Reiner Engelmann — Sie brachten uns Hoffnung: Die Geschichte von Edward Galinski und Mala Zimetbaum

1.Mai 2025

Sie brach­ten uns Hoff­nung: Die Geschich­te von Edward Galin­ski und Mala Zimet­baum” ist ein bio­gra­fi­scher Roman des deut­schen Autoren Rei­ner Engel­mann. Der Autor, der das Bun­des­ver­dienst­kreuz erhal­ten hat, hat sich bereits in zahl­rei­chen Büchern mit dem The­ma Holo­caust aus­ein­an­der­ge­setzt. So auch in sei­nem aktu­ells­ten Titel, in dem er die Lebens­ge­schich­te von Edward Galin­ski und Mala Zimet­baum beschreibt. Edward woll­te See­fah­rer wer­den, schloss sich wäh­rend des Zwei­ten Welt­krieg dem Wider­stand an und wur­de ver­haf­tet. Er kam mit dem ers­ten Trans­port in das Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger in Ausch­witz. Mala, die als Jüdin eben­so ver­haf­tet wur­de, aber auf­grund ihres Spra­chen­ta­lents für die SS arbei­ten muss­te, kam ins Außen­la­ger in Ausch­witz-Bir­ken­au. Dort lern­te sie Edward ken­nen, der gele­gen­lich in Bir­ken­au Repa­ra­tur­ar­bei­ten aus­führ­te. Die bei­den ver­lieb­ten sich inein­an­der. Eine Lie­be in Ausch­witz? Kann so etwas sein? “Romeo und Julia von Ausch­witz” — wie man sie nann­te zei­gen, dass dies durch­aus mög­lich war. Dass gera­de ihre Lie­be zuein­an­der ihnen Kraft gab in einer Zeit des Schre­ckens. Auf­grund ihrer bes­se­ren Stel­lung im Lager set­zen sie sich uner­müd­lich für ande­re ein und plan­ten schließ­lich auch ihre Flucht, um über die Gescheh­nis­se in Ausch­witz zu infor­mie­ren. Ein bewe­gen­der, eher sach­lich erzähl­ter Roman, der mit eini­gen Foto­gra­fien auf­be­rei­tet ist und über eine Zeit berich­tet, die nie­mals in Ver­ges­sen­heit gera­ten soll­te. Für Jugend­li­che ab 14 Jah­ren und Erwachsene.

Edward, genannt Edek, möch­te zur Mari­ne gehen. Das ist sein gro­ßer Traum. Doch dann beginnt der Zwei­te Welt­krieg und er macht statt­des­sen eine Mecha­ni­ker­leh­re, weil er in der Nähe sei­ner Fami­lie blei­ben möch­te. Weil er nicht taten­los zuse­hen will, wie die Deut­schen in Polen ein­mar­schie­ren, schließt er Kasimirasich dem Wider­stand an. Bis er eines Tages ver­haf­tet wird und nach Ausch­witz ins Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger kommt. Er ist mit dem ers­ten Trans­port dort ange­kom­men, im Alter von 17 Jah­ren. Der All­tag ist grau­sam, die Kapos prü­geln stän­dig auf die Häft­lin­ge ein. Danach zwan­gen die Kapos sie, auf Bäu­me zu klet­tern, die es auf dem Gelän­de gab, und wer zu lang­sam war, wur­de erneut ver­prü­gelt. Als Nächs­tes befan­den die Kapos, das Gras sei zu hoch gewach­sen, und ver­lang­ten von den Män­nern, es mit ihren Zäh­nen zu kür­zen. Lau­tes Geläch­ter kam von den Auf­se­hern, wäh­rend sie zusa­hen, wie die Häft­lin­ge auf allen Vie­ren über das Gelän­de robb­ten und die Gras­hal­me abbis­sen.” (Zitat S.42ff) Edek möch­te unbe­dingt über­le­ben. Also ver­sucht er in ent­schei­den­den Momen­ten mög­lichst unauf­fäl­lig und unsicht­bar zu sein und bei sei­ner Arbeit in der Schlos­se­rei mög­lichst flei­ßig und streb­sam. Bald sind alle sehr zufrie­den mit ihm und er genießt sei­ne Son­der­ein­sät­ze und mit dem Werk­zeug­kof­fer durch das gan­ze Lager mar­schie­ren zu kön­nen. “Manch­mal beob­ach­te­te er, wie selbst SS-Frau­en ihn, den groß gewach­se­nen und gut aus­se­hen­den jun­gen Mann, aner­ken­nend von oben bis unten mus­ter­ten, was allen Nazi-Regeln wider­sprach. Edel gefiel das und er muss­te schmun­zeln. Aber auch Häft­lin­ge schau­ten ihm bewun­dernd nach. Wenn er ihnen zunick­te, fass­ten sie neu­en Mut. Der war not­we­nig, um durch­zu­hal­ten.” (Zitat S.53ff) Mala lebt mit ihrer Fami­lie eben­so in Polen, flüch­tet wäh­rend des Zwei­ten Welt­kriegs aber nach Bel­gi­en. Sie ist Jüdin und sehr spra­chen­be­gabt. Ihre Fami­lie hat wenig Geld und alle Kin­der müs­sen arbei­ten gehen. Bis sie eines Tages ver­haf­tet wird und schließ­lich in das Außen­la­ger von Ausch­witz, nach Bir­ken­au, kommt. Auf­grund ihrer Spra­chen­be­ga­bung darf Mala unter ande­rem als Dol­met­sche­rin und Schreib­kraft arbei­ten. Aber auch Bot­schaf­ten über­mit­teln. “Sie sel­ber hat­te mit ihrem Arbeits­ein­satz Glück. Sie war Läu­fe­rin und gehör­te so zu den weni­gen, die eine bes­se­re Stel­lung im Lager besa­ßen. Ihre Ver­pfle­gung war bes­ser. Jetzt, in die­ser kal­ten Jah­res­zeit, durf­te sie war­me Klei­dung tra­gen, die sie aus dem Kana­da-Lager bekam. Und ihre Posi­ti­on ermög­lich­te es ihr, Mit­ge­fan­ge­nen heim­lich zu hel­fen.” (Zitat S.14) Auch ihre Haa­re wur­den ihr nicht abge­schnit­ten. Dann begeg­net sie Edek, der auf einem Außen­ein­satz auch nach Bir­ken­au Kasimirakommt. “Es war nur ein kur­zer Blick, doch er hat­te aus­ge­reicht, dass sie spä­ter immer wie­der an ihn den­ken muss­te und sein Bild vor sich sah. Die Gedan­ken an ihn wärm­ten sie.” (Zitat S.14) Die bei­den kom­men sich näher. Doch hat ihre Lie­be in einem Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger — noch dazu eine ver­bo­te­ne Lie­be — über­haupt eine Chance?

Das Cover ist anspre­chend und pas­send gestal­tet, erin­nert von der Auf­ma­chung her auch an die ande­ren Titel des Autoren, die er bereits über den Holo­caust schrieb. In einem Vor­wort beschreibt Rei­ner Engel­mann wie er bei die­sem Buch vor­ge­gan­gen ist: Die Lie­be zwi­schen Edek und Mala in Ausch­witz ist eine wah­re Geschich­te. Ich habe vie­le Aus­sa­gen von Zeit­zeu­gin­nen und Zeit­zeu­gen gele­sen, die die bei­den kann­ten und sie mit ihren Wor­ten beschrie­ben haben. Anhand die­ser Aus­sa­gen habe ich mir ein Bild von den bei­den jun­gen Men­schen gemacht, wie sie waren und wie sie gewe­sen sein könn­ten. Es ist der Ver­such einer Annä­he­rung an ihr Leben und ihre Lie­be in Ausch­witz.” (Zitat S.10) In einem Pro­log lässt er die bei­den Prot­ago­nis­ten das ers­te Mal auf­ein­an­der­tref­fen. Er ver­wen­det einen allwissen­den Erzäh­ler, der sich aber nur sehr sel­ten zeigt, haupt­säch­lich wird sich auf Mala und Edek kon­zen­triert, die in sich abwech­seln­den Kapi­tel berich­ten. Wäh­rend sich ihre jewei­li­ge Lebens­ge­schich­te lang­sam ent­fal­tet, steu­ern sie — zeit­lich chro­no­lo­gisch ablau­fend — auf ihre Lie­bes­ge­schich­te zu. “An mehr Nähe woll­te sie gar nicht den­ken, das schien ihr unmög­lich. Nicht hier, nicht an die­sem Ort. Hier gab es nur Hass und Gewalt, kei­ne Zunei­gung, kei­ne Lie­be. Lie­be war ver­bo­ten. Das wuss­te sie. Trotz­dem erkun­dig­te sie sich bei ihren Mit­häft­lin­gen nach sei­nem Namen.” (Zitat S.15) Eine Lie­be, die sie zunächst gar nicht für mög­lich hal­ten. Die sich vor­erst nur in Gedan­ken abspielt. “Abends lag Edek jetzt lan­ge wach und rief sich Mala ins Gedächt­nis. Es fühl­te sich gut an, an sie zu den­ken. Wie wenn er nicht mehr allein wäre.” (Zitat S.72) Sehr roman­tisch wirkt die Erzähl­art nicht wirk­lich, hat recht viel Sach­lich­keit in sich. Doch der Schreib­stil von Rei­ner Engel­mann ist sehr flüs­sig und ange­nehm zu lesen. Haupt­au­gen­merk liegt auch vor allem auf dem, was Mala und Edek im Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Ver­bor­ge­nes leis­ten. Wie vie­len Men­schen sie selbst­los hel­fen, gera­de auf­grund ihrer bes­se­ren Stel­lung, die ihnen dies ermög­licht. “Die [Mala] hat schon so manch einer von uns das Leben geret­tet. Mal besorgt sie Medi­ka­men­te, mal ver­sucht sie, geschwäch­ten Frau­en eine leich­te­re Arbeit zu beschaf­fen, und wenn im Kran­ken­block Selek­tio­nen anste­hen, hat sie die Leu­te schon vor­her da raus­ge­holt und so vor dem siche­ren Tod bewahrt.” (Zitat S.71ff) Auch wenn sie ein Risi­ko ein­ge­hen, erwischt zu wer­den. Und schließ­lich pla­nen die bei­den auch ihre Flucht. Dies liest sich höchst fes­selnd und tem­po­reich. Man fie­bert und bangt mit ihnen, hofft, dass sie es schaf­fen zu ent­kom­men und ahnt gleich­zeit, dass dies nicht ein­fach wer­den wird. Im Anhang gibt es einen recht aus­führ­li­chen Glos­sar, der sich über 40 Sei­ten erstreckt und zunächst Begriff­lich­kei­ten erklärt, danach Orte und Per­sön­lich­kei­ten (kur­ze Bio­gra­fien). Auch die ver­wen­de­te Lite­ra­tur für die­ses Buch, Bild­nach­wei­se und eine Dank­sa­gung des Autoren sind enthalten.

Dir gefällt der Erzähl­stil von Rei­ner Engel­mann? Zum The­ma Holo­caust hat er noch zahl­rei­che ande­re Bücher geschrie­ben: “Der Foto­graf von Ausch­witz: Das Leben des Wil­helm Bras­se”, Der Buch­hal­ter von Ausch­witz: Die Schuld des Oskar Grö­ning” und “Alo­dia, du bist jetzt Ali­ce”, die ich aLesealternativenlle sehr emp­feh­len kann. Außer­dem ver­öf­fent­lich­te er noch “Wir haben das KZ über­lebt: Zeit­zeu­gen berich­ten”, “Doch mei­ne See­le hat Nar­ben: wie Niusia Horo­witz dank Oskar Schind­ler den Holo­caust über­leb­te.”, “Hass und Ver­söh­nung: Ein ehe­ma­li­ger Neo­na­zi und eine Holo­caust-Über­le­ben­de begeg­nen sich”, “Ich bin Jude — Euer Anti­se­mi­tis­mus ist mein All­tag” und “Stell dir vor, es wäre Frie­den”Noch mehr Bücher von ihm, auch zu ande­ren The­men fin­dest du auf sei­ner Home­page. Es gibt im Jugend­buch sehr vie­le Roma­ne, die in Ausch­witz spie­len. Mich hat damals “Der Klang der Hoff­nung” von Suzy Zail dazu gebracht, mich näher mit dem The­ma Holocaust/Konzentrationslager zu befas­sen. Bücher, die ich eben­falls eine gro­ße Lese­emp­feh­lung aus­spre­chen kann, sind “Der Jun­ge im gestreif­ten Pyja­ma” von Joh­ne Boh­ne, “Ich habe den Todes­en­gel über­lebt” von Eva Mozes Kor und Lisa Roja­ny Buc­cie­ri, “28 Tage”von David Safier und “Das rote Band der Hoff­nung” von Lucy Adling­ton. Oder lies die Neu­erschei­nung von die­sem Jahr: “Wir Kin­der von Ausch­witz: Wie ich das Todes­la­ger über­leb­te” von Tova Fried­man, wel­ches auch sehr bewe­gend (und zugleich erschüt­ternd) geschrie­ben ist.

Bibliografische Angaben:
Schilder was wo wer wannVerlag: ctb
ISBN: 978-3-570-31602-3
Erscheinungsdatum: 11.September 2024 
Einbandart: Taschenbuch
Preis: 10,00€
Seitenzahl: 224




Eine kurze Dokumentation über Mala Zimetbaum (und auch Edek):
 

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Kasimiras Bewertung:

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(4,5 von 5 mög­li­chen Punkten)

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