Morton Rhue — The Good War

13.Januar 2024

End­lich mal wie­der etwas Neu­es von dem ame­ri­ka­ni­schen Autoren Mor­ton Rhue! Der Autor, der vor allem durch “Die Wel­le” bekannt wur­de, legt nach 6 Jah­ren Ver­öf­fent­li­chungs­pau­se (im Deut­schen) Lese­stoff nach, der tat­säch­lich an sei­nen eins­ti­gen Best­sel­ler erin­nert. “The Good War” ent­führt sei­ne Leser:innen an eine ame­ri­ka­ni­sche Schu­le, in der es seit Kur­zem eine E‑S­port-AG gibt. Mit aus­ge­stat­te­ten Hoch­leis­tungs­rech­nern dür­fen die Schüler:innen dort zocken. Sie spie­len ein Spiel namens “The Good War”, in wel­chem sie als Ach­sen­mäch­te und als Allier­te in zwei Grup­pen gegen­ein­an­der antre­ten. Es wird in neun Run­den gespielt, die sich über meh­re­re Mona­te erstre­cken. Doch was als Spiel beginnt, wird bald bit­te­rer Ernst und die Fron­ten der bei­den Grup­pen ver­här­ten sich. Zudem fan­gen die “Ach­sen­mäch­te” auf ein­mal an sich als Nazis zu ver­klei­den und mit deut­schem Akzent zu spre­chen. Bald gerät alles außer Kon­trol­le… Ein höchst mit­rei­ßen­des, packen­des Lese­er­leb­nis über sich ent­wi­ckeln­de Grup­pen­dy­na­mi­ken, das außer­dem über die Deut­sche Geschich­te nach­den­ken lässt. Per­fek­tes Klas­sen­lek­tü­re-Mate­ri­al! Für Jugend­li­che ab 13 Jah­ren und inter­es­sier­te Erwachsene.

Sie sind zu Viert in ihrer Grup­pe der neu gegrün­de­ten E‑Sport-AG. Caleb, ein sehr enga­gier­ter Jun­ge, der schon ger­ne mal als Stre­ber bezeich­net wird, und der sich zusam­men mit einer Leh­re­rin maß­geb­lich für För­de­rungs­gel­der und die Grün­dung der AG ein­ge­setzt hat. Emma, die eher schüch­tern und zurück­hal­tend ist und heim­lich für Caleb schwärmt. Nathan, der neu an der Schu­le ist und über­legt, was er tun muss, um zu den coo­len Leu­ten dazu­zu­ge­hö­ren. Und Zack, der etwas schräg und anders und eher ein Außen­sei­ter ist. Zusam­men spie­len sie als “Allier­te” gegen die “Ach­sen­mäch­te”, die von Fies­ling Gavin und sei­nem Kum­pel Crosby, ange­führt wer­den, die Zack regel­mä­ßig mob­ben. Mit in deren Team sind außer­dem die Zicken Macken­zie und Isa­bel­la, von denen Emma zuwei­len eini­ge Sprü­che ein­kas­siert und der Klas­sen­clown Tyler. “Sie einig­ten sich auf neun Run­den pro Match. Wer fünf von die­sen neun Run­den gewann, galt als Sie­ger. Das Glei­che galt für das Halb­jahr. Neun Wochen lang woll­ten sie sich tref­fen, und das Team, das fünf Matches gewann, wür­de der Cham­pi­on vom Halb­jahr sein.” (Zitat aus “The Good War” S.43) Das Spiel bringt eini­ges ins Rol­len. Plötz­lich merkt Caleb, wie cool Zack eigent­lich ist. Dass er tak­tisch eini­ges auf dem Kas­ten hat. Sie tref­fen sich sogar zum Skate­board­fah­ren, obwohl zuvor nie­mand groß etwas mit Zack zu tun haben woll­te. Emma, die als Team­che­fin ernannt wur­de, fühlt sich auch uner­war­tet wohl in der neu­en Posi­ti­on. “Im Ver­lauf des letz­ten Monats war ihr bewusst gewor­den, wie viel Spaß es mach­te, Teil einer Grup­pe zu sein. Sie war schon vor­her in Teams gewe­sen, etwa beim Fuß­ball oder Soft­ball, aber sie hat­te sich immer unbe­deu­tend gefühlt, weil sie nicht beson­ders her­vor­stach. Doch in der E‑S­port-Mann­schaft war sie eine von nur vie­ren. Ihr Spiel mach­te ein Vier­tel der Team­leis­tung aus. Und als Team­ca­pi­tain war ihre Rol­le sehr wich­tig.” (Zitat S.61) Doch das Spiel wird von der Gegen­sei­te zuneh­mend erns­ter genom­men. Als “Ach­sen­mäch­te” tra­gen die Jugend­li­chen plötz­lich rote T‑Shirts mit zwei Blit­zen drauf (das Zei­chen der SS). Sie imi­tie­ren einen deut­schen Akzent. In der sieb­ten Klas­se haben sich die meis­ten Schüler:innen bis­her kaum mit dem The­ma Natio­nal­so­zia­lis­mus aus­ein­an­der gesetzt. Das wird eini­gen von ihnen bald zum Verhängnis…

Das Cover zeigt bereits, was inhalt­lich einen gro­ßen Teil des Buches aus­macht. Ein Com­pu­ter­spiel. Was zunächst harm­los zu begin­nen scheint, wird immer erns­ter. “Machen wir kei­ne gro­ße Sache dar­aus”, sag­te er. “Es ist doch bloß ein Com­pu­ter­spiel.” “Mit Schü­lern, die sich als Nazis ver­klei­den”, füg­te sei­ne Mut­ter bis­sig hin­zu.” (Zitat S.126) Dass Mor­ton Rhue mitt­ler­wei­le 74 Jah­re alt ist, merkt man ihm über­haupt nicht an. Mit Fach­vo­ka­bu­lar ange­rei­chert, kommt die Geschich­te höchst authen­tisch her­über. Sei­ne größ­te Stär­ke liegt aber vor allem im Zeich­nen von sich lang­sam ent­wi­ckeln­den Grup­pen­dy­na­mi­ken. Dies beherrscht der Autor ein­fach tadel­los. Schon allein der stän­dig wech­seln­de (per­so­na­le) Erzähl­stil, der von einer Per­spek­ti­ve zur ande­ren wech­selt, treibt die Hand­lung zügig vor­an. Vor allem Caleb und Emma ste­hen hier im Vor­der­grund, aber auch Zack, Nathan und eine Leh­re­rin berich­ten. Eben­so Mob­bing spielt wie­der eine zen­tra­le Rol­le. “Sie zwar zwar Team­ca­pi­tain, doch sobald ein Match vor­bei war, war sie die alte ängst­li­che Emma.” (Zitat S.62) Wie zum Bei­spiel bei Zack und bei Emma. Letz­te­re wächst aber immer mehr über sich hin­aus, schafft es bald, obwohl sie auch online gedisst wird, gegen­über Macken­zie und Isa­bel­la Kon­tra zu geben. Und Zack erhält Unter­stüt­zung von Caleb, der sich in einer Sport­stun­de — in wel­cher Gavin und Crosby Zack an die Wand drü­cken - für ihn ein­setzt. Das Schrift­bild ist rela­tiv groß gehal­ten, die Spra­che ange­nehm flüs­sig und ein­fach, daher eig­net sich der Roman wun­der­bar auch für Wenig-Leser:innen und bie­tet viel Poten­ti­al, um ihn als Klas­sen­lek­tü­re zu ver­wen­den. Die Holo­caust-The­ma­tik ist geschickt mit ein­ge­floch­ten, denn den Ernst der Lage begrei­fen die Schüler:innen erst all­mäh­lich. Sie lei­ten sich ihr Wis­sen auch erst all­mäh­lich her, wie bei­spiels­wei­se, als sie in ihrem Grup­pen­chat von einem Unbe­kann­ten mit fol­gen­den Wor­ten ange­schrie­ben wer­den: “Es lebe die Ach­sen­trup­pe. Sieg Heil!” (Zitat S.118). “…war­um hat­te er so was geschrie­ben? Die bei­den letz­ten Wör­ter hat­te sie tat­säch­lich schon ein­mal gehört. Es waren deut­sche Wör­ter. “Weiß jemand was das bedeu­tet?” Caleb goo­gel­te. “Die Deut­schen benutz­ten das im Zwei­ten Welt­krieg.” Jetzt erin­ner­te sich Emma, wo sie die­sen Satz gehört hat­te. In einem Film namens Schind­lers Lis­te. Die Nazis in dem Film haben ihn gesagt.” (Zitat S.118) Am Ende gibt es ein ver­söh­nen­des Ein­se­hen der Schü­ler, das in man­chen Punk­ten schon fast zu har­mo­nisch ist (z.B. Crosbys Verhalten).

Du magst den Erzähl­stil von Mor­ton Rhue? Dann lies noch sei­ne ande­ren Bücher, hier chro­no­lo­gisch nach Erschei­nungs­da­tum sor­tiert: Die Wel­le” (1984, Expe­ri­ment, Natio­nal­so­zia­lis­mus, einer sei­ner bekann­tes­ten TLesealternativenitel), “Ich knall euch ab!” (2002, Amok­lauf), Asphalt tri­be” (2004, Leben auf der Stra­ße), Ghet­to kidz” (2005, Gewalt, Kri­mi­na­li­tät), “Boot camp” (2006, Erzie­hungs­an­stalt), “Fame Jun­kies” (2010, Berühmt­heit, fand ich sehr bewe­gend!), “No place, no home” (plötz­li­che Armut, sehr gut umge­setzt), Dschi­had online” (2016, hef­tig!), “Crea­tu­re: Gefahr aus der Tie­fe” (2017, mal eine ganz ande­re Rich­tung, aber sehr gelun­gen) und “Ame­ri­can Hero” (2018, fes­selnd, bewe­gend, ver­gisst man nicht so schnell!). Unter sei­nem rich­ti­gen Namen als Todd Stras­ser hat er noch drei Thril­ler ver­öf­fent­licht, die mir alle sehr gefal­len haben: “Wish u were dead” (2010, Mob­bing), “Blood on my hands” (2011, Mord­fall) und “Dying for Beau­ty” (2012, Ver­schwin­den drei­er Models). Spie­le, die außer Kon­trol­le gera­ten, fin­dest du in die­sen vier toll erzähl­ten Büchern: “Got­cha!”, von Shel­le Hrd­lit­sch­ka, “Panic: Wer Angst hat, ist raus!” von Lau­ren Oli­ver, Ner­ve: Das Spiel ist aus, wenn wir es sagen” von Jean­ne Ryan und “Die Liga der Guten” von Rüdi­ger Bert­ram. Sehr gut könn­te ich mir auch “Fair Play: Spiel mit, sonst ver­lierst du alles” von Kers­tin Gul­den, “Y‑Game: Sie ste­cken alle mit drin” von Chris­ti­an Lin­ker und “Lupus Noc­tis” von Melis­sa C.Hill und Anja Sta­por vor­stel­len. Rich­tig klas­se ist außer­dem “Staat X: Wir haben die Macht!” von Caro­lin Wahl.

Bibliografische Angaben:
Schilder was wo wer wannVerlag: dtv
ISBN: 978-3-423-62805-1
Erscheinungsdatum: 17.Oktober 2024
Einbandart: Broschur
Preis: 10,00€
Seitenzahl: 224
Übersetzer*in: Angela Lück
Illustrator*in:
Originaltitel: "The Good War"
Originalverlag: Delacorte Press

Amerikanisches Originalcover:












Hörprobe aus dem Buch:
 

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Kasimiras Bewertung:

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(4,5 von 5 mög­li­chen Punkten)

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Amerikanisches Cover: Hompage von Penguin Random House

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