“16x zum Himmel und zurück” ist ein Kinderbuch und eine Neuerscheinung der niederländischen Autorin Marlies Slegers. Sie erzählt die Geschichte eines Jungen, der ein Jahr nach dem Tod seines Vaters von genau diesem eine Kiste voller Botschaften und Aufgaben, die er zu erfüllen hat, erhält. Etwas, das sein ganzes Leben auf den Kopf stellen wird. Ein bezaubernder, herzerwärmender Roman, der sich zwar mit ernsten Themen wie Tod und dem Sterben allgemein auseinandersetzt, aber auch mit einer charmanten Leichtigkeit und von einem ganz besonderen Protagonisten erzählt wird, dessen Art einfach berührt. Ein Wohlfühlbuch und ein Leseereignis, das man definitiv nicht verpassen sollte! Für Jugendliche ab 10 Jahren und interessierte Erwachsene.
Pelle ist 12 Jahre alt. Und lebt mit seiner Mutter nun allein. “Menschen sterben nur einmal, und mein Vater ist da keine Ausnahme. Seit einem Jahr ist er nicht mehr da.” (Zitat aus “16x zum Himmel und zurück” S.7) Er hatte Krebs. Ohne ihn ist das Leben viel trauriger geworden. “Am liebsten wäre ich unsichtbar. Dann würde mich niemand fragen, ob ich bei diesem Theaterstück mitmachen möchte. Dann würde mich niemand die ganze Zeit löchern, ob es mir gut geht. Und wie es Mama geht.” (Zitat S.12) Denn seit Papas Tod ist seine Mutter manchmal auch nicht mehr richtig anwesend. Unternimmt kaum mehr etwas, außer zu arbeiten “und starrt nur matt auf den Fernseher, an die Wand, in ihren kalten Tee oder einfach ins Nichts.” (Zitat S.12ff). Sogar das Klavier, auf dem Pelles Vater und er selbst immer gespielt haben, hat sie verkauft, weil es sie zu stark an ihren Mann erinnert. Dabei konnte Pelle, der hochbegabt ist, bereits nach einigem Male zuhören ein Lied auswendig spielen. Auch sonst hat er sich mit seiner Traurigkeit sehr zusammengerissen. Immer, wenn er weinen wollte, dachte er an all die Dinge, die er aus seinen Büchern gelernt hat: “Beim Begräbnis meines Vaters habe ich den ganzen Zeitstrahl der Dinosaurier auswendig aufgesagt, und während des langen Wartens im Krankenhaus, wenn Papa behandelt wurde, versuchte ich die verschiedenen Sternsysteme aufzuzählen. Als sie mir sagten, dass mein Vater krank sei, dachte ich daran, wie viel Schlaf Elefanten brauchen und wie Ameisen eine Stadt unter Sand bauen können” (Zitat S.45) Umso erstaunter ist Pelle, als seine Mutter ihm ein Jahr nach dem Tod seines Vaters plötzlich einen Schuhkarton von seinem Vater überreicht. Mit kleinen eingepackten Dingen und nummerierten Briefen und Botschaften an ihn. Er soll nicht mehr als einen Zettel pro Woche lesen und kann so lange eine Pause dazwischen machen, wie er möchte, soll die Zettel aber unbedingt in der richtigen Reihenfolge lesen und jede Aufgabe, die darin steht, erfüllen. Zunächst ist Pelle äußerst skeptisch, doch dann lässt er sich auf das geplante Abenteuer seines Vaters ein. Das bringt sein Leben und das seiner Mutter ziemlich durcheinander…
Das Cover passt hervorragend zum Inhalt der Geschichte, sogar der Hund, der im Buch eine Rolle spielt, ist darauf gezeichnet und vor allem die Briefe, die die wichtigste Bedeutung in “16x zum Himmel und zurück” haben. Die Grundidee mit den Aufgaben, die nach dem Tod eines geliebten Menschen zu erfüllen sind, ist nicht wirklich etwas Neues (siehe “Wie viel Leben passt in eine Tüte?”), aber hier trifft sie auf einen Protagonisten, der wirklich außergewöhnlich ist und den man sofort in sein (Leser-)Herz schließt! Mit seiner altklugen Art lässt er so manchen bemerkenswerten Spruch von sich: “Der Tod gehört nun einmal dazu, sagt Mama immer. Kein Grund zur Angst. Ich habe auch keine Angst, aber ich finde Sterben total blöd, weil es einem das Leben verdirbt.” (Zitat S.8) Pelle ist hochbegabt. Kann sich ebenso wie sein Vater Sachen einprägen, die er nur einmal gesehen hat. In der Grundschule hätte er bereits eine Klasse überspringen können. Weil er ab so klein und schmächtig ist, hat man sich dann doch dagegen entschieden. Von seinem Vater hat Pelle gelernt, dass man nicht weint, sondern die Zähne zusammenbeißt. Der wiederum hatte dies von seinem Vater gelernt. Und so tauchen einige Stellen in dem Buch auf, in denen Pelle eigentlich weinen will, dann aber krampfhaft an etwas Anderes denkt und den Leser somit mit einigem unerwarteten Wissen unterhält: “Ich auch!, will ich schreien. Ich vermisse ihn auch. Du bist nicht die Einzige! Als er starb, bist du auch gestorben, und ich habe euch beide verloren! Aber dann denke ich an Wühlmäuse. Wie ihr Fell je nach Jahreszeit die Farbe ändert. Und daran wie Giraffen schlafen: Sie legen sich hin, drehen den Hals in eine Schlaufe und lassen den Kopf auf ihrem Körper ruhen.” (Zitat S.78) Seine Gefühle nicht zeigen zu dürfen, einfach abzublenden und sich mit etwas Banalem auseinanderzusetzen, ist Pelles Methode geworden, mit allem umzugehen. Nicht mal auf der Beerdigung seines Vaters hat er geweint. Doch kann das auf Dauer gut gehen? Muss man seine Traurigkeit wirklich unterdrücken? Das Thema Tod nimmt natürlich in dem Buch einen zentralen Schwerpunkt ein. Dies merkt man vor allem zu Beginn, da es genau das ist, mit dem sich Pelle die ganze Zeit beschäftigt: “Im vergangenen Jahr habe ich ziemlich viel über den Tod und unseren Umgang mit ihm gelernt. Lauter Sachen, die ich lieber nicht gewusst hätte. Dass sich eine Leiche kalt und steif anfühlt, zum Beispiel. Dass es ein wenig anfängt zu riechen, und dass jemand, der tot ist, plötzlich so klein wirkt.” (Zitat S.16) Er bringt dem Leser auf unaufdringliche Weise näher, was er über Sitten anderer Länder weiß. Dass man in China zum Beispiel Opfergaben aus Papier verbrennt oder dass man in Mexiko viele Kerzen anzündet, damit der Tote seinen Weg zurück nach Hause findet. Und natürlich ist “16x zum Himmel und zurück” ein trauriges Buch, das Pelle mit seiner speziellen Art die Dinge zu sehen, aber zu etwas ganz Besonderem macht: “Es fühlt sich an, als säßen Mama und ich in einem Kokon. Du weißt schon, wie Raupen. Bloß sind die im Durchschnitt elf Tage in ihrem Kokon gefangen. Dann werden sie zu Schmetterlingen. […] Ich warte schon eine ganze Weile, bis wir uns wieder entpuppen. Aber Mama mag ihren Kokon, glaube ich, und sie webt ihn dicker und dicker. Manchmal ersticke ich fast. Du fehlst mir.” (Zitat S.41) Doch gleichzeitig ist es auch eine Geschichte, das voller toller Einfälle steckt, das Pelle mit den Aufgaben seines Vaters aus seiner Komfortzone lockt und auch so viele Momente bereithält, in denen man einfach nur herzhaft lachen kann. Marlies Slegers nimmt die Sorgen, Ängste und auch die Traurigkeit ihres Protagonisten ernst. Lässt auch Themen wie eine sich verändernde Freundschaft und Eifersucht in die Geschichte mit einfließen: “So wie Eva “wir” sagt, klingt es, als wären sie und Stoß schon total lange zusammen. Ich weiß nicht, wie ich hierauf reagieren soll. Ich habe immer gedacht, dass Eva und ich ein “Wir” sind — oder das auf jeden Fall eines Tages sein würden.” (Zitat S.58), aber auch die Tatsache, dass Pelles Mutter plötzlich auf der Suche nach einem neuen Partner zu sein scheint, die ihm erst mal etwas befremdlich vorkommt. “16x zum Himmel und zurück” ist in sich einfach rund herum gelungen. Mit der richtigen Portion Tiefgang und einer Hauptfigur, die man so schnell nicht vergessen wird. Das Ende ist passend und berührend, auch wenn ich gestehen muss, dass ich schon irgendwie gewusst hätte, was in den restlichen Botschaften stand;-)
Die perfekte Alternative zu “16x zum Himmel und zurück” ist das wie bereits erwähnte “Wie viel Leben passt in eine Tüte?” von Donna Freitas. Dies ist für etwas ältere Jugendliche ab 12 Jahren zu empfehlen und ein wirklich lohnenswertes Buch! Für Erwachsene gibt es noch die Lesealternative “PS: Ich liebe dich” von Cecilia Ahern, das eine ähnliche Thematik hat, allerdings erst 13 Jahre später veröffentlicht wurde. Du magst ergreifende Kinderbücher, die etwas Positives, Herzerwärmendes, Lebensbejahendes in sich haben? Dann greif unbedingt zu “Wunder” von Raquel J. Palacio, “Das Blubbern von Glück” von Barry Jonsberg und “Bird und ich und der Sommer, in dem ich fliegen lernte” von Chan Crystal. Das Thema Sterben und Tod wird auf sehr berührende Art und und Weise auch in diesen Büchern behandelt: “Die wirkliche Wahrheit” von Dan Gemeinhart und “Das Jahr, nachdem die Welt stehen blieb” von Clare Furniss. Vielleicht wäre auch das tolle “What to say next” von Julie Buxbaum etwas für dich.
Bibliografische Angaben: Verlag: Dressler ISBN: 978-3-7513-0030-8 Erscheinungsdatum: 8.Januar 2022 Einbandart: Hardcover Preis: 15,00€ Seitenzahl: 240 Übersetzer: Andrea Kluitmann Originaltitel: "Briefjes voor Pelle" Originalverlag: Luitingh Sijthoff Niederländisches Originalcover: Die Autorin packt ihr Buch aus (auf Niederländisch):
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----------------------------------------------- Niederländisches Cover: Homepage von Luitingh Sijthoff