“Wörter mit L” ist das neueste Buch der mit zahlreichen Preisen ausgezeichneten, deutschen Autorin Tamara Bach. Eine Geschichte, die ein junges Mädchen in den Mittelpunkt rückt, in deren Umfeld sich alle verlieben. Nur sie selbst hat mit solchen Gefühlen eigentlich gar nichts am Hut. Ein Roman über Veränderungen, über das Erwachsenwerden, das nicht immer einfach ist, manchmal aber auch wieder richtig schön sein kann. Mit ihrer bestechend glasklaren Sprache entführt uns die Autorin auf äußerst authentische Art und Weise in das turbulente Leben einer Heranwachsenden. Lesetipp! Für Jugendliche ab 10 Jahren und all jene, die plötzlich mit der Liebe um sich herum konfrontiert werden;-)
Jeden Morgen treffen sich Pauline und ihre beste Freundin Natascha vor der Schule am Zeitungskiosk. Manchmal ist Pauline etwas früher dran und manchmal etwas später. Je nachdem bei welchem ihrer Elternteile sie gerade übernachtet hat. Denn Paulines Eltern leben getrennt. Montags bis donnerstags übernachtet sie bei ihrem Vater, dessen Frau Jette und ihrem kleinen Halbbruder Jonathan. Den Rest der Woche ist sie bei ihrer Mutter. “Wenn Papa mich mitnimmt, bin ich ein bisschen früher als Natascha da. Wenn ich bei Mama schlafe, komm ich später. Eine von uns muss immer warten.” (Zitat S.13). Doch auf einmal wartet auch Leonie morgens öfters an ihrem Treffpunkt. Leonie, mit der Natascha plötzlich so viel über Jungs tuscheln muss. Über Tristan, in den sie sich verguckt hat. Auch Leonie ist ein bisschen in Oskar verliebt. Pauline kann so etwas gar nicht verstehen. “Ich weiß gar nicht, warum Jungs plötzlich so wichtig sind. Dass man dauernd darüber reden muss, über Jungs, über Gefühle, über den ganzen Herzschamott. Das war vorher nicht so, oder? Das ist, als hätte es ein Zeichen gegeben, eine Hupe, einen Startschuss, irgendwas. Als hätten sich alle verabredet. Nur mir hat keiner Bescheid gegeben.” (Zitat S.27ff) Jetzt hat sie von ihrem Vater erfahren, dass sogar ihre Mutter verliebt sein soll? Stimmt das? Doch als ihr Vater sie nach einem Zahnarzttermin im Büro der Mutter absetzt und sie diese auf einmal in einem ganz anderen, aufgeregten Zustand erlebt, als ein Mitarbeiter in ihr Zimmer eintritt, wird Pauline klar, dass ihr Vater Recht hatte. Auch ihre Mutter ist verliebt. “Das ganze Wochenende muss Mama arbeiten. Das ganze Wochenende denk ich, Mama ist verliebt und hat es mir nicht
erzählt. Und ich muss sie nicht mal fragen, weil ich es selbst gesehen habe. Weil ich sogar weiß, in wen. Eigentlich sind alle Fragen beantwortet, die ich hatte. Und plötzlich sind da so viel mehr.” (Zitat S.55) Pauline versteht die Welt nicht mehr. Gibt es eigentlich auch noch etwas anderes als verliebt sein? Pauline zum Beispiel interessiert sich mehr für den Hund, den der Lehrer aus ihrer Parallelklasse scheinbar immer mit in die Schule bringt. Oder eben Hunde im Allgemeinen. Auch den dreibeinigen Hund ihres Mitschülers Lukas findet sie toll. Doch dann sagt Pauline unabsichtlich etwas Gemeines zu Natascha und diese will auf einmal nicht mehr mit ihr befreundet sein…
“Wörter mit L” wartet mit einem Cover aus, das anders ist. Detailfreudig und neugierig machend. Was gibt es da alles auf dem Schreibtisch der Protagonistin zu entdecken? Auch auf den Innenseiten des Buches kann man einiges entdecken — nämlich, dass es nicht nur Wörter mit L wie Liebe gibt, sondern ganz viele andere: “Lappland, Luftschlange, Luftschlösser, Latein, Larifari…” Pauline ist ein äußerst sympathisches Mädchen, das in der Ich-Perspektive ihre Sicht der Dinge zum Besten gibt. Besonders die sich verändernde Freundschaft zu Natascha und die “Liebe”, die ihnen dazwischenkommt, ist sehr gut getroffen: “Ich komm mir vor, als wäre ich zwei Wochen krank gewesen und komm jetzt in die Schule und versteh gar nichts mehr, weil jeder Lehrer mit einem neuen Thema angefangen hat. Weil alle dabei waren, nur ich nicht. Als könnten alle plötzlich eine neue Sprache und ich versteh nur Lalula.” (Zitat S.75ff) Denn auf einmal meldet sich Natascha auf ihre Nachrichten am Wochenende nicht mehr bei ihr. Ruft sie nicht zurück. Und erzählt ihr auch gar nicht, was in dem Brief stand, den sie ihrem Schwarm Tristan gegeben hat. Ebenso in Paulines Klasse ist vieles anders geworden. Das Erwachsenwerden hat sich zwischen sie gedrängt und das merkt man, manchmal auch einfach nur so nebenbei. Wie zum Beispiel im
Schwimmunterricht, wenn man hinterher unter der Dusche steht. “Das ist nicht mehr so wie damals im Kindergarten im Sommer, wo man sich einfach ausgezogen hat und durch den Rasensprenger gehüpft ist. Da haben wir ja alle noch gleich ausgesehen. Kindergarten ist ja ewig her. Wir schauen uns an und ich frage mich, ob das okay ist, dass ich sehe, dass eine aus der Parallelklasse schon Brüste kriegt. Und dass manche dicker oder dünner sind, und manche Po haben und manche gar keinen.” (Zitat S.16) Gefühle in Worte packen, das ist Tamara Bach auf besonders einfühlsame Weise gelungen. Ihre Sprache ist einfach und klar. Und mit so viel Raum zwischen den Zeilen, das es dem Leser geradezu entgegenspringt, dieses Ungesagte, diese Gratwanderung zwischen Kindheit und Erwachsenwerden, dieses Loslassen und dieses Vertrauen zu etwas Neuem, das man erst langsam aufbauen und verstehen muss. Das Ende ist passend und bringt ein Happy-end:-)
Dir gefällt Tamara Bachs Erzählstil? Dann lies noch ihre anderen Bücher (chronologisch nach Erscheinungsdatum): “Marsmädchen” (hierfür erhielt sie unzählige Preise, u.a. den Deutschen Jugendliteraturpreis 2004), “Busfahrt mit Kuhn” (nominiert für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2005), “Jetzt ist hier”(2007), “Was vom Sommer übrig bleibt” (erhielt den Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis 2013) und “Marienbilder” (2014, gefiel mir gut!), “Vierzehn” (2016, treffsicher und prägnant!) und “Mausmeer” (2018). Wenn alle anderen sich verlieben und man selbst das eben nicht ist, das ist ebenso Thema in diesen Büchern: “Verliebt? Ich doch nicht!” von Agnès Desarthe und “Mira — #freunde #verliebt #einjahrmeineslebens” von Sabine Lemire. Der Liebesvirus ist auch in diesen Romanen ausgebrochen: “Chloé und die rosarote Brille” von Sonja Kaiblinger, “Alle Sterne stehen auf Liebe” von Hermien Stellmacher und in “Conni und der Liebesbrief” von Julia Boehme (bereits ab 8 Jahren). Eine Neuerscheinung über das Erwachsenwerden von einer Autorin, einen sehr schönen Erzählstil hat, ist “Sonne, Moon und Sterne” von Lara Schützsack. Eine Freundschaft, die sich plötzlich verändert, das erlebst du bei folgenden Titeln: “Wunderworte” von Abby Cooper (ab 10), “Wohin meine Flossen mich tragen” von Kate Gordon (ab12) und in “Papierfliegerworte” von Dawn O’Porter (ab 14).
Bibliografische Angaben:Verlag: Carlsen ISBN: 978-3-551-55386-7 Erscheinungsdatum: 28.Februar 2019 Einbandart: Hardcover Preis: 11,00€ Seitenzahl: 176 Übersetzer: - Originaltitel: - Originalverlag: - Originalcover: -
Kasimiras Bewertung:
(4,5 von 5 möglichen Punkten)