Die niederländische Autorin Mel Wallis de Vries, die für ihre Bücher mit einigen Preisen ausgezeichnet wurde, hat einen neuen Psychothriller geschrieben: “Mädchen, Mädchen, tot bist du”. Über eine mysteriöse Liste, den scheinbaren Selbstmord einiger Mädchen und einem Wettlauf gegen die Zeit. Fesselnd und sehr unterhaltsam geschrieben. Für Jugendliche ab 14 Jahren und interessierte Erwachsene.
Einfach dazwischen gegangen, das ist die 16-jährige Kate, als an ihrer Schule ein kleiner Junge von einem älteren Mitschüler geärgert und getreten wurde. Jetzt ist sie ein bisschen eine Heldin, wird von den Klassenkameraden auf einmal ganz anders angesehen. Doch ihre Freundinnen sehen ihre meist impulsiven Handlungen nicht immer als positiv an. Manchmal hat sie Streit mit ihnen, fühlt sich unverstanden, auch von ihrem Freund Luuk. Dann ist da auch noch die Sorge um ihre Mutter, die Brustkrebs hatte und in letzter Zeit wieder öfters — zu angeblichen Routineuntersuchungen — ins Krankenhaus muss. Kates Welt steht Kopf. Und was sollen diese merkwürdigen, anonymen Briefe, die sie in letzter Zeit bekommt? “Und dann höre ich etwas. Ein leises Schleifgeräusch. Es klingt noch am ehesten wie eine volle Mülltonne, die über den Gehweg gezogen wird. Ich sehe mich nach links und rechts um, aber da ist niemand. Wahrscheinlich war es bloß… Plötzlich schießt aus einer Seitenstraße ein Radfahrer ohne Licht hervor! Mein Herz setzt einen Schlag aus. […] Ich radle schneller, er auch. Ich biege rechts ab, er auch. Plötzlich muss ich an die Briefe denken. Hast du schon Angst? Das solltest du aber.” (Zitat S.59) Kate fühlt sich verfolgt. Irgendwie gleitet ihr alles aus dem Ruder. Bis sie eines Abends unerwarteten Besuch erhält. Von ihrem Mörder…
“Mädchen, Mädchen, tot bist du” startet mit der anonymen Sicht des Täters, einer Traueranzeige der ersten Toten und einer Liste. Auf dieser sind sechs Namen notiert. Und der Erste ist bereits durchgestrichen: “Ich denke an Leila. Wie sie an dem Balken hing mit dem Seil um ihren Hals, während sich die Haare sanft in dem Luftzug in ihrem Zimmer bewegten. Das Bild hat sich in mein Gedächtnis eingegraben. Dafür tue ich das hier. Wie wird wohl Kate aussehen? Ich lasse den Gedanken ganz kurz zu wie eine Art Droge und schiebe ihn dann von mir weg. Ich darf mich nicht ablenken lassen. Ich muss mich an meinen Plan halten.” (Zitat S.33) Der Thriller wird zunächst aus der Sicht von Kate in der Ich-Perspektive erzählt. Sie ist — nach Leila — die zweite Person auf der Liste und allmählich wird klar, dass nach jedem gewaltsamen Tod, der jedoch wie ein Selbstmord inszeniert wird, die Sichtweise des nächsten Mädchens auf der Liste in den Vordergrund rückt. “Meine Mission war beendet. Ich stand auf und ging hinaus. In meiner Schreibtischschublade lag die Namensliste. Aber ich wusste auswendig, wer die Nächste war…” (Zitat S.83) Wer ist der Unbekannte? In einem anderen Schriftbild wird immer wieder die Sicht des Täters in den aktuellen Handlungsstrang mit eingeflochten. Das — auch wenn man das Motiv noch nicht wirklich erkennen kann — lässt eine ganz besondere Spannung aufkommen. Die Sprache ist einfach und schlicht, der Erzählstil sehr flüssig und mitreißend. Und auch wenn der rote Faden einer Heldin, die die Zusammenhänge erkennt und die Häufung der Selbstmorde in ein anderes Licht stellen könnte, fehlt, so funktioniert die Geschichte seltsamerweise doch. Selbst wenn man sich immer wieder auf neue Personen und deren Lebensgeschichten einstellen muss. Denn das, was zusammenhält, ist in diesem Buch der Täter. Und der Leser ist ebenfalls nur Zeuge und passiver Mitwisser. Und hofft bis zum Schluss, dass dem Unbekannten doch nun endlich auf die Schliche gekommen wird. Aufgrund deutlich geschilderter, erotischer Szenen zu Beginn des Buches die Altersempfehlung frühestens ab 14 Jahren. Das Ende: gelungen und überraschend!
Fazit: Schönes Lesefutter für Psychothriller-Fans, die flotte Unterhaltung schätzen.
Dir gefällt der Schreibstil von Mel Wallis de Vries? Dann greif noch zu ihren anderen Psychothrillern (chronologisch nach Erscheinungsdatum): “Tödliche Freundschaft” (2010), “Eiskalte Küsse” (2010), “Fremde Nähe” (2011), “Da waren’s nur noch Zwei” (2015), “Schnick, schnack, tot” (2016) und “Mädchen versenken” (2018). Auf der Liste des Serienmörder stehen? Das passiert den Hauptfiguren in “Ohne mich kannst du nicht leben” von Heike Schwandt und “Schön, schöner, tot” von Roxanne St.Claire. Eine gute Alternative ist sicherlich auch “Stirb leise, mein Engel” von Andreas Götz. Andere Serienmörder sind in folgenden Titeln unterwegs: “Dornröschentot” von Christine Féret-Fleury (flott erzählt) und “Nearly dead. Am Ende stirbst du” von Elle Cosimano. Äußerst gelungen fand ich “Bodyfinder: Das Echo der Toten” von Kimberly Derting (schon etwas älter, aber soooo toll!) und “Shadowlands” von Kate Brian (sehr fesselnd). Ebenso spannend ist “Bis du mir gehörst” von Melissa Marr, das zudem aus interessanten Perspektiven erzählt wird. Ein neuerer Titel aus diesem Jahr ist das gelungene “JEMAND ist in deinem Haus” von Stephanie Perkins. Wenn dir der Erzählstil von “Mädchen, Mädchen, tot bist du” gefallen hat, wären auch die deutschen Autorinnen Monika Feth und Janet Clark etwas für dich. Eine niederländische Psychothriller-Schreiberin ist die bekannte Mirjam Mous (z.B. “Crazy Games: Der perfekte Tag, der in der Hölle endet” oder “Last Exit: Das Spiel fängt gerade erst an”). Richtig gut herunterlesen lässt sich auch die schon etwas ältere “Dark Village”-Reihe von Kjetil Johnsen.
Bibliografische Angaben:Verlag: ONE ISBN: 978-3-8466-0075-7 Erscheinungsdatum: 29.Juni 2018 Einbandart: Hardcover Preis: 10,00€ Seitenzahl: 256 Übersetzer: Christina Brunnenkamp Originaltitel: "Schuld" Originalverlag: Vbk Media Niederländisches Originalcover:
Niederländischer Trailer zum Buch:
Kasimiras Bewertung:
(4 von 5 möglichen Punkten)
----------------------------------------- Niederländisches Cover: Homepage von Mel Wallis de Vries