“Bloody Weekend” von der britischen Autorin M.A. Bennett (ausgeschrieben Marina Fiorato) mit den italienischen Wurzeln ist ein Thriller, der auf einen herrschaftlichen Landsitz entführt und auf dem neben der Jagd etwas ganz Anderes, Unheilvolles im Schilde geführt wird. Spannend, blutig (im wahrsten Sinne des Wortes) und sehr unterhaltsam. Für Jugendliche ab 14 Jahren und interessierte Erwachsene.
Northumberland. Eine Grafschaft im Norden Englands. Hier geht die 16-jährige Greer auf ein Internat. Auf die “STAGS”, die “St. Aidan the Great School”, die zugleich die älteste Schule Englands ist. Ein Mönch hatte sie im siebten Jahrhundert gegründet, der sodann auch heilig gesprochen wurde, weil er ein Wunder vollbracht hat: “Aidans Wunder bestand darin, dass er einen Hirsch bei einer Jagd vor dem tödlichen Schuss bewahrte, indem er ihn unsichtbar machte. Deshalb wurde der Hirsch zu Aidans Wappentier und das der Schule gleich mit. Und weil es so gut passte, wurde “STAGS” sogar zum Schulnamen, denn “stag” bedeutet Hirsch.” (Zitat aus “Bloody Weekend” S.8ff) An der “STAGS” ist alles ein bisschen anders. Die Lehrer werden mit “Pater” angesprochen und tragen seltsame Kutten; typische Sportarten der Schule sind Rugby und Lacrosse — Fußball und Hockey, so etwas gibt es nicht; und über dem Eingang und auf den Briefköpfen: ein Geweih. Greer hat ein Stipendium erhalten und die Möglichkeit bekommen auf diese außergewöhnliche Schule zu gehen. Dennoch ist sie bald eine Außenseiterin. Nicht mal ihre Mitbewohnerin wechselt groß ein paar Worte mit ihr. Umso überraschter ist das Mädchen, als sie ein Einladung erhält. Von Henry. “Er war ganz einfach der schönste Junge, den ich je gesehen hatte. Für seine siebzehn Jahre war er groß, hatte blonde Haare, blaue Augen und gebräunte Haut. Wer in Henry de Warlencourts Nähe war, beobachtete ihn die ganze Zeit, auch wenn der- oder diejenige so tat, als wäre das nicht so.” (Zitat S.16) Er entstammt einer Adelsfamilie, der quasi halb Nordengland gehört und lädt sie ein, das Wochenende mit ihm und seinen fünf besten Freunden auf seinem herrschaftlichen Landsitz zu verbringen, um dort jagen, schießen und fischen zu gehen. “Die sechs wurden auch die “Medievals” genannt — die “Mittelalterlichen”, passend zu der altehrwürdigen Atmospähre der Schule. Alle kannten die Medievals, denn eigentlich waren es die Medievals — nicht die Pater -, die STAGS beherrschten. Die Medievals waren gewissermaßen die Aufsichtsschüler der Schule.” (Zitat S.17) Sie genießen besondere Privilegien, sind gut aussehend, klug und alle über die Maßen vermögend. Jeder will so sein wie sie. Weil die Medievals keine Handys mögen und Computerspiele und Facebook als “primitiv” erachten, benutzen auch alle anderen Schüler diese Medien nicht. “So einflussreich waren ihre Persönlichkeiten, ihr kleiner Kult.” (Zitat S.30) Ebenso Greer nicht, die ihr Handy in der Schublade hat verschwinden lassen und gar nicht mehr auflädt. Selbst ihre schweigsame Mitbewohnerin wird auf einmal ganz gesprächig, als sie von Greers Einladung erfährt: “Henry de Warlencourt lädt am Wochenende vom Michaelmas-Justitium — der Jagdsaison — immer Leute aus der 6.1 zu sich nach Hause ein. Wenn du dich in den Jagdsportarten bewährst und sie dich als Person mögen, dann könntest du nächstes Jahr, wenn du in die 6.2. gehst, eine Medieval werden.” (Zitat S.33) Greer fühlt sich geschmeichelt und will die Einladung auf jeden Fall annehmen. Auch wenn eine Mitschülerin sie warnt, teilzunehmen, geht sie dennoch hin. “Aber ich traf eigentlich keine Entscheidung, nein, in Gedanken packte ich bereits. Es war wie einer dieser Momente, in denen man eine Münze wirft und schon weiß, was man tun wird, bevor die Münze aufkommt.” (Zitat S.36) Niemals hätte Greer jedoch mit dem gerechnet, was sie dort erwarten würde…
“Bloody Weekend” macht mit einem besonderen und sehr gelungenen Cover auf sich aufmerksam. Ebenso der erste Satz erregt Aufsehen: “Ich glaube ich bin eine Mörderin.” (Zitat S.7) Was ist während des Wochenendes passiert? Diese Frage zieht sich wie ein roter Faden durch den Thriller, der in der Ich-Perspektive und komplett aus Greers Sicht geschrieben ist. Sie erzählt dem Leser gewissermaßen ihre Geschichte, spricht diesen zuweilen auch direkt an: “Vielleicht habt ihr inzwischen online über ihn gelesen…” (Zitat S.16) Was mir am Anfang sehr gut gefallen hat, ist, dass man besonders gut in die Geschichte “eingeführt” wird. Das Internat, die Personen, alles wird vorgestellt, so dass man in die Handlung sehr schnell einsteigen kann. Spannung erzeugen vor allem immer wieder die Anspielungen, mit denen das Buch durchdrungen ist: “Damals kam mir nicht in den Sinn, dass dies Teil des Plans gewesen sein könnte.” (Zitat S.54) Ebenso erfährt man schon zu Beginn bereits, dass eine gewisse Person sterben wird: “Man soll nicht schlecht von Toten reden, deshalb werde ich nur sagen, dass man, wenn man von seinem Äußeren ausging, niemals hätte ahnen können, was für ein schrecklicher Mensch er war.” (Zitat S.16) Die Andeutungen sind geschickt gestreut und die Geschichte, die ganz im Zeichen der Jagd steht, nimmt schnell Fahrt auf. Daneben gibt es auch relativ viele Bezüge zu Filmen, die Greer gesehen hat und mit denen sie einzelne Situationen versucht anschaulicher zu erklären, wie zum Beispiel diese hier: “Es war wie dieser Moment in Die Farbe des Geldes, als Tom Cruise Mary Elisabeth Mastrantonio zeigt, wie man beim Billard den Queue hält, nur damit er die Arme um sie legen kann.” (Zitat S.109) Greers Vater, der Tierdokumentationen dreht und sie machen oft ein Spiel daraus die passenden Vergleiche zu finden. Eine interessante Erzählart, aber an manchen Stellen war mir das persönlich etwas zu viel. Die Sprache ist sehr flüssig und gut zu lesen. Eingeteilt ist das Buch neben Teilen, die in er Schule spielen, übrigens in die drei Jagddisziplinen des Wochenendes: Jagen, Schießen und Fischen. Und auch wenn es im Mittelteil ein paar Längen gab, in denen weniger passiert, so ist das Finale dann dramatisch, actionreich und zudem wahnsinnig raffiniert und durchdacht!
Fazit: Eine unterhaltsame Geschichte mit besonderem Ausgang, die im Übrigen verfilmt werden wird!
Leider hat M.A. Bennett bisher noch keine weiteren Bücher geschrieben. Eine sehr gute Lesealternative wäre allerdings “Die Mühle” von Elisabeth Herrmann, das jetzt neu als Taschenbuch erschienen ist. Handlungsort: ebenfalls in der Natur (in den tschechischen Wäldern). Hauptperson: eine Außenseiter, die zu einer gewissen Clique niemals dazugehörte, dort sich jetzt aber Zugang verschafft. Äußerst fesseln! Sehr gut vorstellen könnte ich mir auch “Unter Freunden” von Thomas Fuchs, das ebenso auf einem Internat spielt und in dem Macht und Manipulation eine große Rolle spielen. Du magst Bücher über besondere Cliquen? Dann wären diese Titel vielleicht etwas für dich: “Sei lieb und büße” von Janet Clark (unheimlich fesselnd!), “Feuerprüfung: Wenn Freundschaft keine Regeln kennt” von Brigitte Blobel, “Sisters of Misery” von Megan Kelley Hall (spannend, wunderschönes Cover) und “Die Regeln des Schweigens” von Tino Schrödl (vor allem für Jungs). Die Autorin Susanne Mischke hat sogar zwei Bücher über diese Thematik geschrieben: “Schneeweiß, blutrot” und “Zickenjagd”. Dich fasziniert die Jagd? Dann greif zu “Big Game: Die Jagd beginnt” von Dan Smith oder “Creature: Gefahr aus der Tiefe” von Bestsellerautor Morton Rhue (ein richtig toller Abenteuerroman!). Zwei faszinierende Internatsgeschichten, die dieses Frühjahr neu erschienen sind, wären auch “Der Schein” von Ella Blix (sehr zu empfehlen) und “So wüst und schön sah ich noch keinen Tag” von Elizabeth LaBan.
Bibliografische Angaben: Verlag: Arena ISBN: 978-3-401-60399-5 Erscheinungsdatum: 2.Februrar 2018 Einbandart: Hardcover Preis: 16,00€ Seitenzahl: 344 Übersetzer: Sonja Häußler Originaltitel: "S.T.A.G.S" Originalverlag: Penguin Random House Britisches Originalcover: Trailer zum Buch (auf Englisch):
Kasimiras Bewertung:
(4 von 5 möglichen Punkten)
----------------------------------------------- Britisches Cover: Homepage von Penguin Random House