Die deutsche Autorin Tanja Heitmann, die vor allem durch ihre romantischen Fantasybücher bekannt geworden ist, hat mit “In einer Sommernacht wie dieser” einen realistischen Roman geschrieben, der mit Thrillerelementen durchwoben ist. Eine Geschichte über die Liebe, die Leidenschaft für etwas und die Gefahr, die dahinterstecken kann. Eine gelungene, atmosphärische Lektüre mit einem wunderschönen Cover! Für Jugendliche ab 14 Jahren und Erwachsene.
Die 17-jährige Leonie, genannt Leo, staunt nicht schlecht, als sie in der neuen Villa ihres Vaters am Potsdamer See ankommt, um dort die Sommerferien zu verbringen und ein Bauarbeiter vom Dach herabfällt. Seinen Schmerzen nach scheint er sich den Arm gebrochen zu haben, doch der harsche, unfreundliche Bauunternehmer will davon nichts wissen. “Die Bulldogge musterte sie abfällig. “Hör mal, du kannst so viel Fräulein Doktor spielen, wie du willst. Aber nicht hier und nicht jetzt. Wenn ich sage, der Mann hat nix, dann hat der nix.” “Ja, klar”, sagte Leo, um dann dem untätig herumstehenden Taxifahrer zuzurufen: “Wenn Sie nicht sofort einen Krankenwagen holen, zeige ich Sie wegen unterlassener Hilfeleistung an, verstanden?” (Zitat S.8) Den Taxifahrer pfeift der Bauunternehmer zurück, den Verletzten schickt er davon. Auch als Leonie ihm sagt, dass sie die Tochter von Clemens Kressberg ist, für den dieser die Villa renoviert, ist ihm das ziemlich gleichgültig. Der Verletzte, so vermutet Leo, ist wahrscheinlich ein Schwarzarbeiter. Unterstützung gegen Bender, den Bauunternehmer, erhält Leo unverhofft, als Alexei hinzukommt, der ebenfalls auf dem Anwesen beschäftigt und vielleicht nur ein Jahr älter als sie ist. Der unnahbare, attraktive Alexei, der mit Bender auch schon ein Hühnchen zu rupfen hatte, und der Leo verteidigt. “Es fehlte nicht viel, und die Spannung würde sich wie eine explosive Mischung entzünden. Obwohl Leos Instinkt sie dazu drängte, sich schleunigst in Sicherheit zu bringen, stellte sie sich neben Alexei. Nicht nur das, sie legte ihm auch ihre Hand auf den Unterarm. Die Berührung dauerte nicht länger als ein paar Herzschläge, trotzdem spürte sie, wie sich seine Härchen unter ihren Fingerspitzen aufrichteten. Dann lockerte sich seine eben noch angespannte Haltung, als hätte Leo einen geheimen Punkt auf seiner Haut berührt, und ein Ausdruck von Verwunderung legte sich über sein Gesicht.” (Zitat S.13) Alexei arbeitet für Viktor, den
Gärtner der Villa. Ein gewisser Ruf eilt ihm voraus. Er stammt aus Moldawien und ist nicht nur ein großer Schweiger, sondern scheinbar auch öfters in Schlägereien verwickelt gewesen. Seine Gefühle hat er nicht immer im Griff. Und dann ist da noch etwas Dunkles in ihm. Ein Schatten der Vergangenheit, der auch für Leo, die ihm unweigerlich näher kommt, deutlich wird. “Inzwischen stand Alexei nur noch eine Armlänge von ihr entfernt, und sie glaubte, das hitzige Flimmern seiner Körperwärme zu spüren. Zu nah, schrillte es in ihrem Kopf. Nicht nah genug, hielt eine andere, viel überzeugendere Stimme dagegen.” (Zitat S.46) Trotzdem lässt sie sich auf ihn ein. Bis ein Toter im Wald auftaucht. Es ist ausgerechnet Bender. Und Alexei steht unter Mordverdacht…
“In einer Sommernacht wie dieser” ist ein Roman, der bereits mit einem mitreißenden Beginn aufwartet, der den Leser sogleich mitten ins Geschehen hineinkatapultiert. Kein seitenlanges Vorgeplänkel, keine ewig langen Charaktereinführungen — die Protagonisten stürzen sich mitten in die Geschichte, die schnell ihren Verlauf nimmt. Tanja Heitmann hat personale Erzählperspektiven gewählt und legt neben ein paar anderen Sichtweisen, das Hauptaugenmerk auf Alexeis und vor allem Leos Wahrnehmung. Gerade auch an Alexeis Erleben teilzuhaben, ist sehr interessant, da man — hinsichtlich der Frage, ob er ein Mörder ist oder nicht — diese Frage auch aus seiner Sicht nicht eindeutig klären kann, da ihn einige Blackouts in letzter Zeit plagen. Andeutungen machen neugierig nach seiner Vergangenheit, die sich erst nach und nach offenbart: “Mit dem Fahrrad dauerte es eine Weile bis dorthin, weil er einen Umweg um den Wald fahren musste. Denn den würde er nicht einmal dann freiwillig durchqueren, wenn sein Leben davon anhing.” (Zitat S.38) Zwischendurch stößt man immer wieder auf gräulich gemusterte Seiten, die “Im Wald” spielen und eine Szene schildern, die erst später in den richtigen Zusammenhang gebracht werden kann. Der Roman ist äußerst kraft- und stimmungsvoll erzählt, besonders Leo als Charakter hat mir sehr gut gefallen. Ein Mädchen, das sich nicht alles bieten lässt, hartnäckig ist und es schafft einen Sturkopf wie Alexei aus dem Konzept zu bringen.
Trotzdem erwartet auch sie eine Achterbahn der Gefühle. “Sie wollte bei ihm bleiben, während sie es zugleich kaum aushielt, nur einen Handbreit vor ihm zu stehen und ihm trotzdem so fern wie noch nie zu sein. Es fehlte nicht mehr viel, und es würde sie zerreißen, einmal mitten entzwei. Sie glaubte, das Zerren in ihrem Inneren bereits zu spüren, wie es sich hineintrieb in Haut und Seele.” (Zitat S.190) Die Emotionen ihrer Protagonisten zu beschreiben, gelingt der Autorin äußerst gut. Die Geschichte ist bewegend, authentisch und gegen Ende (auch wenn man den Ausgang bereits erahnt) sehr fesselnd, so dass man “In einer Sommernacht wie dieser” kaum aus den Händen legen möchte!
Fazit: Eine Liebesgeschichte mit einem kleinen Schuss Thriller, tolle Unterhaltung — nicht nur für Sommernächte;-)
Wenn dir “In einer Sommernacht wie dieser” gefallen hat, dann lies doch auch noch die anderen (Fantasy-)Bücher von Tanja Heitmann: Zum Beispiel die “Schattenschwingen”-Trilogie (Band 1: “Schattenschwingen”, Band 2: “Schattenschwingen: Die dunkle Seite der Liebe”, Band 3: “Schattenschwingen: Zeit der Geheimnisse”, die “Dämonen”-Reihe (Band 1: “Morgenrot”, Band 2: “Wintermond”, Band 3: “Nachtglanz” und Band 4: “Traumsplitter”). Ihr letztes Werk war “Nebelsilber” das Ende 2015 erschien. Inhaltlich gesehen hat mich der hier rezensierte Roman etwas an “Der Märchenerzähler” von Antonia Michaelis erinnert, das jedoch sprachgewaltiger ist und ohne die Perspektive des männlichen Protagonisten auskommt. Verliebt in einen Mörder? Diese Thematik findest du in dem Bestseller “Der Erdbeerpflücker” von Monika Feth , in dem Arena-Thriller “Schattenflügel” von Kathrin Lange oder in “Lilienblut” von Star-Autorin Elisabeth Herrmann. Ein paar inhaltliche Parallelen gibt es auch zu dem fesselnden “Kiss me, kill me” von Lucy Christopher.
Bibliografische Angaben:Verlag: Oetinger ISBN: 978-3-7891-3731-0 Erscheinungsdatum: 25.Juli 2016 Einbandart: Hardcover Preis: 16,99€ Seitenzahl: 368 Übersetzer: - Originaltitel: - Originalverlag: - Originalcover: - Trailer zum Buch:
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