“Schöne Mädchen brennen nicht” von der amerikanischen Autorin Lynn Weingarten ist ein Thriller über einen Mord, dunkle Geheimnisse und düstere Abgründe menschlicher Seelen. Das Psychogramm einer Freundschaft. Bewegend und geheimnisvoll. Für Jugendliche ab 14 Jahren und Erwachsene.
Als June aus den Weihnachtsferien zurück an die Schule kehrt, erhalten sie und die anderen Schüler der North Orchard Highschool eine überraschende Mitteilung. Es ist der stellvertretende Schulleiter, der diese über Lautsprecher verkündet: “Ich habe die traurige Pflicht, Ihnen allen eine außerordentlich betrübliche Nachricht zu überbringen. Im Verlauf der Weihnachtsferien ist eine Angehörige unserer Schulgemeinschaft aus dem Leben geschieden.” Er räuspert sich kurz. Mir stockt der Atem. Wie allen anderen vermutlich auch, denn es könnte jeden von uns betreffen. “Eine Schülerin der elften Klasse, Delia Cole, ist gestern verstorben.” (Zitat aus “Schöne Mädchen brennen nicht” S.9) Vor einem Jahr war June mit Delia befreundet gewesen. Sie waren beste Freundinnen. Seelenverwandte. Bis etwas geschah, dass dieses besondere Band zwischen ihnen zerstörte. Delia war ein außergewöhnlicher Mensch. Sie “…konnte einem das Gefühl geben, dass man Dinge, die man nicht hatte, sowieso nicht haben wollte. Und damit konnte sie manchmal die ganze Welt verändern.” (Zitat S.17) Sie sagte, was sie dachte. Hatte vor nichts Angst und war großzügig, ohne daraus eine große Sache zu machen. Aber manchmal war sie auch provozierend und unberechenbar: “Bei Delia hingegen wusste man eigentlich nie genau, was sie gleich sagen oder machen würde. Und in letzter Zeit war es schlimmer geworden. Man wusste nie, ob sie gerade die sprühende, charmante, von innen heraus strahlende Person war, die bei allen so beliebt war, oder — immer öfter in letzter Zeit — ein Mädchen mit düsteren Kern, das June manchmal sogar Angst machte.” (Zitat S.135) Delia soll sich das Leben genommen haben. Sie soll sich verbrannt haben! Doch warum? Was ist passiert? Auf einer privaten Trauerfeier lernt June Jeremiah kennen, der mit Delia zusammen war. Auch er sucht nach Antworten. Und er glaubt, dass seine Freundin ermordet wurde: “Sie hat sich mit einem Haufen kaputter Leute herumgetrieben. Sie hatte vor nichts und niemandem Angst. Obwohl das vielleicht klüger gewesen wäre. Sie hätte sich niemals selbst umgebracht, aber wenn es so aussieht, als hätte sie das getan…” Er unterbricht sich. “…dann vielleicht deshalb, weil irgendjemand wollte, dass es so aussieht.” (Zitat S.47) June beschließt herauszufinden, was passiert ist…
“Schöne Mädchen brennen nicht” wird hauptsächlich in der Ich-Perspektive und aus Junes Sicht erzählt. Zwischendrin gibt es immer wieder Kapitel, die mit einer Zeitangabe versehen sind, wie zum Beispiel “Vor einem Jahr sechs Monaten und vier Tagen” (Zitat S.17). In diesen wird in der personalen Erzählperspektive von Erlebnissen und Situationen berichtet, in denen Delia und June noch befreundet waren. So ergibt sich ein immer komplexeres Bild ihrer Freundschaft. Immer mehr Details setzen sich wie ein Puzzle langsam zusammen. Zwei große Fragen schweben über dem Buch. Zum einen, warum Delia sich umgebracht beziehungsweise ermordet wurde, und zum anderen, was ihre Freundschaft zueinander zum Erliegen gebracht hat. Auf beide Antworten steuert die Geschichte unweigerlich zu, wie ein Schiff, das sich auf den Hafen zubewegt. Jedoch ein Schiff, das sich hinsichtlich der Spannung nicht immer im Wellengang befindet. Mal plätschert es ruhig vor sich hin, dann wird es wieder von einer großen Welle erfasst und der Leser (samt Schiff) werden buchstäblich mitgerissen. Interessante Cliffhanger tragen zu diesem Gefühl bei: “Ich lasse den Brief sinken. Mein Herz wummert. Ich weiß nicht, was ich glauben, was ich davon halten soll. Ich weiß nur, dass ich Antworten brauche, und dass von den zwei Menschen, die sie mir geben könnten, nur einer noch am Leben ist…” (Zitat S.142) Ab der Mitte des Buches gibt es eine überraschende Wendung, mit der ich so nicht gerechnet hätte, die aber sehr interessant ist. “Schöne Mädchen brennen nicht” wirkt zuweilen sehr geheimnisvoll, dann wieder verwirrend angesichts der
unterschiedlichen Verdachtsmomente, verschafft kurzweilige Auflösungen, um dann wieder neue Ungereimtheiten entstehen zu lassen. Ab der Mitte des Buches kommt eine neue Erzählperspektive hinzu, deren teilweise saloppe Sprache vor allem erotische Szenen etwas vulgär erscheinen lässt. Was Lynn Weingarten jedoch sehr gut gelingt, ist die intensive Darstellung von Abgründen menschlicher Seelen, der Charakterisierung von Persönlichkeiten, die weder schwarz noch weiß, sondern irgendwo dazwischen sind, die nicht immer greifbar, die auch kaputt sind, aber vor allem eines: menschlich. Für mein Gefühl gab es gegen Ende des Thrillers jedoch noch zu viele Fragezeichen, die nur unzureichend beantwortet wurden, was mich ein wenig enttäusch hat. Aber: am besten selber lesen;-)
Vom Titel her hat mich “Schöne Mädchen brennen nicht” gleich an “Tote Mädchen lügen nicht” von Jay Asher erinnert. Es gibt noch ein Buch, das sich diese Formulierung von dem bekannten Bestseller abgeguckt hat: “Tote Mädchen schreiben keine Briefe” von Gail Giles. Inhaltliche Ähnlichkeiten gibt es hierbei jedoch nicht. Die inhaltliche Alternative wäre zum Beispiel “Wahre Freundschaft soll nicht wanken” von Gina Blaxill, in der die beste Freundin eines Mädchens ebenfalls deren vermeintlichen Selbstmord nicht glauben kann und dem nachgeht. Die selbe Thematik findest du in “Frostengel” von Tamina Berger (Arena-Thriller), “Sommer am Abgrund” von Jane Casey (hier ist es die Cousine) und in “Secrets:Wen Emma hasste” von Daniela Pusch (erster Teil einer Trilogie). Hinsichtlich der Freundschaftsgeschichte zwischen Delia und June hat mich der Roman auch ein wenig an “Die Wahrheit über Alice” von Rebecca James denken lassen. Oder lies noch das erste Buch von Lynn Weingarten: “Mottentanz”.
Bibliografische Angaben:Verlag: Fischer Sauerländer ISBN: 978-3-7373-5383-0 Erscheinungsdatum: 22.März 2016 Einbandart: Broschur Preis: 12,99€ Seitenzahl: 384 Übersetzer: Leo H. Strohm Originaltitel: "Suicide notes from beautiful girls" Originalverlag: Simon & Schuster Amerikanisches Originalcover:
![]()
Kasimiras Bewertung:
(3,5 von 5 möglichen Punkten)
--------------------------------------------------------------------------------- Amerikanisches Cover: Homepage von Simon & Schuster