Mit dem Titel “Vielleicht sogar wir alle” hat die französische Bestsellerautorin Marie-Aude Murail eine bezaubernde Familiengeschichte geschrieben (etwas, was es in der aktuellen Jugendliteratur eher seltener gibt), die zu berühren weiß und den Leser schmunzeln und staunen lassen wird. Interessanterweise ist sie aus den Perspektiven der Eltern und Kinder geschrieben und gibt daher einen faszinierenden, höchst amüsanten Einblick in den Alltag einer ganz normalen Familie, die eben aus diesem versucht auszubrechen. Zu empfehlen für alle Fans von Marie-Aude Murail natürlich und solche, die noch nie etwas von ihr gelesen haben und einfach gut unterhalten werden möchten! Ab 12 Jahren und für Erwachsene.
Familie Doinel — das sind Vater, Mutter, die 14-jährige Charlie und ihr kleiner Bruder Esteban. Familienmerkmal: eine graue Haarsträhne, die genetisch vorprogrammiert zu sein scheint und ca. im Jugendalter auftaucht (allerdings nur väterlicherseits).
Esteban, der jüngste Familienspross, geht in die dritte Klasse und ist ein hochintelligentes Kind, weswegen er auch eine Klasse überspringen durfte. In seiner Freizeit erfindet er am liebsten die verschiedensten Dinge: einen Zeittransporter, der mit einem Hirnwellen-Sensor verbunden ist, einen Nanoroboter, den man durch die Nase schiebt und der das Blut reinigt und einen Hundekotauflöser, der gleichzeitig Kohle produziert und damit dann auch noch den Gehweg heizt.
Charlie, 14 Jahre, versinkt am liebsten in ihrer Mangawelt. In der Schule geht sie ein wenig unter, fühlt sich unscheinbar und nicht wirklich wahrgenommen. Auch ihre eigentlich beste Freundin Laura lässt sie des Öfteren einfach links liegen. Das ändert sich, als sich der Junge Aubin neben sie setzt (Laura hat sich woanders hingesetzt) und sie ihre gemeinsame Leidenschaft für Mangas entdecken.
Monsieur Doinel ist Filialleiter eines riesigen Transportunternehmens. Von seinen Mitarbeitern wird er ständig angehimmelt und eines Tages ist er auch der Held in der Zeitung, als er durch einen Unfall seines Mitarbeiters einen kurz vor dem explodieren stehenden Lastwagen aus der Gefahrenzone fährt. Dennoch ist Monsieur Doinel äußerst unglücklich: denn sein Unternehmen wird von einem Größeren übernommen und Umstrukturierungsmaßnahmen stehen an. Das heißt: viele Entlassungen. Doch Monsieur Doinel, der Kündigungen ungern ausspricht, will um seine Mitarbeiter kämpfen.
Madame Doinel arbeitet auf äußerst engagierte Weise in einer Vorschule als Lehrerin und will ihren Kindern immer sagen, wie lieb sie sie eigentlich hat und vergisst es ständig wieder. Des Weiteren überlegt sie, ob sie wohl gerade eine Winterdepression entwickelt und kauft sich die passende Zeitschrift über dieses Thema. Aber da sie so viel zu tun hat, vergisst sie auch das wieder. Lediglich ein Artikel über eine Familie fällt ihr positiv auf, die es gewagt hat das normale Leben hinter sich zu lassen und in einer mongolischen Jurte in ganz schlichten und einfachen Verhältnissen an der bretonischen Küste lebt.
Unabhängig voneinander entdeckt jeder in dieser Familie diese brisante Zeitschrift: Monsieur Doinel, der sich schon zu sorgen beginnt, ob seine Frau wirklich eine Depression hat; Esteban; und Charlie, die eigentlich nur die Fernsehzeitung gesucht hat. Alle stoßen sie auf diesen Artikel über die mongolische Jurte und sind aus den unterschiedlichsten Gründen davon begeistert. Flucht, Aufbruch, den Alltag einfach hinter sich lassen, das wäre es doch! Aber ist das wirklich die Rettung…?!
Wunderschön erzählt, mit einem humorvollen Unterton, der seinesgleichen sucht. Mit Figuren, die einem rasch ans Herz wachsen. Toll sind auch die außergewöhnlichen Kapitelüberschriften, unter denen man sich erst einmal gar nichts vorstellen kann, wie zum Beispiel: “Kapitel 3 — In dem man die Welt mit den Augen einer wilden Möhre sieht.” oder “Kapitel 5 — Erstmaliges Auftauchen der mongolischen Jurte”. Erst nach dem Lesen des Kapitels begreift man dann plötzlich die Zusammenhänge. Das Ende des Buch passt genau und liefert dem Leser ein schönes Happy End!
Dir gefällt “Vielleicht sogar wir alle”? Dann lies doch auch noch die anderen Bücher von Marie-Aude Murail! Rezensionen findest du hier zu “Der Babysitter-Profi”, “Blutsverdacht” (ein Krimi), “Tristan gründet eine Bande” (ab 8), “Ein Ort wie dieser” und “3000 Arten ich liebe dich zu sagen”. Weitere Titel von ihr sind: “Das ganz und gar unbedeutende Leben der Charity Tiddler” (eine fiktive Biografie über Beatrix Potter, bezaubernd!), “Drei für immer”, das bekannte und ausgezeichnete “Simpel”, “So oder so ist das Leben”, “Über kurz oder lang” (klasse!!!).
Bibliografische Angaben:Verlag: Fischer ISBN: 978-3-596-85444-8 Erscheinungsdatum: 2.März 2012 Einbandart: Hardcover Preis: 12,99€ Seitenzahl: 368 Übersetzer: Tobias Scheffel Originaltitel: "Papa et maman sont dans un bateau" Originalverlag: L'Ecole des loisirs Französisches Originalcover:
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Kasimiras Bewertung:
(5 von 5 möglichen Punkten)
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Französisches Originalcover: Homepage von L'Ecole des loisirs