Die deutsche Autorin Lucinde Hutzenlaub hat mit “Ich bin V wie Vincent” einen Roman geschrieben, der sich auf bewegende Art und Weise mit dem Thema Mobbing auseinandersetzt. Ein Junge, der nach einem Umzug als Neuer in der Klasse zum Außenseiter wird und durch eine besondere Methode es schafft auf diese Missstände aufmerksam zu machen. Ein wichtiges Buch, das Mut macht, zu sich selbst zu stehen, den Mund aufzumachen und sich nicht unterkriegen zu lassen! Unterhaltsam und mitreißend geschrieben. Für Jugendliche ab 13 Jahren und interessierte Erwachsene.
Der 16-jährige Milo ist nicht wirklich glücklich darüber mit seiner Familie von Namibia, wo er auf eine deutsche Schule gegangen ist, nun gleich ganz nach Deutschland zu ziehen. Doch sein Vater hat seinen Job als Ingenieur verloren und jetzt steht ein beruflicher Neuanfang bevor. Milo vermisst seine Freunde, das regelmäßige Basketballspielen unter der Sonne Afrikas und überhaupt hat er sich das Leben hier ganz anders vorgestellt. Denn in der Schule trifft er auf Max. Max, der in seine Klasse geht und ihm den Schulalltag bald zur Hölle macht. “Oh Gott. In was war er da nur reingeraten? Eines war auf jeden Fall völlig klar: Sie hatten nicht einfach nur einen schlechten Start gehabt. Max suchte regelrecht jemanden, den er quälen konnte. Am liebsten vor Publikum. Und anscheinend hatte er in Milo diesen jemand gefunden.” (Zitat aus “V wie Vincent” S.25) In jeder freien Minute sucht Max eine Gelegenheit um ihn fertigzumachen. Sich möglichst unsichtbar zu machen, ist bald Milos einziger Weg, um mit all dem umzugehen. Doch auch sein kleiner Bruder Carl ist unglücklich. Zieht sich völlig zurück und ist oft schlecht gelaunt: “Ich finde es hier zum Kotzen. Ich finde die Schule zum Kotzen. Und weißt du was? Dich finde ich am allermeisten zum Kotzen. Dieses weichgespülte >Wir kriegen das schon irgendwie hin, Carl…< Ich kann es nicht mehr hören! Was willst du denn machen? Wie Superman alles zum Guten wenden?” (Zitat S.19) Einzig Nike, ein Mädchen aus seiner Klasse, ist bald noch ein Lichtblick in Milos Leben. Sie scheint sich sogar für ihn zu interessieren. Und bald verabreden sie sich zu einem ersten Treffen. Aber ebenfalls Max ist an Nike interessiert und tut alles, um Milo in die Quere zu kommen. Bald hat dieser genug von den alltäglichen Reibereien und startet eine ungewöhnliche Aktion auf Youtube…
“V wie Vincent” macht mit einem schlichten, aber doch irgendwie auffälligen Cover auf sich neugierig. Der Roman ist in einer sehr einfachen, klaren Sprache geschrieben und auch gerade für Wenigleser bestens geeignet. Die Geschichte wird nicht nur in der Ich-Perspektive aus Milos Sicht erzählt, sondern ebenso Nike bekommt ihren eigenen Blickwinkel. Das Thema Mobbing ist ein nicht weg zu denkendes Motiv in Jugendbüchern und auch in Schulen. Irgendwo ist immer ein Außenseiter gefunden, ein vermeintlich “Schwächerer”, der zum Opfer wird. Gründe dafür sind vielschichtig oder auch nicht, wie “V wie Vincent” rasch verdeutlicht. Denn Mobbing, das kann jeden treffen: “Warum passierte das hier? Wie konnte es sein, dass ein Typ, egal wie groß und stark er war, eine solche Macht über andere besaß? Dass er einen Menschen, den er und überhaupt niemand in der Klasse kannte, in die Ecke drängen und fertigmachen konnte? Ohne Grund, ohne Zweck — einfach nur aus purer Lust am Quälen?” (Zitat S.26) Wie Vincent sich verändert, wie er lustlos und sich immer mehr machtlos fühlt, das schildert Lucinde Hutzenlaub sehr realistisch. Wenngleich auch zwei Szenen etwas
affektiert wirken (als sie ihm um den Hals fällt, nur weil sie eine Verabredung treffen & der erste Kuss), verzeiht man dies der Autorin gerne, denn sie unterhält einfach gut — die Geschichte reißt von Beginn an mit und lässt einen bangen und mitfiebern. Milo, der mit Zweitnamen Vincent heißt, und den Film “V wie Vendetta” über alles liebt, in dem ein Typ namens V gegen Ungerechtigkeit kämpft nennt sich kurzerhand “V wie Vincent” und startet einen YouTube-Kanal, in dem er — mit einer Maske anonymisiert — dazu aufruft nicht mehr alles hinzunehmen und mutig zu sein: “Er wollte nicht mehr die Klappe halten und zusehen, wie sich jeder Einzelne in seinem Leben selbst belog — er selbst eingeschlossen. Er wollte sprechen. Über sich. Über andere. Und darüber, dass es völlig bescheuert war, immer nur durchzuhalten.” (Zitat S.110) Das, was Milo sagt, zieht eine unerwartete Welle nach sich und weckt Hoffnung. Lässt einen an das Gute und an eine bessere Welt glauben und gleichzeitig damit hadern, ob es Milo tatsächlich gelingt unbeschadet aus der ganzen Sache herauszukommen. Eine kluge, wichtige, wertvolle Geschichte mit einer positiven Botschaft —
nämlich der, ehrlich zu sein, an sich selbst zu glauben, seine Stimme zu erheben und niemals aufzugeben. Am Ende, das mit einem emotionalen Gänsehaut-Moment aufwartet, hätte ich mir noch ein paar mehr Informationen gewünscht. Wie es mit Max weitergeht, ob sein Handeln Konsequenzen folgen lässt, was aus Milos Familie wird. Ein bisschen zu schnell ist das Buch dann doch zu Ende und bleibt zu sehr an der Oberfläche. In einem Nachwort erzählt Lucinde Hutzenlaub wie eigene Kindheitserfahrungen mit Mobbing sie über diesesThema haben schreiben lassen und sie gibt auch mehr Informationen über “V wie Vendetta”, den Film, der immer wieder in Zitaten Einzug in den Roman findet.
Dir gefällt Lucinde Hutzenlaubs Erzählstil? Dann lies noch “Meloneneis-Sommer” (ab 11) oder ihr neues Buc
h “Lillis verflixtes Gedankenchaos: Oder der Tag, an dem alles wahr wurde” (ab 9). Eine sehr gute Lesealternative zu “V wie Vincent” ist “Moxie. Zeit, zurückzuschlagen” von Jennifer Mathieu. Lernen zu sich selbst zu stehen und mutig zu sein? Das findest du auch in diesen zwei sehr gelungenen Romanen: “Ben Fletchers total geniale Maschen” von T.S.Easton und “Die Ballade von der gebrochenen Nase” von Arne Svingen. Für Gerechtigkeit auf ungewöhnliche Weise kämpfen ebenso die Protagonisten in “33 Cent um ein Leben zu retten” von Louis Jensen und “Ein Ort wie dieser” von Marie-Aude Murail. Sehr toll fand ich zudem “This song will save your life” von Leila ‑Sales und den Geheimtipp “Jessicas Geist” von Andrew Norris. Einen ganz ungewöhnlichen Weg mit Mobbing umzugehen, ergreift die Hauptperson in “Die Liga der Guten” von Rüdiger Bertram. “Wunder” von Raquel J. Palacio lohnt sich außerdem!
Bibliografische Angaben:Verlag: Planet! (Thienemann) ISBN: 978-3-522-50629-8 Erscheinungsdatum: 15.August 2019 Einbandart: Broschur Preis: 13,00€ Seitenzahl: 288 Übersetzer: - Originaltitel: - Originalverlag: - Originalcover: - Videos zum Buch:
Kasimiras Bewertung:
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