Der deutsche Autor Rüdiger Bertram widmet sich in “Der Pfad: Die Geschichte einer Flucht in die Freiheit” einem geschichtlichem Ereignis, das auf wahren Begebenheiten beruht und nach Südfrankreich während des Zweiten Weltkriegs entführt. Eine Flucht vor den Nazis, eine unerwartete Freundschaft und ein Abenteuer in der Wildnis. Unterhaltsam und bereits für Leser ab 11 bzw 12 Jahren geeignet, die in jene Zeit damals eintauchen wollen, aber noch mehr auf Abenteuer als auf knallharte Fakten aus sind. Jetzt neu als Taschenbuch erschienen.
1941. Rolf und sein Vater sind in Marseille gelandet. Sie sind auf der Flucht und vor allem Rolfs Vater Ludwig, der als Journalist kritische Beiträge für Zeitungen verfasst hat, wird von den Deutschen gesucht. Seit diese auch in Frankreich einmarschiert sind, ist es für die beiden viel schwieriger geworden. Ständig müssen sie aufpassen nicht erwischt zu werden. Bei einer Razzia in ihrem Stammcafé kommen sie gerade noch so davon. Dort hat Ludwig auch eine Frau getroffen, die früher Künstlerin war und jetzt Pässe fälscht. Mit neuen Papieren wollen Rolf und sein Vater nun über die Pyrenäen nach Spanien fliehen. Und von dort aus dann nach Amerika übersetzen, wo Rolfs Mutter auf sie wartet. “Nach Ausbruch des Krieges hatten Rolfs Eltern ihre Wertsachen verkaufen müssen. […] Mit dem Geld hatten sie die Tickets für die Überfahrt nach New York bezahlt. Seine Mutter war vorausgereist, um dort alles für die Ankunft von Rolf und Ludwig vorzubereiten. Ab und zu hatte sie von dort ein paar Dollar nach Paris geschickt, aber nach dem Einmarsch der Deutschen in Frankreich war nicht nur diese Quelle versiegt, sondern auch die Möglichkeit, ihr über den Atlantik zu folgen.” (Zitat aus “Der Pfad: Die Geschichte einer Flucht in die Freiheit” S.46) Der Hirtenjunge Manuel, der kaum älter ist als Rolf, soll die beiden über die Berge nach Spanien führen. Unfreundlich ist er. Und ihren Hund dürfen die beiden auch nicht mitnehmen. Er soll bei Manuels Verwandten bleiben und dann nachgeholt werden. Denn auch in den Bergen sind Kontrolleure unterwegs. Die Franzosen lassen sich meist mit Zigaretten bestechen. Aber wenn sie Deutschen begegnen sollten, könnte das ganz anders aussehen. Vor denen müssen sie sich verstecken. Da könnte das Bellen des Hundes sie verraten. Doch Rolf kann seinen Freund nicht einfach zurücklassen und schmuggelt ihn heimlich in seine Tasche. Das hat ungeahnte Folgen…
“Der Pfad: Die Geschichte einer Flucht in die Freiheit” ist aus der Sicht eines allwissenden Erzählers geschrieben, der sich mal in die eine Perspektive, mal in die andere hineinversetzt. Die Sprache ist einfach und sehr flüssig zu lesen. Der Roman endet und beginnt mit einem jeweils doppelseitigem Comicauszug, was der Geschichte einen schönen Rahmen gibt. Zu Beginn werden in diesem die historischen Hintergründe geschildert und am Ende folgt eine Art Epilog, der zeigt, wie es in den darauffolgenden Jahren für den Protagonisten weiterging. Rolf reflektiert die Geschehnisse der damaligen Zeit, er ist nicht naiv, durchschaut auch, wenn sein Vater von den “braunen Katzen” spricht, dass damit die Nazis gemeint sind. Dennoch werden vom Leser allzu schlimme Details ferngehalten. Auch die Wanderung über die Pyrenäen wirkt zunächst noch wie ein Spaziergang: “Eigentlich war es hier oben ganz schön, dachte Rolf. Fast wie bei einem Sonntagsausflug mit der Familie ins Grüne. Nur, dass seine Mutter fehlte und sie bei ihren gemeinsamen Ausflügen nie viel gewandert waren.” (Zitat S.91ff) Bis Rolfs Vater plötzlich festgenommen wird und die beiden Jungs sich auf eigene Faust auf den weiteren Weg machen müssen. Dass dieser dann doch nicht nach Spanien, sondern nach Lourdes führt, hat ganz besondere Gründe. Das Hauptaugenmerk der Geschichte liegt somit eigentlich nicht wirklich auf
“dem Pfad”, der eigentlich relativ schnell abgehandelt wird. Aber okay, das kann man dem Autoren verzeihen. Etwas nerviger fand ich hingegen Rolfs Lieblingswort “kapital”, das an manchen Stellen wirklich auf jeder Seite in einem neuen Zusammenhang erwähnt wird. Die Spannung und die emotionalen Momente sind zu Beginn leider auch nicht sehr überbordend, manchmal hatte ich den Eindruck, dass manches fast etwas sachlich erzählt wird. Schön zu lesen ist jedoch dann die Freundschaftsgeschichte, die sich zwischen dem zu Anfang noch sehr wortkargen und grummelig wirkenden Manuel und der Hauptfigur entwickelt. Zwei Freunde, die Dinge füreinander tun, die sie nie für möglich gehalten hätten und auch trotz Differenzen füreinander einstehen. Das Ende ist passend, in einem Aspekt ein bisschen traurig, aber auch realistisch.
Fazit: Eine lehrreiche Geschichte über ein historisches Ereignis (viele Menschen haben damals Flüchtlingen über die Pyrenäen geholfen, darunter auch Lion Feuchtwanger, Golo und Heinrich Mann, Walter Benjamin und viele andere) verbunden mit einer tollen Freundschaftsgeschichte, aber mit leichten Schwächen.
Wenn dir “Der Pfad: Die Geschichte einer Flucht in die Freiheit” gefallen hat, kannst du noch andere Bücher von Rüdiger Bertram lesen. Das Thema Kampf um die Freiheit hat er bereits in seinem Buch “Knastkinder” behandelt, welches schon etwas älter ist (ab 12 Jahren, 2009 erschienen). Ansonsten hat er neben vielen Erstlese- und Vorlesegeschichten für jüngere Kinder auch die bekannte “Coolman und ich”-Reihe geschrieben, Comic-Romane ab 10 Jahren, die eine sehr gute Alternative zu “Greg’s Tagebuch” sind. Eine andere schräge und witzige Reihe ist “Stinktier & Co” (ab 8 Jahren) oder die spannende Action-Geheimagenten-Reihe “Die Jungs vom S.W.A.P” (ab 10 Jahren). Schöne Freundschaftsgeschichten finden sich auch in “Norden ist, wo oben ist” und den noch etwas neueren “Milla und das erfundene Glück” (beide ab 10 Jahren). Richtig klasse fand ich von Rüdiger Bertram das für schon etwas ältere Leser (ab 14 Jahren) “Die Liga der Guten”. Eine inhaltliche Alternative zu “Der Pfad: Die Geschichte einer Flucht in die Freiheit” gibt es, aber sie ist erst für Leser ab 16 Jahren geeignet: “Mein Weg über die Pyrenäen: Erinnerungen 1940⁄41″ von Lisa Fittko, in welchen unter anderem die Flucht von Walter Benjamin geschildert wird. Eine tolle Alternative für jüngere Leser ist “Friedrich, der Große Detektiv” von Philip Kerr, das auch so wie das hier rezensierte Buch das Thema Bücherverbrennung und vor allem Erich Kästner thematisiert (Rolfs Lieblingsbuch ist von eben jenem Autoren). Andere historische Romane zur damaligen Zeit findest du in diesem Special (darunter ebenso einige Titel für jüngere Leser). Wenn du übrigens ein Buch zur Zeit des Nationalsozialismus lesen möchtest, das spannend wie ein Krimi geschrieben ist, dann greif zu “28 Tage lang” von David Safier (allerdings ab 14 Jahren).
Bibliografische Angaben:Verlag: cbt ISBN: 978-3-570-31277-1 Erscheinungsdatum: 11.März 20179 Einbandart: Taschenbuch Preis: 8,99€ Seitenzahl: 240 Übersetzer: - Originaltitel: - Originalverlag: - Originalcover: -
Kasimiras Bewertung:
(3,5 von 5 möglichen Punkten)