“Wie ein Himmel voller Seehunde” von der schwedischen Autorin Sara Lövestam ist ein Roman der leisen Töne. Die Geschichte eines Sommers und die einer zarten Liebe zwischen zwei Mädchen. Behutsam und feinfühlig erzählt. Die ideale Ferienlektüre. Für Jugendliche ab 12 Jahren und interessierte Erwachsene.
Auf der Fähre zur Schäreninsel, auf der beide ihren Sommer verbringen werden, begegnen sich ihre Blicke das erste Mal. Nehmen sich die beiden Mädchen das erste Mal wahr. Beobachten einander heimlich. Anna und Loppan, die von allen aber nur Lollo genannt wird. Letztere, die 15 Jahre alt ist und aus reichen Verhältnissen stammt, hat auf den Urlaub auf der Insel überhaupt keinen Bock. Sie fühlt sich von allem provoziert und ihre Eltern (besonders ihre Mutter) nerven sie: “Die beiden sind wie zwei penetrante Mücken. Zwei, die unablässig und nervtötend durch ein dunkles Schlafzimmer surren und sich nicht die Bohne darum scheren, wie man selbst sich dabei fühlt. Man kann von Glück reden, dass sie einem nicht auch noch das Blut aussaugen.” (Zitat S.51) Das schicke Sommerhaus mit der Hollywoodschaukel und dem riesengroßem Grundstück und dem perfekt getrimmten Rasen kommt ihr eher vor wie ein Gefängnis. Anna hingegen magdie Sommer auf der Schäreninsel. Jedes Jahr fährt sie mit ihrer Familie dorthin, auch wenn davon jetzt nur noch ihr Vater übrig geblieben ist (ihre Mutter ist gestorben und ihr älterer Bruder fährt nicht mehr mit). Das Häuschen, das ihnen gehört, ist sehr klein. Küche und Schlafzimmer befinden sich in einem Raum, es gibt keinen Strom und das Dach ist undicht, das ihr Vater — der gerne mal einen über den Durst trinkt — zu reparieren versucht. Neben ihrem Haus befindet sich die “Hölle”, eine Senke, in der Schrott abgeladen wird. Trotz allem nennen Anna und ihr Vater es das “Paradies”. Zudem haben sie noch ein kleines Boot, in dem jedes Jahr das Wasser steht, mit dem sie aufs Meer rausfahren und Fische fangen. Als Anna dies eines Abends alleine macht, begleitet Lollo sie spontan. Dies wird nur das erste der beiden Treffen zwischen den Mädchen sein, die allmählich beide — auch wenn sie es sich zunächst noch nicht eingestehen wollen — Gefühle füreinander entwickeln…
Der Einstieg in “Wie ein Himmel voller Seehunde” hat mir sehr gut gefallen. Die glasklare Sprache, die atmosphärischen Beschreibungen und die leicht süffisante Ironie ganz zu Beginn, als Anna Lollo und ihre reiche Familie beobachtet: “Sie ist eine von diesen Bonzen. Das sind die, die deshalb raus in die Schären fahren, weil sie auf dem Festland schon zu viel besitzen. “Was hast du gesagt?”, fragt ihre Mutter, möglicherweise aber auch ihre Schwester. Bei all den glatten Botox-Gesichtern heutzutage lässt sich das nur noch schwer unterscheiden.” (Zitat S.8/9) Auch die Kapitel sind inhaltlich schön abgerundet, lassen gegen Ende “zufällige” Sätze fallen, die sich auf den Kontext davor beziehen und die einfach passen. Dann wird es leider etwas schwächer und zieht sich bisweilen etwas. Der Roman ist abwechselnd aus beiden Sichtweisen in der personalen Erzählperspektive geschrieben. Beide Blickwinkel zu erleben, ist faszinierend, denn es ist zunächst ein sehr langsames Herantasten der beiden, das man mit verfolgen kann, ein Beobachten, eine Weigerung dem entstehenden Interesse eine Bedeutung zu zuschreiben: “Unwichtig, unwichtig, unwichtig. Sie kennen einander ja überhaupt nicht. Un-un-un, hämmert Annas Puls. Wichtig. Eine Person wird schließlich nicht automatisch zum Inbegriff der eigenen Hoffnungen und Träume, bloß weil man zufällig gemeinsam ein Netz ausgelegt hat. Oder weil man ihr Lachen mag.” (Zit
at S.92) Ein erstes Treffen bei Nacht, eine gemeinsame Fahrt mit Annas Boot. Ein Austausch von kurzen Briefen. Und das, obwohl die Mädchen aus höchst unterschiedlichen Welten stammen. Doch der Sommer währt nicht ewig und Mut zu Gefühlen zu stehen, ist nicht immer einfach. Sprachlich gesehen liest sich “Wie ein Himmel voller Seehunde” sehr angenehm, und zuweilen recht stimmungsvoll: “Im Ofen knistern die Fichtenzweige bei jedem Funken Glut, den sie versprühen, und draußen haben die melancholischeren Vögel der Nacht den Gesang übernommen. Genauso klingt der Sommer. […] Sie legt den Kopf in den Nacken und schaut von der Erde geradewegs ins Weltall hinauf. Es ist hell, auch ohne Sonne, changiert von Orange über Rosa zu Blau. Verglichen mit dem Weltall ist man doch ziemlich klein.” (Zitat S.16) Das Cover ist zwar etwas überbelichtet, aber erweckt doch Neugierde und macht Lust auf eine schöne Sommergeschichte. Der Titel macht zunächst etwas ratlos, wird aber inhaltlich später erklärt und ist sehr passend.
Fazit: Eine sanfte, geradezu anmutig wirkende Geschichte, die zwar nicht mit riesengroßen Spannungsbögen versehen ist, aber ein vielschichtiges Porträt einer entstehenden Liebe darstellt.
Sara Lövestam hat noch andere Bücher geschrieben, die ins Deutsche übersetzt wurden (allerdings alle in Verlagen für Erwachsene erschienen): “So wie du bist”, “Herz aus Jazz” und “Die Wahrheit hinter der Lüge”. Letzteres Buch ist ein Krimi. Wenn du Liebesromane lesen möchtest, in denen ein Mädchen sich in ein anderes verliebt, dann schau dir mal folgende Titel an: “Einfach nur Liebe: Sandra liebt Meike” von Marliese Arold, “We could be heros” von Laura Kuhn, “Wenn der Mond am Himmel steht, denk ich an dich” von Deborah Ellis, “Wir sind unsichtbar” von Maike Stein oder “Beautiful world” von Rebecca Burton. Sehr gelungen fand ich “Mut ist der Anfang vom Glück” von Heike Karen Gürtler und “Henrietta, mein Geheimnis” von Maja Hjertzell.
Bibliografische Angaben:Verlag: Rowohlt ISBN: 978-3-499-21768-5 Erscheinungsdatum: 23.Juni 2017 Einbandart: Broschur Preis: 12,99€ Seitenzahl: 256 Übersetzer: Stephanie Elisabeth Baur Originaltitel: "Som eld" Originalverlag: Lilla Piratförlaget Schwedisches Originalcover:
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Kasimiras Bewertung:
(4 von 5 möglichen Punkten)
------------------------------------------------ Schwedisches Cover: Homepage von Sara Lövestam