“Wozu wir fähig sind” ist ein Roman der deutschen Autorin Laila El Omari, der eine Clique in den Mittelpunkt stellt, die unerwartet Zuwachs erhält und deren neue Mitglieder scheinbar etwas im Schilde führen. Eine Geschichte über Freundschaft, Manipulation und Rache. “Der Graf von Monte Christo” reloaded. Faszinierend, anders, mit erzählerischen Schwächen. Für Jugendliche ab 14 Jahren und interessierte Erwachsene.
Seit fünf Jahren sind sie ein Paar. Der beliebte Patrick und die schöne Alina. “Alina bemerkte die Blicke der Mädchen zu Patrick. Das war nicht neu, Patrick hatte diese Wirkung auf sie, und es gab nicht wenige, die Alinas Freundschaft suchten, um ihm nahe zu sein. Sie bewegte sich in der ruhigen Gewissheit, dass es für Patrick niemanden außer ihr gab, die unanfechtbare Selbstsicherheit der Besitzenden.” (Zitat aus “Wozu wir fähig sind” S.14). Um sich scharen sie eine große Clique. Eine Clique, zu der plötzlich auch Alexander gehört. Mit einer Gruselgeschichte, die er auf einer Party erzählt, macht er auf sich aufmerksam. “Er war irgendwann einfach da, gesellte sichso selbstverständlich zu ihnen, als kenne er sie seit Jahren. Dass er ohne Weiteres in die Runde aufgenommen wurde, lag vermutlich [..] an seiner Ausstrahlung” (Zitat S.16) Mit in die Gruppe bringt Alexander ebenfalls die bildhübsche Leonora. Ob sie seine feste Freundin, eine Freundin oder Affäre ist, weiß niemand so genau. Aber sie studiert nicht, so wie die anderen, sondern macht ihr Abitur nach. “Alina wusste nicht, warum, aber sie mochte Leonora nicht. Es war, als lauere etwas Dunkles in ihrem Blick, und Alina hatte die Dunkelheit schon als Kind nicht gemocht.” (Zitat S.34) Und Alinas Gefühl scheint nicht zu täuschen, irgendetwas scheinen Alexander und Leonora vor zu haben. Doch als sie das Ganze durchschaut, ist es schon fast zu spät…
Das Cover ist schön gemacht, mal etwas anderes mit den fotografierten Menschen und den beschrifteten Eigenschaften — dazu noch die die gerillte Haptik und die leuchtend orange Schrift — ein Hingucker! Der Roman startet mit einem Prolog, in dem eine namenlose Joggerin eine ihr bekannte Person zu finden scheint, die sich soeben an einem Baum aufgehängt hat: “Sie hob den Blick, bemerkte die Linie des Seils, das sich hinter seinem Kopf erhob, trat näher, sah die einstmals vertrauen Züge an. Hörte seine letzten Worte. Ich habe sonst niemanden. Dann schrie sie. Und schrie. Und schrie.” (Zitat S.6) Dann folgt der Hauptteil, der immer wieder mit der Kapitelüberschrift “Danach” gekennzeichnet ist und einem Zitat einer Person, die wie ein Zeugenaussage klingt, eingeleitet wird. Hier wechseln die personalen Erzählperspektiven zwischen Leonora und Alina und später auch Hannah. Außerdem tauchen Einschübe eines gewissen “Nico
- Sieben Jahre zuvor” auf. Am Anfang ist die Lektüre ein wenig anstrengend. Die Personen sind noch nicht richtig greifbar, die Zusammenhänge schwer einzuordnen, die Motive der Agierenden völlig unklar. Manches wirkt etwas verworren. Immer wieder durchziehen Andeutungen den Text, die vor allem klar machen, dass Leonora und Alexander nicht mit offenen Karten spielen, die alles irgendwie bis ins Detail geplant haben: “Luca hatte etwas Lauerndes, das auf Leonora zutiefst abstoßend wirkte. Aber davon hatte Alexander ihr ja schon erzählt, schließlich war ihre Wahl nicht zufällig auf dieses Café gefallen.” (Zitat S.44) An sich sind solche Anspielungen ja spannend, aber manchmal gibt es einfach zu viele Ungereimtheiten, auch Logikfehler. Beispielsweise betreten die Zwei ein kleines Geschäft, um etwas zu kaufen, reden mit einem Angestellten, dessen Freundin plötzlich hereinkommt: “Alexander runzelte die Stirn. Leonora konnte ihm förmlich ansehen, was er dachte. Eine Unbekannte in der Glei
chung? Er wandte sich wieder den Laufschuhen zu, und Leonora spürte die vibrierende Ungeduld der beiden, endlich allein zu sein.” (Zitat S.46). Doch Sekunden später spricht er sie an und scheint ihren Vater zu kennen. Da passt vom Gefühl her manches irgendwie nicht zusammen. Die Charaktere sind in “Wozu wir fähig sind” auch nicht sehr tiefgründig angelegt. Öfters gibt es auch Stellen, an denen nicht klar ist, von welcher Person gerade die Rede ist und man mehrmals nachlesen muss. Dennoch ist das Geflecht der Personen und ihr Wirken untereinander irgendwo faszinierend. Was führt Alexander im Schilde? Welche Vergangenheit hat Leonora? Wird Alina Patrick betrügen? Trotz manch erzählerischer Schwäche möchte man dann die Auflösung kennen. Vieles erahnt man jedoch bereits viel zu früh. Das Ende blieb leider etwas blass.
Fazit: Die Grundidee ist toll, die erzählerische Umsetzung gefiel mir nicht immer. Da wurde viel Potential verschenkt.
Du möchtest noch etwas anderes von Laila El Omari lesen? Dann greif noch zu ihren weiteren Jugendbüchern “Klippentanz” (fand ich auch eher durchschnittlich) und “Schattenmädchen”. Du magst Bücher, in denen Rache eine Rolle spielt? Dann könnte die zweiteilige Reihe von Andreas Götz etwas für dich sein: “Bad Boys & Little Bitches” (Band 1) und “Bad Boys & Little Bitches: Kleine Sünden” (Band 2). Du findest Romane über das Thema Manipulation spannend? Sehr gelungen fand ich hierzu “Unter Freunden” von Thomas Fuchs. Oder lies “Spring in den Himmel” von Lotte Kinskofer, “Du denkst, du weißt, wer ich bin” von Em Bailey und “Spinnenfalle” von Nina Schindler. Noch mehr Bücher von bösen Mädchen gefällig? Dann lies zum Beispiel “Die Besessene” von S.B.Hayes, “Böse, böse” von Elizabeth Woods oder “Tote Mädchen schreiben keine Briefe” von Gail Giles. Für Erwachsene oder Jugendliche ab 16 wären auch “Böses Mädchen” von Amélie Nothomb und “Die Wahrheit über Alice” von Rebecca James zu empfehlen.
Bibliografische Angaben:Verlag: Coppenrath ISBN: 978-3-649-67019-3 Erscheinungsdatum: 19.Juni 2020 Einbandart: Hardcover Preis: 16,00€ Seitenzahl: 256 Übersetzer: - Originaltitel: - Originalverlag: - Originalcover: - Lesung aus "Wozu wir fähig sind":
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