Die dänische Autorin Mette Jakobsen hat ein bezauberndes Buch geschrieben: “Minous Geschichte”. Ein Roman sanft und leicht wie eine Feder, der zugleich ausdrucksstark und poetisch ist. Ein tolles Debüt über Philosophie, Vergänglichkeit und das Erwachsenwerden. Für Jugendliche ab 14, vor allem aber für Erwachsene.
Die 12-jährige Minou lebt mit ihrem Vater auf einer Insel. Einer Insel, die so klein ist, dass sie auf der Landkarte kaum zu finden ist. Sie hat die Form “einer Katzenzunge aus Schokolade” und Minou kann sie in 53 Minuten einmal umrunden. Auf der Insel befinden sich lediglich eine Kirche und zwei Häuser (auf einem davon ein nicht mehr funktionierender Leuchtturm) und es gibt nur wenige Bewohner. Vor einem Jahr ist jedoch Minous Mutter verschwunden. Man hat damals nur einen einzelnen Schuh von ihr gefunden. Minous Vater und die anderen Inselbewohner haben diesen Schuh damals beerdigt. Minou jedoch glaubt nicht, dass ihre Mutter tot ist. Deshalb stellt sie auch jeden Morgen ihre Kaffeetasse wieder auf den Tisch. Minou ist davon überzeugt, dass ihre Mutter eines Tages wieder kommen wird. Deshalb schreibt sie auch jetzt schon alle überraschenden Dinge auf, die sie ihrer Mutter bei ihrer Rückkehr erzählen will (“Am Baum hängt nur noch ein Apfel, Mama.”). Doch wird die Vermisste wirklich zurückkommen? Als eines Tages ein toter Junge auf der Insel auftaucht, verändert sich alles…
Sprachlich besonders schön erzählt. Minou wirkt noch sehr kindlich, trotz ihren 12 Jahren und der Erzählton spiegelt ihre Gedanken exakt wieder. Der Roman beschäftigt sich mit interessanten Fragen: was ist wichtiger — Philosophie oder Phantasie? Verstand und Sehnsüchte? Genau diese Gegensätze verkörpern auch Minous Eltern. Der Vater, der das Philosophieren liebt und nach der Wahrheit sucht, nach der schon sein Großvater gesucht hat. Die Mutter, die in ihrem Haus die Wände bemalt hat und immer sagte: “Benutze deine Phantasie, Minou und denke nicht so viel!” Auch die anderen Charaktere des Buches sind wunderschön und sehr liebevoll gezeichnet. Da gibt es: “Priester”, einen Priester, der Brezeln backt, die keiner essen mag und Angst vor der Dunkelheit hat. “Namenlos” — einen Hund, der es liebt in die Kirche zu gehen, verzaubert dort die Deckenfresken betrachtet und durch einen brennenden Reifen springen kann. Und “Kistenmann”, einen Mann, der Kisten für Zauberer baut, in denen sie eine Frau zersägen und verschwinden lassen. Die Geschichte macht nachdenklich und lässt noch viel Raum für eigene Gedanken.
Wenn dir dieses Buch gefallen hat, kannst du noch “Sofies Welt” (ab 14) von Jostein Gaarder lesen, das sich ebenfalls mit der Philosophie beschäftigt. “Minous Geschichte” ist auch für alle Fans von Anna Gavalda (z.B. “Zusammen ist man weniger allein”, ab 15), Haruki Murakami und Yann Martel (“Schiffbruch mit Tiger”, ab 16). Toll und etwas philosophisch ist “Paradies für alle” (ab 16) von Antonia Michaelis. Beeindruckend fand ich auch “Die Nacht gehört dem Drachen” von Alexia Casale.
Bibliografische Angaben:Verlag: Bloomsbury ISBN: 978-3-8270-5499-9 Erscheinungsdatum: 10.September 2012 Einbandart: Hardcover Preis: 16,99€ Seitenzahl: 224 Übersetzer: Brigitte Jakobeit Originaltitel: "The vanishing act" Originalverlag: Vintage Englisches Originalcover:
Mette Jakobsen über ihr Buch (auf englisch):
Kasimiras Bewertung:
(4,5 von 5 möglichen Punkten)
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