Die deutsche Autorin Lea Coplin, die unter Pseudonym schreibt, hat mit “Nichts ist gut. Ohne dich.” ein neues Jugendbuch veröffentlicht. Eine Geschichte über eine große Schuld, Schicksalsschläge und eine unerwartete Liebe. Ein Roman, der unter die Haut geht und voller Gefühl geschrieben ist. Die deutsche Antwort auf Colleen Hoover — hier ist sie! Für Jugendliche ab 14 Jahren und Erwachsene.
München. Die 18-jährige Jana lebt seit einiger Zeit bei ihrer älteren Schwester Marie, die in einer Anwaltskanzlei arbeitet. Sie selbst weiß noch nicht so recht, was sie studieren soll und arbeitet aushilfsweise mehrere Nachmittage die Woche in einer Buchhandlung. Doch dann trifft sie ausgerechnet in diesem kleinen Buchladen auf einen Teil ihrer Vergangenheit. Auf Leander. “Bis ich mich ahnungslos aufrichte und ihm in die Augen blicke. Sie sind blau. Oder sie waren es, bevor jemand dahinter das Licht ausgeknipst hat. Ich weiß sehr genau, wann das war. Ich weiß ganz genau, wann Leanders strahlendes Leben in tiefe Schatten versank. Und weshalb. Ich weiß das. Auf den Tag genau.” (Zitat aus “Nichts ist gut. Ohne dich.” S.8) Denn mit Leander verbindet Jana ein schrecklicher Teil ihrer Kindheit. Seit sechs Jahren hat sie ihn nun nicht mehr gesehen. Damals, als er das Leben ihrer Familie für immer zerstörte. “Leander war genauso wie Tim, aber eine Trilliarde Mal freundlicher zu mir. Leander… Leander war der tollste Junge, den mein zwölfjähriges Ich kannte.” (Zitat S.40) Tim war Janas älterer Bruder und Leander war sein bester Freund. Doch seit eines schicksalshaften Abends im August ist nichts mehr so, wie es einst war. Noch heute kennt Jana nicht alle Details. “Ich habe nie erfahren, was genau an diesem Abend passiert ist. Am Anfang wurden meine Fragen ignoriert, ich war erst zwölf. Unfall, Leander am Steuer, von der Straße abgekommen waren die Worte, die ich hier und da aufschnappte. Später […] da fragte ich meine Mutter noch einmal. Sie sagte: “Der Junge hätte ins Gefängnis gehört, und wo ist er gelandet? Auf so einer Eliteschule, weit genug weg. Ohne Strafe, ohne…” (Zitat S.41) Es gab einen Deal damals zwischen Janas und Leanders Vater. Aber auch das hat sie erst lange Zeit später erfahren. Leander hat sich einfach nicht mehr bei ihr gemeldet. War abgetaucht. In ein Internat nach Berlin. Keine Erklärungen, keine Entschuldigungen, nichts. In ihrer Familie wird über all das seitdem geschwiegen. Ihre Mutter hat den Verlust ihres Sohnes bis heute nicht verkraftet. Auf einmal gab es nur noch ihn und den Rest ihrer Familie hat sie völlig vergessen. Zu ihrem Vater, der in London lebt, hat Jana auch kaum Kontakt mehr. Ihre Schwester Marie, die
als Einzige noch stabil erschien und ihr Jurastudium fortsetzte, hatte kurz vor dem ersten Staatsexamen einen Nervenzusammenbruch und hat das Studium nie wieder fortgesetzt. Nur als Assistentin arbeitet sie jetzt für einen Anwalt, obwohl sie eigentlich so viel mehr hätte sein können. Auch Jana hängt irgendwie in der Luft. “Ich wüsste zu gern, wer ich bin. Und wann ich mich verloren habe. Warum ich Dinge tue, die ich nicht tun will, warum ich Dinge zulasse, die nicht geschehen sollten. Ich frage mich, wie lange ich mich schon in diesem Zustand befinde, in dieser Schwebe zwischen Ahnungslosigkeit und Gleichmut.” (Zitat S.67) Als sie nun auf Leander trifft, scheint ihre Welt erneut aus den Fugen zu geraten: “Ich fühlte mich wie eine atmende Tote bis zu dem Augenblick, in dem Leander vor mir stand. Da bekam mein Herz einen Stoß, wie von einem Defibrillator etwa, und mein Ich bäumte sich auf, eine Sekunde nur. Und nun lebe ich wieder. Und es tut wieder weh. Und ich wünschte, die vergangenen zwei Tage wären nie, nie passiert.” (Zitat S.67ff) Eigentlich will Jana ihn nie wieder sehen. Eigentlich. Und doch kommt sie ihm ungewollt näher. Aber kann eine Freundschaft, bei der alles Vergangene ausgeklammert wird, funktionieren? Und was sind das für seltsame Gefühle, die sie auf einmal für Leander entwickelt?
Das Interessante an “Nichts ist gut. Ohne dich.” ist, dass es aus zwei unterschiedlichen Sichtweisen in der Ich-Perspektive geschrieben ist. Auch Leander kommt in mehr oder weniger sich abwechselnden Kapiteln zu Wort. Auch ihn nimmt die erste Begegnung mit Jana nach so langer Zeit ziemlich mit: “Ich schließe die Augen, während ich schneller werde, doch das Bild von Jana will nicht aus meinem Kopf. Wie sie mich angesehen hat. Ich kann mich nicht erinnern, jemals einem so leeren Blick begegnet zu sein. Absolut leblos. In den zähen Minuten, die wir uns da vorhin gegenüberstanden, hatte ich einen Geistesblitz: Ich habe sie beide umgebracht. Nicht nur Tim. Jana auch.” (Zitat S.12) Was ist damals geschehen? In jener verhängnisvollen Nacht? Diese Frage zieht sich wie ein roter Faden durch den Roman. Der tragische Hintergrund des Buches verflochten mit einer zarten, sich langsam entwickelnden Liebe — eine gelungene Kombination. Herzschmerz, große Gefühle und viel schmerzvolle Dramatik — mit all dem darf man in “Nichts ist gut. Ohne dich.” rechnen. Der Schreibstil ist sehr flüssig und bereits die ersten Sätze katapultieren den Leser mitten ins Geschehen: “Er betritt den Laden und ich erkenne ihn nicht gleich, und das ist alles, worüber ich später nachdenken kann: Wieso habe ich ihn nicht erkannt? Wie konnte ich ihn nicht erkennen?” (Zitat S.7) Hat man mit dem Buch erst einmal angefangen, kann man es so schnell nicht mehr aus den Händen legen! Zuweilen schleicht sich sogar eine besondere Note von Ironie zwischen die Zeilen, die sich sehr angenehm und amüsant liest: “Ich stalke Leander auf meinem Handy, gebe seinen Namen bei Google ein, nichts, bei Telefonverzeichnis, nichts, den Namen seiner Mutter, wieder nichts. Sein Vater ist ein bekannter Schönheitschirurg, dessen schleimiges Lächeln mich umgehend dazu zwingt, die Suche nach ihm zu beenden.” (Zitat S.48ff) und “Wenn der Abend weiter so verläuft, habe ich Kopfschmerzen, bevor die Uhr zwölf schlägt. Gott, und jetzt höre ich mich an wie Scheiß-Aschen
puttel.” (Zitat S.128). Gefallen haben mir neben den Zitatauszügen im Innenteil der Broschurausgabe ebenso die schön skizzierten Charaktere und zum Teil auch sehr authentischen Nebencharaktere, wie zum Beispiel Leanders Freund Max, der trotz Spielchen-Spielerei und “seiner gepflegten Reiche-Jungs-Attitüde” (Zitat S.28) jemand ist, auf den man sich verlassen kann. Hier ist nichts nach dem üblichen 0–8‑15-Schema aufgebaut, sondern man hat es schon mal mit einer Hauptperson zu tun, die einerseits Angst hat, ihre Katze könnte eines Tages sterben und immer mal wieder überprüft, ob sie auch noch atmet, wenn diese schläft. Andererseits aber eine Affäre mit einem vergebenen Mann beginnt, boxen geht und Leander versucht mit ihren Surfkünsten zu beeindrucken und sich nachts todesmutig auf ein Brett stürzt. Dazu erhält man nebenbei noch jede Menge Lokalkolorit von München!
Einziges Manko: ««««««ACHTUNG SPOILER:»»»»»» Dass man nie den Wortlaut des Briefes, den Leander Jana am Ende schreibt, zu Gesicht bekommt und ein detailliertes Gespräch über die Vorkommnisse der entscheidenden Nacht aus Leanders Sicht nicht stattfindet. Das hat mir definitiv gefehlt. Man erhält nur Mutmaßungen von Janas Vaters über den tatsächlichen Unfallhergang und Andeutungen von Leander. Die Beantwortung der Schuldfrage war mir daher etwas zu schwach geklärt, da hätte es noch eine schönere Auflösung geben können. ««««««ENDE SPOILER»»»»»»
Fazit: Eine unheimlich ergreifende, hochemotionale Achterbahn der Gefühle. Colleen Hoover, zieh dich warm an — hier kommt ernst zu nehmende Konkurrenz aus Deutschland!
Dir gefällt Lea Coplins Stil? Sie hat unter ihrem Mädchennamen Alexandra Pilz bereits eine Trilogie veröffentlicht: “Zurück nach Hollyhill” (Band 1), “Verliebt in Hollyhill” (Band 2) und “Für immer Hollyhill” (Band 3). Ebenfalls für Erwachsene hat sie unter dem Pseudonym Anne Sander Romane publiziert: “Sommer in St.Ives”, “Mein Herz ist eine Insel” und die Neuerscheinung “Sommerhaus zum Glück”. Du möchtest herzzerreißende Liebesgeschichten voller Gefühl und Dramatik lesen? Dann kann ich dir “Almost” von Anne Eliot, “Der Sommer, als du wiederkamst” von Emily Martin und “Wenn du mich küsst” von Juliana Stone empfehlen. Oder greif zu den Büchern der bereits erwähnten Bestellerautorin Colleen Hoover, wie zum Beispiel “Zurück ins Leben geliebt”, “Nächstes Jahr am selben Tag” und “Nur noch ein einziges Mal”. Ein Freund aus Kindheitstagen, der plötzlich wieder auftaucht? Das kannst du in “Long-lost friend” von Sarah Zarr oder in “Emma & Oliver” von Robin Benway entdecken. Ein Unfall und die Frage nach der Schuld, die alles verändern, mit dieser Thematik setzen sich folgende Bücher auseinander: “Zu schnell” von John Boyne (ein sehr kurzes Buch), “Nach dem Unglück schwang ich mich auf, breitete meine Flügel auf und flog davon” von Joyce Carol Oates (bewegend) und “Dieser eine Moment” von Christoph Wortberg (sprachlich toll erzählt).
Bibliografische Angaben:Verlag: dtv ISBN: 978-3-423-71778-6 Erscheinungsdatum: 20.April 2018 Einbandart: Broschur Preis: 10,95€ Seitenzahl: 352 Übersetzer: - Originaltitel: - Originalverlag: - Originalcover: - Lea Coplin erzählt von ihrem Buch:
Kasimiras Bewertung:
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