Ein richtig cooles Buch hat der britische Autor T.S. Easton geschrieben: “Ben Fletchers total geniale Maschen”. Im Tagebuchstil berichtet ein Jugendlicher aus seinem Leben, das eine überraschende Wendung nimmt, als er aufgrund eines Missverständnisses in einem Strickkurs landet. Total witzig und amüsant geschrieben! Jetzt neu als Taschenbuch erschienen. Ein hervorragendes Leseerlebnis für Jungs ab 12 Jahren und interessierte Erwachsene.
Der 17-jährige Ben Fletcher liebt Mathematik. Er liest und schreibt gerne. Und ist ein Organisationsgenie. Aber er hat drei Freunde, die ihn dummerweise immer in Schwierigkeiten bringen: “Sie sind keine schlechten Kerle. Sie sind einfach bloß dumm. Unnötig zu erwähnen, dass sie nie auf mich hören. Aus irgendeinem Grund aber bin am Ende immer ich es, der dafür zahlen muss.” (Zitat aus “Ben Fletchers total geniale Maschen” Seite14). Die letzte Dummheit, in die er hineingeraten ist, hat Ben sogar zu einer 12-monatigen Bewährungsstrafe “verholfen”. Im Austausch mit seiner Bewährungshelferin, die bald große Stücke auf ihn hält, erfährt er von seinen Auflagen. Er soll ein Tagebuch führen. Das ist für Ben kein sonderlich großes Problem, er schreibt bereits eines. Dann soll er noch Buße leisten und die Frau, die er mit seinem Fahrrad aufgrund übler Umstände über den Haufen gefahren hat, zu Hause besuchen, um ihr bei irgendwelchen Arbeiten zur Hand zu gehen. Dumm nur, dass diese völlig austickt, weil sie von seinem angekündigten Besuch nichts mitbekommen hat und ihn aus dem Fenster mit Haushaltsgegenständen beschmeißt. Doch es wird noch besser. Denn eine seiner Auflagen sieht vor, dass er sich eine Aktivität außerhalb der Schule suchen soll. Er hat die Wahl zwischen einem Computerkurs (ihm zu einfach), einem Autoreparaturkurs (macht sein Vater, geht gar nicht!), einem Töpferkurs (macht die Mutter seiner heimlichen Flamme Megan, geht erst recht nicht!!) und einem Strickkurs. Letzteren leitet die bezaubernde Miss Swallow, Bens Englischlehrerin, für die er ebenfalls schwärmt. Und auch nur aus diesem Grund meldet er sich dafür an. Jedoch muss er schließlich erfahren, dass es beim Aushang der Kurse einen kleinen Fehler gab. Die Kursleiterinnen wurden vertauscht. Und ehe Ben sich versieht, landet er bei Megans Mutter im Strickkurs: “Es ist schön, einen männlichen Teilnehmer im Kurs zu haben […] Es wäre wundervoll, das Klischee, dass Stricken nur etwas für Frauen sei, endlich ein für alle Mal zu widerlegen.” “Ja, da fällt mir ein…[…] Ich bin mir nicht sicher, ob meine Freunde viel Verständnis dafür hätten Klischees zu widerlegen. Ich hatte irgendwie gehofft, das wir das Ganze vertraulich behandeln könnten.” (
Zitat aus “Ben Fletchers total geniale Maschen” Seite 52ff) Und Mrs Hooper behält das Ganze tatsächlich für sich. Auch dass Ben richtig talentiert ist. Sogar ein wahres Naturtalent! Eher schwieriger wird es für den Jungen seinen Vater davon zu überzeugen, dass er eigentlich einen Töpferkurs besucht. Denn dieser darf nie erfahren, was sein Sohn da eigentlich tut. Unter einem Vorwand besorgt Ben sich bei Miss Swallow ein wenig Ton (für die schmutzigen Hände), weil er angeblich eine Pyramide für ein Schulprojekt bauen möchte. Doch schon bald wollen sowohl sein Vater, als auch Miss Swallow Ergebnisse sehen. Und wie rechtfertigt Ben, der im Stricken ein wunderbar entspannendes Hobby gefunden hat, die Existenz einer Strickzeitschrift unter seinem Bett, die sein Vater beim Aufräumen zufällig entdeckt? Langsam aber sicher verstrickt er sich in ein Netz aus Lügen, dessen Fäden sich immer dichter um seinen Hals ziehen…
“Ben Fletchers total geniale Maschen” wird durchgehend im Tagebuchstil aus Bens Sicht geschrieben. Die Kapitel sind in Tage unterteilt, die jeweils mit einem Wollknäul umgarnt werden, was optisch echt was her macht und passend zum lockeren Erzählstil der Geschichte passt. In Bens Auf und Ab — in seinen turbulenten Alltag — kann man sich sehr gut hineinversetzten. Bravourös charakterisiert wird sowohl seine Familie (der sportsbegeisterte Vater, der den Sohn auf jedes Fußballspiel mitschleppt und die Mutter als die Zauberin arbeitet; beide werfen sich regelmäßig zweideutige, sexuelle Anspielungen an den Kopf, bei denen Ben nur mit den Augen rollen kann), als auch seine durchgeknallten Freunde (von denen einer sich in einem erotischen selbstgeschriebenem Roman versucht, den er “Shades of Graham” nennt). Auszüge aus Letzterem fließen ebenso in “Ben Fletchers total geniale Maschen” ein, wie die regelmäßige Korrespondenz zwischen Ben und seiner Bewährungshelferin, die ihn bald zu ihrem einzigen Erfolgsfall abstempelt und dadurch noch mehr Druck auf Bens Schultern ablädt. Und Sorgen macht sich Ben bald jede Menge: Muss er doch auch mit der Haushaltsgegenständen schmeißenden Frau klar kommen, er wird von einem Jungen aus der Schule gedisst, von einem Mädchen aus dem Strickkurs überraschend geküsst, er kommt kaum mehr zum Lernen, weil er lieber strickt, er muss sein Hobby geheim halten, einem Fußballer ungewollt Liebesrat geben, “Shades of Graham” Korrektur lesen und und und… Hier liefert der Roman gegen Ende auf unprätentiöse Weise eine schöne Botschaft: “Du kannst dir nicht über alles gleichzeitig Sorgen machen”, sagte sie. “Du klingst wie meine Mutter”, erwiderte ich. “Ich hoffe, ich küsse nicht wie deine Mutter.” “Nein, mit ihr ist es anders”, gab ich zu. “Masche für Masche”, sagte sie, “Du kannst nicht alles auf einmal tun.” (Zitat aus “Ben Fletchers total geniale Maschen Seite 305) und ein paar Seiten später auf Seite 315: “Manchmal ist Chaos okay”, antwortete ich, “Um etwas Schönes zu machen, braucht man manchmal ein bisschen Unordnung. Man kann nicht immer alles kontrollieren, manchmal muss man den Dingen freien Lauf lassen.” Ein wenig macht das Buch allerdings auch bewusst, dass es manchmal besser ist zu sich selbst zu stehen, als immer der sein zu wollen, den andere in einem sehen (zum Beispiel der Vater).
Insgesamt muss ich sagen, dass mir der Roman außerordentlich gut gefallen hat! Er ist unterhaltsam, mit Tiefgang und überaus witzig. Mit jeder Menge Situationskomik und Esprit. Unbedingt lesen!!
“Ben Fletchers total geniale Maschen” ist komplett in sich abgeschlossen, aber es kann auch noch die (bisher nur auf Englisch erhältliche) Fortsetzung gelesen werden: “An English Boy in New York”. Eine richtig gute Alternative ist auch “Über kurz oder lang” von Marie-Aude Murail. Hier beweist ein Junge überraschenderweise Talent fürs Haareschneiden und muss sich ebenfalls mit seinem Vater auseinandersetzen. Wunderbar humorvoll und mit einer besonderen Leichtigkeit erzählt. Das Ende von “Ben Fletchers total geniale Maschen” hat mich von seinem Chaos und seinem Überschwang fast ein bisschen an die “Schafgäääng” von Christine und Christopher Russell erinnert, die allerdings noch ein wenig infantiler, aber auch wahnsinnig komisch ist. Bezüglich des Endes, in dem dann doch alles wieder ins gerade Licht gerückt wird und Ben Unterstützung erhält, mit der er im Leben nicht gerechnet hätte und das den Leser mit einen guten Gefühl aus dem Roman entlässt, musste ich auch sofort an “Wunder” von Raquel J. Palacio denken, was auch das Thema “Anderssein” in den Vordergrund rückt.
Bibliografische Angaben:Verlag: Beltz ISBN: 978-3-407-74735-8 Erscheinungsdatum: 15. August 2016 Einbandart: Taschenbuch Preis: 8,95€ Seitenzahl: 336 Übersetzer: Andrea Wandel, Wieland Freund Originaltitel: "Boys don't knit (in public)" Originalverlag: Hot Key Books
Britisches Originalcover:T.S.Easton versucht sich am Stricken;-)
Kasimiras Bewertung:
(5 von 5 möglichen Punkten)
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