“Saligia: Spiel der Todsünden” von der deutschen Autorin Swantje Oppermann befasst sich mit einem besonderen Thema: den 7 Todsünden. Man nehme ein Mädchen, das den Zorn in sich trägt; ein Internat, welches sich auf Schüler mit solch außergewöhnlichen Kräften spezialisiert hat und einen Mordfall dazu — und erhält eine wunderbar unterhaltsame Mischung aus Coming-of-Age-Roman und Mysterythriller. Tolles Setting — und sehr spannend! Für Jugendliche ab 14 Jahren und interessierte Erwachsene.
Die 16-jährige Kiera ist eine Außenseiterin. Sie hat keine Freunde. In der Schule wird sie geärgert und ausgeschlossen. Zuhause bei ihrer Mutter erwartet sie dieselbe Kälte wie in der Schule. Es macht keinen Unterschied, wo sie sich aufhält. Denn Kiera ist anders als alle anderen. Sie fühlt unheimlich viel Wut und Ärger in sich. Flippt schon bei Kleinigkeiten aus und schäumt über vor Zorn. “Aber sie konnte nicht anders. Als hätte man ihr nach der Geburt einen Chip eingepflanzt und sie darauf programmiert, immer schlecht drauf zu sein. Die anderen waren nicht das Problem. Sie war es. Und das machte Kiera umso wütender.” (Zitat aus “Saligia: Spiel der Todsünden” S.17) Manchmal möchte sie am liebsten etwas kaputtmachen. Zerschlagen. “Mehr als eine blöde Wasserflasche. Sie hasste diese Stadt. Sie hasste ihre Kräfte. Sie hasste ihr Leben. Hassen, hassen, hassen. Das war alles, was Kiera konnte.” (Zitat S.13) Denn Kiera hat besondere Kräfte: sie kann ihre Wut auf andere Menschen übertragen! Ihre Mutter leugnet diese Dinge, stempelt sie als Hirngespinste ab und nimmt Kiera nicht für voll. Dabei hat sie diese Fähigkeit sehr wohl. Als sie im Park sitzt und sich über ein paar Jungs aufregt, die ständig mit ihrem Ball um sie herumwuseln, geraten ihre Gefühle mal wieder außer Kontrolle: “Kieras schmaler Kiefer trat kräftig hervor, als sie die Wut tief in ihrem Inneren sammelte und alles um sich herum ausblendete. […] Das Blut rauschte in ihren Ohren in ihrem Magen brodelte es. […] Die Druckwelle der Wut erreichte den kleinen Dicken zuerst. Er explodierte. Sprichwörtlich. “Arschloch!”, schrie er und walzte wie ein Bulldozer auf seinen blonden Kumpel zu, um ihn mit einer heftigen Grätsche von den Füßen zu mähen.” (Zitat S.10) Und plötzlich — wie aus heiterem Himmel — entsteht eine große Schlägerei in dem Park, in die auch andere Unbeteiligte mit einsteigen. “Kiera saß nur wenige Meter entfernt, und doch ahnte niemand, dass sie für diesen Streit verantwortlich war. Von ihrer Decke aus steuerte sie die Jungen und deren Emotionen wie Spielfiguren in einem Videospiel.” (Zitat S.11). Doch dann taucht auf einmal ein fremder Mann in Kieras Leben auf, der behauptet zu wissen, was mit ihr lo
s ist. Der ihre übernatürlichen Fähigkeiten zu kennen glaubt. “Kiera, du verkörperst eine der Todsünden. Eines der sieben Hauptlaster, um die richtige Terminologie zu verwenden. […] Du bist der Zorn. Und ich kann dir helfen, ihn unter Kontrolle zu bringen.” (Zitat S.20) “Du bist eine Saligia, Kiera. Und du bist nicht alleine mit deinen Fähigkeiten.” (Zitat S.21) Elliot, so heißt der Fremde, fordert sie auf mit ihm zu kommen. Abschied von ihrem bisherigen Leben zu nehmen und auf die renommierte Canterbury School zu gehen. Und so lässt sich Kiera schließlich darauf ein auf dieses besondere Internat zu gehen, in dem strenge Regeln und volle Stundenpläne herrschen und vor allem Mitschüler, die ebenfalls eine der sieben Todsünden verkörpern. Nie hätte Kiera gedacht, dass sie sich irgendwo heimisch fühlen könnte. Zugehörig. Auch wenn sie noch nicht wirklich weiß, wie sie mit der Wut in ihr umgehen soll. Aber zumindest schöpft sie Hoffnung. Aber dann passiert ein Mord an der Schule, den die Schulleiterin unter den Teppich zu kehren versucht und Kiera merkt, dass auch andere ihrer Mitschüler nicht mit offenen Karten spielen…
“Saligia: Spiel der Todsünden” beginnt mit einem unheilvollen Prolog — den einzuordnen man während des Hauptteils noch am Überlegen ist — welcher einen Unbekannten in den Mittelpunkt stellt, der in seinem Auto ein Haus und eine namenlose, weibliche Person observiert. Und er endet mit einer schaurigen Andeutung: “Funken erhellten seine dunklen Augen, bevor sie sich in den schwarzen Tiefen seiner Pupillen verloren. […] In seinen Augen gab es nichts zu erforschen, nichts zu entdecken. Wer ihm begegnete, war verloren.” (Zitat S.8) Das Buch selbst ist in mehrere Teile eingeteilt: “Die Ankunft”, “Das Ritual”, “Geheimnisse” und “Die Wahrheit”. Berichtet wird hauptsächlich in personaler Erzählweise aus Kieras Sicht, doch in manchen Kapiteln erzählt auch Elliot, der Sucher, von seinen Erlebnissen. Wie er versucht hinter das Geheimnis von Kieras Familie zu kommen. “Für Kiera gab es nur einen Geist und den würde sie niemals loswerden. Ihren Vater. Die lange Narbe am Hals ihrer Mutter. Als Kiera drei gewesen war, hatte er die beiden beim Abendessen mit einem Messer bedroht und ihre Mutter schwer verletzt. Ms Venin war keine andere Wahl geblieben, als sich und ihre Tochter zu beschützen. Es war Notwehr gewesen. […] Kiera erinnerte sich nur noch bruckstückhaft an den
Vorfall, aber sie wurde den Gedanken nicht los, dass es ihre Schuld war. Sie war überzeugt, dass sie ihren Vater mit ihren Kräften zu dem Angriff getrieben hatte.” (Zitat S.32) Was ist damals wirklich passiert? Diese Frage zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch, welches durchgängig total spannend und unterhaltsam geschrieben ist. Vor allem das Setting des Internats und deren Bewohner machen einen besonderen Reiz der Geschichte aus. Die Idee mit den sieben Todsünden, die ein jeder Mitschüler verkörpert, fand ich sehr gelungen und — mit all den Details, die man darüber erfährt — sehr faszinierend. Es werden lateinische Begriffe für die einzelnen Sünden gebraucht und auch die Schüler damit in Verbindung gebracht: Kiera ist eine “Ira”, das steht für “Zorn”. Ihr wird auch eine eigene (Kleider-)Farbe und ein Tiersymbol zugeordnet, so wie allen anderen Todsünden. Durch die Aneinanderreihung der Anfangsbuchstaben der lateinischen Übersetzungen erklärt sich im Übrigen auch das Wort Saligia: Suberbia (Hochmut); Avarita (Habgier); Luxuria (Lust); Ira (Zorn); Gula (Völlerei); Invidia (Neid); Acedia (Trägheit). Die Sprache ist in dem Roman zuweilen auch sehr schön und liefert besondere Metaphern wie: “Vier Hochbetten ragten ins den breiten Raum wie Bootsstege ins Wasser.” (Zitat S.46) oder “Sie war an diese Schule gekommen, um ihre Emotionen in den Griff zu bekommen. Stattdessen gerieten sie immer mehr durcheinander. Als hätte jemand all ihre Gefühle in einem Mixer geworfen und auf “Turbostart” gedrückt.” (Zitat S.206) Das Ende lässt noch einige Aspekte offen und macht deutlich — das hier wird eine Reihe werden!
Im Erwachsenenbereich gibt es einige Bücher über die sieben Todsünden, wie zum Beispiel die “Sieben Nächte” von Simon Strauß, “Wächter des Kreuzes” von Matilde Asensi, “Die sieben Todsünden” von Wolf Serno oder die “7 Todsünden”-Reihe von Marc und Inga Bold. Im Jugendbuch fällt mir nur “Die 7 Todsünden” von Stephan Sigg ein, eine Sammlung von 7 Kurzgeschichten über die Todsünden — ein sehr lesenswertes Buch. Das Faszinierende daran, ist dass man beim Lesen der Überschriften nicht verraten bekommt, welche Geschichte sich auf welche Todsünde bezieht. Der Leser ist selbst dazu angehalten sich darüber Gedanken zu machen. Eine “Auflösung” gibt es am Ende des Buches. Dazu ausführlichere Erklärungen zu jeder Geschichte. Zum Thema Wut könnte ich mir auch sehr gut “Kill all enemies” vorstellen, in dem ein 15-jähriges Mädchen eine Rolle spielt, die immer wieder vor Wut ausrastet. Oder lies folgende Titel: “So voller Wut” von Pete Smith, “Noahs Wut” von Brigitte Blobel oder “Die Wut” von Prose Francine.
Bibliografische Angaben:Verlag: Beltz & Gelberg ISBN: 978-3-407-74960-4 Erscheinungsdatum: 13.Februar 2019 Einbandart: Hardcover Preis: 13,95€ Seitenzahl: 343 Übersetzer: - Originaltitel: - Originalverlag: - Originalcover: -
Kasimiras Bewertung:
(4,5 von 5 möglichen Punkten)