“Weltverbessern für Anfänger” ist das erste Jugendbuch der deutschen Autorin Stepha Quitterer. Das Manuskript wurde 2019 für den Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreis nominiert. Eine Geschichte über Jugendliche, die für ein Schulprojekt und den möglichen Gewinn einer Klassenreise nach Tallinn die Welt verbessern sollen. Ein Altenheim und eine eigentlich zerstrittene Klasse in den Hauptrollen. Ein lockerer-flockiger Klamauk mit viel Ironie. Unterhaltsam und zum Teil nachdenklich machend. Für Jugendliche ab 12 Jahren.
Der Tag fängt für Minna nicht gerade ideal an. Ihre verhasste Lateinlehrerin Frau Griesinger bestraft die Klasse nach einem gestern geschriebenen, unangekündigten Test mit eben genau dem gleichen Test noch einmal, weil dieser so schlecht ausgefallen ist und sie dem Direktor “beweisen” will, dass die Klasse einfach nur zu faul zum Lernen ist. Als Minna und ein paar andere sich weigern diesen ein zweites Mal zu schreiben, erhalten sie einen Verweis, den sie auch noch von ihren Eltern unterschreiben lassen sollen. Minnas Eltern sind geschieden. Ihre Mutter ist Theaterschauspielerin und ihr Vater Regisseur. Letzterer fing etwas mit einer Kollegin an, der ihr Vater auch noch eine bessere Rolle vermittelte, weshalb sie nun getrennte Wege gehen. Dann erfährt Minna auch noch, dass ihre Oma nach einem Hirngerinnsel im Altenheim gelandet ist, weil ihr Vater seine Mutter nicht zu sich nehmen will. Ein Besuch drei Autostunden entfernt in jenem Heim lassen sie und ihre Mutter völlig entsetzt wieder nach Hause fahren. “Ich fühlte mich wie ferngesteuert. Ein bisschen so, als wäre mir jede Fröhlichkeit aus den Muskelfasern gezuzelt und von irgendwem geschluckt worden. Von diesem Pflegeheim. Und von diesem riesigen Bett mit der schmalen Oma darin. Von diesem widerlichen Geruch. Und von dieser Dampfwalze an Pflegerin.” (Zitat aus “Weltverbessern für Anfänger” S.50) Minnas Oma liegt nur den ganzen Tag im Bett, wird ab und zu mal von einer unmöglichen Pflegerin wie ein Stück Fleisch umgedreht und die Schnabeltasche am Nachttisch
ist auch nahezu unerreichbar. Sich verständlich machen kann die Oma nicht mehr. Als in der Schule ein besonderer Wettbewerb startet, hat Minna plötzlich eine Idee. “Der diesjährige Wettbewerb heißt >Weltverbessern für Anfänger<, hat die Muhbalk weiter erzählt, “jeder, der mitmachen will, engagiert sich in einem kleinen Bereich seines alltäglichen Lebens, den er für verbesserungswürdig hält […] dann begründet schriftlich, warum das passieren muss, kümmert euch darum, dass es passiert, dokumentiert die Umsetzung, am besten mit Fotos, und reicht alles bis zum ersten Juni im Sekretariat ein.” (Zitat S.10) Mit ihrem besten Freund Basti und ihrem Schwarm Pawel beginnt sie dem Altenheim in ihrem Wohnort regelmäßig Besuche abzustatten, um die Menschen dort ein wenig aus ihrem alltäglichen Trott herauszuholen. Doch als sie versuchen auch den Rest ihrer komplett zerstrittenen Klasse ins Boot zu holen, stoßen sie an erste Grenzen…
Das Cover von “Weltverbessern für Anfänger” ist auffällig, aber gestalterisch doch sehr neutral gestaltet. Aber der Titel macht auf jeden Fall neugierig. Der Plot klingt super und die Grundidee des Weltverbessern für ein Jugendbuch im Alltag von Umweltthemen und Klimawandel ist sehr zeitgemäß. Es gibt bisher leider noch zu wenige Verlage, dies dieses Thema erzählerisch in der Prosa aufgreifen. Geschrieben ist der Roman durchgehend aus Minnas Sicht in der Ich-Perspektive. Die Autorin hat eine sehr lockere, leichte, auch jugendsprachliche Erzählart. Jedoch verwendet sie keine stupide, einfache Sprache, sondern schon ein ausgewähltes Vokabular mit einigen Fremdwörtern und längeren verschachtelten Sätzen. Interessant sind vor allem ihre Wortneuschöpfungen, die immer wieder Einzug in den Text halten, wie “nadelfallstill” (S.5), “ohrenfetzenlaut” (S.40) und “häkeldeckengemütlich” (S.42). Auch heißt es des Öfteren nicht “die Mutter von Basti” sondern einfach nur “Bastimutter” (S.31). Der Unterton der Geschichte ist durchweg humorvoll, nur ab und zu etwas bemüht und anstrengend wirkend, gerade durch das überschwängliche Wortneuschöpfen. Inhaltlich ist aus dem Buch eine Menge herauszuholen. Gerade für eine Klassenlektüre eignet es sich sehr gut. Was bedeutet es die Welt
zu retten? Allerlei höchst unterschiedliche, zum Teil recht ungewöhnliche Schulprojekte anderer Mitschüler regen hier zum Nachdenken an und auch die Diskussionen der Schüler untereinander gehen in verschiedenste Richtungen: “Leute”, hab ich geschrien, “Weltverbessern fängt im Kopf an” — aber dann hab ich einen Texthänger gehabt, weil ich plötzlich nicht mehr wusste, was der angefangene Kopf überhaupt mit Primark und den Marken und dem Geben und Nehmen und dem Kapitalismus und der Globalisierung und der Klimakrise und dem Kommunismus zu tun haben soll und was mein kleiner Minikopf, wenn er diese überschaubaren Winzlingsgedanken einer durchschnittlichen Schulpause schon nicht auseinanderhalten kann denn bitteschön gegen den Krieg unternehmen will.” (Zitat S.112ff) Dass man jedoch gemeinsam wirklich etwas bewegen kann, zeigt das Ende von “Weltverbessern für Anfänger” auf schöne Art und Weise, wenn sich alles in Wohlgefallen auflöst.
Erzählerisch wird das Thema Umweltschutz nicht allzu oft im Jugendbuch aufgegriffen, etwas älter schon sind zum Beispiel “2084 — Noras Welt” von Jostein Gaarder (2015), “Meine Ökokrise und ich” von Ilona Einwohlt (2014) und “Euer schönes Leben kotzt mich an” von Saci Lloyd (2013). Einige Umweltromane haben auch Carl Hiaasen geschrieben, zum Beispiel “Fette Fische” oder “Eulen” und Katja Brandis, zum Beispiel “Schatten des Dschungels” oder “Floaters: Im Sog des Meeres”. Zwei Neuerscheinungen von diesem Jahr sind das gelungene “Es war die Nachtigall” von Katrin Bongard und “Die drei !!! — Voller Einsatz für die Erde” von Kirsten Vogel. Sehr gut kann ich mir zudem “Wie ich die Welt in 65 Tagen besser machte” von Michele Weber Hurwitz. Ein Schulprojekt, das einiges verändert und durcheinanderbringt? Das erlebst du humorvoller in “Ben Fletchers total geniale Maschen” von T.S.Easton und etwas spannender in “A good girl’s guide to murder” von Holly Jackson und in “Staat X: Wir haben die Macht!” von Carolin Wahl. Von Jugendlichen, die bei einem beruflichen Schulprojekt auch mehr bewegen als gedacht, kannst du in “Liquidator” von Andy Mulligan, lesen. Humorvollen “Klassenklamauk” findest du in “Fünf auf Crashkurs” von Hans-Jürgen Feldhaus.
Bibliografische Angaben:Verlag: Gerstenberg ISBN: 978-3-8369-6024-3 Erscheinungsdatum: 1.Januar 2020 Einbandart: Hardcover Preis: 16,00€ Seitenzahl: 288 Übersetzer: - Originaltitel: - Originalverlag: - Originalcover: -
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