Marie-Aude Murail — Vielleicht sogar wir alle

Marie-Aude Murail Vielleicht sogar wir alle19.März 2012

Mit dem Titel “Viel­leicht sogar wir alle” hat die fran­zö­si­sche Best­sel­ler­au­torin Marie-Aude Murail eine bezau­bern­de Fami­li­en­ge­schich­te geschrie­ben (etwas, was es in der aktu­el­len Jugend­li­te­ra­tur eher sel­te­ner gibt), die zu berüh­ren weiß und den Leser schmun­zeln und stau­nen las­sen wird. Inter­es­san­ter­wei­se ist sie aus den Per­spek­ti­ven der Eltern und Kin­der geschrie­ben und gibt daher einen fas­zi­nie­ren­den, höchst amü­san­ten Ein­blick in den All­tag einer ganz nor­ma­len Fami­lie, die eben aus die­sem ver­sucht aus­zu­bre­chen. Zu emp­feh­len für alle Fans von Marie-Aude Murail natür­lich und sol­che, die noch nie etwas von ihr gele­sen haben und ein­fach gut unter­hal­ten wer­den möch­ten! Ab 12 Jah­ren und für Erwachsene.

Fami­lie Doi­n­el — das sind Vater, Mut­ter, die 14-jäh­ri­ge Char­lie und ihr klei­ner Bru­der Este­ban. Fami­li­en­merk­mal: eine graue Haar­sträh­ne, die gene­tisch vor­pro­gram­miert zu sein scheint und ca. im Jugend­al­ter auf­taucht (aller­dings nur väterlicherseits).

Este­ban, der jüngs­te Fami­li­en­spross, geht in die drit­te Klas­se und ist ein hoch­in­tel­li­gen­tes Kind, wes­we­gen er auch eine Klas­se über­sprin­gen durf­te. In sei­ner Frei­zeit erfin­det er am liebs­ten die ver­schie­dens­ten Din­ge: einen Zeit­trans­por­ter, der mit einem Hirn­wel­len-Sen­sor ver­bun­den ist, einen Nano­ro­bo­ter, den man durch die Nase schiebt und der das Blut rei­nigt und einen Hun­de­kotauf­lö­ser, der gleich­zei­tig Koh­le pro­du­ziert und damit dann auch noch den Geh­weg heizt.

Char­lie, 14 Jah­re, ver­sinkt am liebs­ten in ihrer Man­ga­welt. In der Schu­le geht sie ein wenig unter, fühlt sich unschein­bar und nicht wirk­lich wahr­ge­nom­men. Auch ihre eigent­lich bes­te Freun­din Lau­ra lässt sie des Öfte­ren ein­fach links lie­gen. Das ändert sich, als sich der Jun­ge Aubin neben sie setzt (Lau­ra hat sich woan­ders hin­ge­setzt) und sie ihre gemein­sa­me Lei­den­schaft für Man­gas entdecken.

Mon­sieur Doi­n­el ist Fili­al­lei­ter eines rie­si­gen Trans­port­un­ter­neh­mens. Von sei­nen Mit­ar­bei­tern wird er stän­dig ange­him­melt und eines Tages ist er auch der Held in der Zei­tung, als er durch einen Unfall sei­nes Mit­ar­bei­ters einen kurz vor dem explo­die­ren ste­hen­den Last­wa­gen aus der Gefah­ren­zo­ne fährt. Den­noch ist Mon­sieur Doi­n­el äußerst unglück­lich: denn sein Unter­neh­men wird von einem Grö­ße­ren über­nom­men und Umstruk­tu­rie­rungs­maß­nah­men ste­hen an. Das heißt: vie­le Ent­las­sun­gen. Doch Mon­sieur Doi­n­el, der Kün­di­gun­gen ungern aus­spricht, will um sei­ne Mit­ar­bei­ter kämpfen.

Madame Doi­n­el arbei­tet auf äußerst enga­gier­te Wei­se in einer Vor­schu­le als Leh­re­rin und will ihren Kin­dern immer sagen, wie lieb sie sie eigent­lich hat und ver­gisst es stän­dig wie­der. Des Wei­te­ren über­legt sie, ob sie wohl gera­de eine Win­ter­de­pres­si­on ent­wi­ckelt und kauft sich die pas­sen­de Zeit­schrift über die­ses The­ma. Aber da sie so viel zu tun hat, ver­gisst sie auch das wie­der. Ledig­lich ein Arti­kel über eine Fami­lie fällt ihr posi­tiv auf, die es gewagt hat das nor­ma­le Leben hin­ter sich zu las­sen und in einer mon­go­li­schen Jur­te in ganz schlich­ten und ein­fa­chen Ver­hält­nis­sen an der bre­to­ni­schen Küs­te lebt.

Unab­hän­gig von­ein­an­der ent­deckt jeder in die­ser Fami­lie die­se bri­san­te Zeit­schrift: Mon­sieur Doi­n­el, der sich schon zu sor­gen beginnt, ob sei­ne Frau wirk­lich eine Depres­si­on hat; Este­ban; und Char­lie, die eigent­lich nur die Fern­seh­zei­tung gesucht hat. Alle sto­ßen sie auf die­sen Arti­kel über die mon­go­li­sche Jur­te und sind aus den unter­schied­lichs­ten Grün­den davon begeis­tert. Flucht, Auf­bruch, den All­tag ein­fach hin­ter sich las­sen, das wäre es doch! Aber ist das wirk­lich die Ret­tung…?!

Wun­der­schön erzählt, mit einem humor­vol­len Unter­ton, der sei­nes­glei­chen sucht. Mit Figu­ren, die einem rasch ans Herz wach­sen. Toll sind auch die außer­ge­wöhn­li­chen Kapi­tel­über­schrif­ten, unter denen man sich erst ein­mal gar nichts vor­stel­len kann, wie zum Bei­spiel: “Kapi­tel 3 — In dem man die Welt mit den Augen einer wil­den Möh­re sieht.” oder “Kapi­tel 5 — Erst­ma­li­ges Auf­tau­chen der mon­go­li­schen Jur­te”. Erst nach dem Lesen des Kapi­tels begreift man dann plötz­lich die Zusam­men­hän­ge. Das Ende des Buch passt genau und lie­fert dem Leser ein schö­nes Hap­py End!Lesealternativen

Dir gefällt “Viel­leicht sogar wir alle”? Dann lies doch auch noch die ande­ren Bücher von Marie-Aude Murail! Rezen­sio­nen fin­dest du hier zu Der Baby­sit­ter-Pro­fi”, Bluts­ver­dacht” (ein Kri­mi), Tris­tan grün­det eine Ban­de” (ab 8), “Ein Ort wie die­ser” und “3000 Arten ich lie­be dich zu sagen”. Wei­tere Titel von ihr sind: Das ganz und gar unbe­deu­tende Leben der Cha­rity Tidd­ler” (eine fik­tive Bio­gra­fie über Bea­trix Pot­ter, bezau­bernd!),Drei für immer”, das bekann­te und aus­ge­zeich­neteSim­pel”, So oder so ist das Leben”, Über kurz oder lang” (klas­se!!!).

Bibliografische Angaben:
Schilder was wo wer wannVerlag: Fischer
ISBN: 978-3-596-85444-8
Erscheinungsdatum: 2.März 2012
Einbandart: Hardcover
Preis: 12,99€
Seitenzahl: 368
Übersetzer: Tobias Scheffel
Originaltitel: "Papa et maman sont dans un bateau" 
Originalverlag: L'Ecole des loisirs

Französisches Originalcover:
Marie-Aude Murail Vielleicht sogar wir alle










Kasimiras Bewertung:

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(5 von 5 mög­li­chen Punkten)

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Französisches Originalcover: Homepage von L'Ecole des loisirs

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