“Ponderosa” ist der Debütroman des deutschen Autoren Michael Sieben, der in den Mittelpunkt seiner kurzweiligen Geschichte drei Jugendliche stellt, deren Leben durch das Verschwinden eines Nachbarn auf den Kopf gestellt wird. Ein Roman über das Erwachsenwerden, über Freundschaft und das sich unweigerliche Verändern dieser. Bedachtsam und authentisch erzählt. Jetzt neu als Taschenbuch erschienen. Vor allem für Jungs ab 14 Jahren und interessierte Erwachsene.
Eine kleine Siedlung nahe Frankfurt. Der 15-jährige Kristian, genannt Kris, ist froh als nach den Osterferien seine zwei besten Freunde endlich wieder zurück sind: Der coole Juri, den er schon seit Ewigkeiten kennt (er war auf Furteventura) und Josephine, die alle Josie nennen (sie war in Stuttgart bei Freunden). Jetzt treffen sie sich wieder in “ihrer” kleinen Hütte, mit dem Blick auf die Autobahnbrücke, die sich durch das Tal zieht. “Es gibt nur einen Raum mit zwei Fenstern, bei einem ist die Scheibe zerbrochen, wir haben es mit Plastikfolie und Kreppband zugeklebt. Über dem Eingang beginnt das Flachdach zu bröckeln, an einer Stelle ragt die Spitze eines rostigen Stahlgitters aus dem Beton. […] Rambo was here steht mit Edding an der Außenwand, daneben FICKEN, knallrot.” (Zitat aus “Ponderosa” S.19ff) Es war Josies Idee die Hütte “Ponderosa” zu nennen. Genauso wie es auf dem Schild stand, das Josies verstorbener Vater über seinem Schrebergarten früher hängen hatte. “So heißt die Ranch aus Bonanza, hat Josie uns erklärt, kennt ihr doch, oder? Juri und ich haben genickt, klaro, kennt doch jeder. Zu Hause haben wir dann erst mal gegoogelt, was bitte schön eine Bonanza sein soll. Eine Westernserie, aus den Sechzigern? Ernsthaft? Also ich fand den Namen am Anfang gar nicht cool. Juri auch nicht. Aber wenn Josie mit ihrem toten Vater kommt, kannst du natürlich nichts sagen.” (Zitat S.19) Oft ziehen sie eine Matratze aus der Hütte, legen sich darauf und schauen in den Himmel. Und unterhalten sich. Wie zum Beispiel über Josies Nachbarn Münze, der seit Kurzem verschwunden zu sein scheint. Normalerweise ist von nebenan immer Radio oder Fernsehen zu hören. Jetzt plötzlich gar nichts mehr. Nachts hat Josie noch Geschrei und einen Streit gehört. Dann hat Münze, völlig betrunken, an ihrer Türe gerüttelt und gekratzt, als ob er das Schloss mit dem Schlüssel nicht trifft. Er hatte sich in der Türe geirrt. Sich bei Josies Mutter entschuldigt und war davongezogen. Seitdem hat Josie ihn nie wiedergesehen. Er ist der Einzige, der ihre Zeichnungen sehen darf, die sie anfertigt. Der ein bisschen wie ein Idol für sie ist, weil er auch Künstler ist. Die Drei beschließen dem nachzugehen und steigen heimlich auf Münzes Balkon, um in die Wohnung zu sehen. Doch es ist Kris, der kurze Zeit später zufällig auf Münze trifft. Ausgerechnet in der “Ponderosa”. Der Mann scheint auf der Flucht vor jemandem zu sein. Als Kris Josie davon erzählen will, wimmelt die ihn an der Türe ab. Will ihn wegen einer Erkältung nicht einmal kurz hereinlassen. Auch Juri lässt kaum etwas von sich hören. Was ist los mit seinen Freunden? Kris beschließen ihnen nichts von Münze zu erzählen. Und dem Ganzen alleine auf den Grund zu gehen…
“Ponderosa” beginnt mit einem Art Prolog, der auf Sonntag, den dritten Mai eines unbekannten Jahres datiert ist. Durch inhaltliche Fragmente, die nach und nach zusammengesetzt werden müssen, erfährt der Leser von einer Party; von einem Auto das durch eine Leitplanke gerast ist; von jemandem, der auf der Flucht zu sein scheint; jemandem, der schwer verletzt ist; Josie, die mit Kris nicht mehr spricht; dass es mitten in der Nacht ist; dass Kris getrunken hat und festgenommen wurde. Dann erst setzt die eigentliche Geschichte ein, die mit den Geschehnissen drei Wochen zuvor beginnt. Der Anfang ist gut gemacht, er macht neugierig auf die Hintergründe und lässt die Handlung des “Hauptteils” auf ein unweigerliches, dramatisches Ende zusteuern. Der Roman wird durchgängig aus Kris’ Perspektive erzählt. Die Sprache ist locker und unkompliziert, teilweise aber auch sehr jugendsprachlich: “Die ersten Tage habe ich mich so hardcore gelangweilt, dass mir nichts anderes übriggeblieben ist, als mich mit Göbel zum Wastelands 3-Zocken zu treffen. […] Eigentlich sind Göbel und ich nicht so wahnsinnig dicke, aber zum Daddeln brauchst du auch nicht best friends zu sein.” (Zitat S.22). Dies wirkt authentisch und passend zur Hauptfigur. Die Dialoge sind nicht in Anführungszeichen gesetzt, sondern werden mit Gedankenstrichen eingeleitet, was vielleicht zunächst einmal ungewohnt, aber übersichtlich wirkt. Das Erzähltempo ist manchmal ein wenig zäh, Michael Sieben beschreibt viele Details. Das Leben in einer kleinen Siedlung offenbart er auf sehr realistische Weise (fast wie einer kleinen Milieustudie) allerdings muss man dafür ein paar Längen in Kauf nehmen. Sehr sensibel schildert der Autor jedoch die Veränderung der Freundschaft zwischen den Jugendlichen. Die Hütte ist zugleich Fixpunkt dieses Zusammenhalts: “In der Ponderosa gibt es nur uns drei. Keine empfindlichen Eltern, keine neugierigen Brüder, […] nur uns drei. Hier kann Josie rauchen und Juri mit dem Super-Soaker Jagd auf Tauben machen, hier können wir reden oder es sein lassen und in der Sonne liegen und Comics lesen oder Karten spielen.” (Zitat S.81) Für Kris ist die Hütte und das Treffen mit den besten Freunden wie ein Stück heimliche Freiheit. Vor seinem Bruder, den er nicht versteht oder seinem Vater, der ihm nervige Aufgaben zuweist. Niemand aus ihrer Klasse weiß von der Hütte. Außer ihnen. Umso überraschter ist der Junge über den Ausspruch seines besten Freundes: “Kris, jetzt hör mir mal zu: Keiner sagt mehr Ponderosa. Ich nicht und Josie auch nicht. Bestimmt seit einem halben Jahr nicht mehr. Oder noch länger. Der Name ist echt durch. Wir sind doch keine zwölf mehr, oder? Wir haben gedacht, du merkst es auch irgendwann.” (Zitat S.95) Auf einmal haben sich da Fronten gebildet. Warum reden sie denn hinter seinem Rücken über ihn? Was hat sich zwischen ihnen verändert? Das zu erfahren liest sich am Ende recht dramatisch und aufreibend.
Freundschaft, die sich plötzlich verändert, das findest du auch in dem Roman “Rabensommer” von Elisabeth Steinkellner auf sehr authentische Weise. Erwachsenwerden, das mit Enttäuschungen verbunden ist, erlebt die Protagonistin ebenso in “Das ist der Sommer im Paradies, wie er eben aussieht, wenn man die Sonnenbrille absetzt” von Hilde Kvalvaag. Ein lohnenswerter Roman, in dem ein Junge lernt seinen eigenen Weg zu gehen und Mut beweisen muss, ist “Kein einziges Wort” von Andreas Jungwirth. Oder lies noch das zweite Buch von Michael Sieben, das jetzt Anfang März erschienen ist: “Das Jahr in der Box”.
Bibliografische Angaben: Verlag: Carlsen ISBN: 978-3-551-31862-6 Erscheinungsdatum: 18.März 2016 Einbandart: Taschenbuch Preis: 6,99€ Seitenzahl: 224 Übersetzer: - Originaltitel: - Originalverlag: - Deutsches Original-Hardcover:
Kasimiras Bewertung:
(4 von 5 möglichen Punkten)