Außerdem soll der Körper die Bewegung in der wirklichen Welt nicht verlernen. Sie nennen das den täglichen Realitätsstopp, er dauert etwa vierzig Minuten. Für viele sind das die unangenehmsten vierzig Minuten des Tages” (Zitat S.20) Sterben kann man in den virtuellen Welten nicht. Wird man versehentlich von einem Dinosaurier gefressen, auf einem Schlachtfeld erschossen oder von einem Fabelwesen attackiert, erwacht man einfach wieder in seiner Kapsel und kann sich an einen neuen Ort transferieren. Vor allem diese Welten zu entdecken, liest sich höchst ereignisreich und faszinierend. Und nichts ist unmöglich: eine Welt, in der man
den ganzen Tag nur Blumenbeete anlegt; oder Musikinstrumente spielt, oder in einer Welt voller Spiegel mit ständigen Modelwettbewerben oder in der Zeit von Jane Austen zu leben mit förmlicher Etikette und anstehenden Kostümbällen — alles ist wählbar und oft verknüpft mit vielen Abenteuern, die zu bestehen sind: “Als mit den alternativen Welten begonnen wurde, hat sich schnell herausgestellt, dass einfach nur rumhängen den Menschen nicht genügt, so schön kann die Umgebung gar nicht sein. Sie wollen herausgefordert werden, sich mit anderen messen. […] Also versorgen wir sie mit Aufgaben und Geheimnissen, verstecken Schätze und lassen sie Gefahren meistern.” (Zitat S.13) Während man über die virtuellen Welten eine Hülle an Informationen erhält, muss man sich die wirkliche Welt erst nach und nach erschließen, wie ein Spieler, der sich eine virtuelle Welt immer mehr erschließt. Zeitlich wird einmal der Begriff des Regency erwähnt, eine Epoche in Großbritannien, die von 1811 bis 1820
geht. “Cryptos” spielt 350 Jahre später, also zwischen 2161 und 2170 irgendwann. Es gibt keine Staatschefs mehr, nur die Besitzer der multimedialen Konzerne regieren die Welt. Venedig, die Fidschi-Inseln sind schon längst untergegangen. In Madrid ist es tagsüber so heiß, dass man es draußen kaum mehr aushält. Der Near-Future-Thriller wird durchgehend aus Janas Sicht in der Ich-Perspektive erzählt. Die Sprache von Ursula Poznanski ist wie gewohnt sehr flüssig und mitreißend. Das Ende lässt winzig kleine Fragen offen, aber dennoch ist das Buch in sich abgeschlossen.
Fazit: Gelungene Unterhaltung!
Wenn dir “Cryptos” gefallen hat, dann lies doch noch die anderen Thriller von Ursula Poznanski, hier chronologisch nach Erscheinungsdatum aufgelistet: “Erebos”, “Saeculum”, “Layers”, “Elanus”, “Aquila”, “Thalamus” und “Erebos 2”. Außerdem hat sie die dystopische “Eleria”-Trilogie geschrieben: “Die Verraten” (Band 1), “Die Verschworenen” (Band 2) und “Die Vernichteten” (Band 3) Eine sehr gute Lesealternative zu “Cryptos” ist “Ready Player One” von Ernest Cline, “White Maze: Du bist längst mittendrin” von June Perry oder “Mind Games” von Teri Terry. Gut könnte ich mir auch die “Cronos Cube”-Reihe von Thekla Kraußeneck und Dörte Dosse vorstellen oder “Das letzte Level” und “Der letzte Player” von Chris Bradford. Über virtuelle Welten schreibt ebenfalls Karl Olsberg viel, zum Beispiel “Boy in a white room”, “Girl in a strange land” oder “Das Freu: Wahres Glück findest du nur in der Wirklichkeit”. In eine besondere Parallelwelt reist die Protagonistin in der “Soul Beach”-Reihe von Kate Harrison. Oder lies “Die Scanner” und “Die Gescannten” von Robert M. Sonntag (alias Martin Schäuble).
Bibliografische Angaben:Verlag: Loewe ISBN: 978-3-7432-0050-0 Erscheinungsdatum: 12.August 2020 Einbandart: Hardcover Preis: 19,95€ Seitenzahl: 448 Übersetzer: - Originaltitel: - Originalverlag: - Originalcover: -
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Kasimiras Bewertung:
(5 von 5 möglichen Punkten)
Ich liebe das Buch ich kann nicht aufhören darin zu lesen
Liebe Meliassa,
das kann ich absolut nachvollziehen;-) Viel Spaß beim Weiterlesen!
Lg Kasimira
PS: “Shelter” ist auch ganz toll!