Kjersti Annesdatter Skomsvold — Lisa mit einem Herz drum rum

2.Juni 2025

Lisa mit einem Herz drum rum” ist ein Roman der viel­fach aus­ge­zeich­ne­ten, nor­we­gi­schen Autorin Kjer­s­ti Annes­dat­terS­koms­vold. Sie erzählt die Geschich­te der 9‑jährigen Lisa, die in der Schu­le kaum spricht und ein­fach kei­ne Wor­te her­aus­bringt. Im Gegen­satz zu ihrer Zwil­lings­schwes­ter Vera, die eif­rig mit den Jungs Fan­gen spielt und vie­le Freun­din­nen hat, ist sie eine Außen­sei­te­rin. Zuflucht fin­det Lisa in der Welt der Mathe­ma­tik, sie liebt Zah­len. Auch Jonas, der frü­her von allen Mäd­chen der Klas­se ange­him­melt wur­de, ist zu einem Außen­sei­ter gewor­den. War­um hat er ein Herz in sein Heft gemalt mit Lisas Namen drin? Das kann doch nur ein Ver­se­hen sein, oder? Als Lisa in der Schu­le einen Vor­trag vor der gan­zen Klas­se hal­ten soll, über­schla­gen sich bald die Ereig­nis­se… Ein wirk­lich bezau­bern­des, äußerst lie­be­voll erzähl­tes Buch! Über Unsi­cher­hei­ten, über das Anders­sein, aber auch über Mut und eine zar­te, ers­te Ver­liebt­heit. Wun­der­schön geschrie­ben, rund­her­um gelun­gen mit zahl­rei­chen Illus­tra­tio­nen und kur­zen Comic­strips. Ein ech­tes Her­zens­buch! Für Kin­der ab 8 Jah­ren und inter­es­sier­te Erwachsene.

Lisa ist 9 Jah­re alt. Sie hat eine Zwil­lings­schwes­ter namens Vera, die oft von ihr genervt ist. “Vera seufzt schwer. Für Vera ist es nicht leicht, Lisas Schwes­ter zu sein. Lisa weiß das, weil Vera es ihr stän­dig erzählt. Vera ist cool und Lisa pein­lich. Vera ist mutig und Lisa fei­ge. Vera ist lus­tig und Lisa lang­wei­lig. Vera ist fröh­lich und Lisa trau­rig.” (Zitat aus “Lisa mit einem Herz drum rum” S.8) Und weil Lisa kei­ne Freun­din­nen hat — so wie Vera — durf­te sie sich ein Kanin­chen kau­fen. Das hat sie Hypa­tia genannt, nach einer Mathe­ma­ti­ke­rin. Denn Lisa liebt die Mathe­ma­tik. Das ist in der Schu­le ihr liebs­tes Fach und sie genießt sogar die Haus­auf­ga­ben und wenn sich ihr Vater Zeit nimmt, ihr etwas über Mathe­ma­tik bei­zu­brin­gen. In der Schu­le hin­ge­gen läuft es nicht so gut. Denn sie traut sich dort kaum etwas zu sagen. “Bei Lisa ist es oft so, dass sie nicht weiß, was sie sagen soll, und selbst wenn sie es weiß, bringt sie trotz­dem kein Wort her­aus.” (Zitat S.5) Die ande­ren Kin­der ärgern sie des­we­gen manch­mal. Nen­nen sie einen “stum­men Die­ner”. Dabei war das nicht immer so. Viel­leicht sind es die Wän­de in der Schu­le, die har­ten Beton­wän­de, wes­halb ihr das Spre­chen so schwer­fällt? Im Kin­der­gar­ten ging es ihr näm­lich nicht so. Im Kin­der­gar­ten konn­te sie spre­chen, sie sprach zum Bei­spiel ganz viel mit Jonas. Aber seit sie in der Schu­le ist, fällt ihr das Spre­chen immer schwe­rer, und mit der Zeit hat natür­lich auch Jonas auf­ge­hört, mit ihr zu reden. Irgend­wann hat man kei­ne Lust mehr, mit jeman­dem zu reden, der einen wort­los und mit gro­ßen Augen anstarrt” (Zitat S.17) Jonas, den frü­her ganz vie­le Mäd­chen ange­him­melt haben, ist durch sein Ver­hal­ten auch zu einem Außen­sei­ter gewor­den. Aber über Jungs macht Lisa sich ohne­hin kei­ne gro­ßen Gedan­ken. Sie denkt lie­ber an Zah­len oder an ihr Kanin­chen. Jungs in der Pau­se fan­gen, das über­lässt sie ihrer Schwes­ter Vera, auf so etwas hat sie über­haupt kei­ne Lust. Lisa war noch nie im Leben ver­liebt, und sie wird sich bestimmt auch nie­mals ver­lie­ben. Als sie zu Vera sag­te, dass sie Zah­len und Kanin­chen lie­ber mag als Jungs, fand Vera sie unfass­bar kin­disch.” (Zitat S.10) Doch dann pas­sie­ren auf ein­mal zwei Din­ge, die Lisas Welt völ­lig auf den Kopf stel­len. Sie — die im Unter­richt so gut wie nichts sagt — soll einen Vor­trag hal­ten, vor der gan­zen Klas­se! Eben­so wie alle ande­ren Schüler:innen. Aber wie soll sie das machen, wenn sie nicht spre­chen kann? Um dem zu ent­ge­hen und in ihrer Ver­zweif­lung spielt Lisa mit dem Gedan­ken sich von einem Auto anfah­ren zu las­sen. Dann muss sie für eini­ge Zeit näm­lich nicht in die Schu­le gehen. “Lisa muss auf­pas­sen, wenn sie ange­fah­ren wird, dass sie nicht stirbt, son­dern nur ein biss­chen gelähmt ist oder so. Sie kann doch nicht ster­ben und Hypa­tia allein las­sen. Viel­leicht soll­te sich Hypa­tia aber auch eine ande­re Freun­din suchen, sicher­heits­hal­ber? Falls etwas schief geht. “Kön­nen wir uns noch ein Kanin­chen zule­gen?”, fragt Lisa.” (Zitat S.35) Aber ist das ein wirk­lich guter Plan? Und dann ist da auch noch Jonas. Der hat ein Herz in sein Heft gemalt mit ihrem Namen und einem Herz drum rum. Das kann er doch nicht ernst mei­nen? Das ist bestimmt ein Ver­se­hen gewe­sen, oder?

Das Cover ist sehr schön gestal­tet und fasst wich­ti­ge Ele­men­te der Geschich­te bereits zusam­men. Auch der Titel ist gut gewählt. Der Roman, der durch­gän­gig in per­so­na­ler Erzähl­wei­se aus Lisa Sicht geschrie­ben ist, ist in Kapi­tel ein­ge­teilt, die mit kur­zen Über­schrif­ten und pas­send illus­trier­ten Vignet­ten ver­se­hen sind. Auch im Buch selbst tau­chen immer wie­der pas­sen­de Zeich­nun­gen (von Oli­via Vie­w­eg) auf oder (sehr sel­ten) kom­plet­te Sei­ten im Comic­stil (aber ohne Text). Den Ein­stieg in die Geschich­te fin­det man schnell. Lisa ist ein äußerst sym­pa­thi­scher und lie­bens­wer­ter Cha­rak­ter. Eine Figur, die man rasch ins Herz schließt und mit ihr mit­fühlt. “Lisa fin­det ihre Stim­me nicht, auch wenn sie noch so sehr danach sucht — sie sucht in den Hosen­ta­schen, ganz unten im Ruck­sack, ihre Stim­me scheint tief in ihrem Bauch ver­gra­ben zu lie­gen oder im Hals fest­zu­ste­cken. Lisa stot­tert und stam­melt, und ihr wird ganz heiß im Gesicht. Alle schau­en sie an, es ist uner­träg­lich!” (Zitat S.15) Gera­de die The­ma­tik nicht spre­chen zu kön­nen in Gesell­schaft ande­rer (vor allem in der Schu­le) beschreibt die Autorin sehr fein­füh­lig und sen­si­bel. Die Schwie­rig­kei­ten, die damit ein­her­ge­hen. “Je mehr die ande­ren dar­über spre­chen, dass Lisa nicht spricht, des­to schwie­ri­ger wird es für sie, etwas zu sagen.” (Zitat S.26) Die Spra­che ist sehr ange­nehm und tref­fend. Unter­schwel­lig ist oft auch etwas Humor im Text zu fin­den. “Heu­te tut ihr das Bäu­me­zäh­len nicht so gut wie sonst. Sie zählt 13, 14, 15 Bäu­me, trotz­dem ist sie trau­rig und nie­der­ge­schla­gen. Es kommt ihr vor, als bräuch­te sie etwas Stär­ke­res als Zäh­len. Sie muss dar­an den­ken, Papa zu fra­gen, ob er ihr eine stär­ke­re Dosis Mathe­ma­tik ver­ab­rei­chen kann.” (Zitat S.23) Auch das The­ma Mathe­ma­tik ist in “Lisa mit einem Herz drum rum” ist in das Buch sehr schön mit ein­ge­ar­bei­tet und für man­che Leser:innen tat­säch­lich sehr lehr­reich, wenn man bei­spiels­wei­se von der Fibo­nac­ci-Fol­ge hört. “Es sind die schöns­ten Zah­len, von denen Lisa je gehört hat. Die Fibo­nac­ci-Fol­ge.” (Zitat S.39)  Dies wird sehr anschau­lich und prak­tisch erklärt und taucht immer wie­der in der Geschich­te auf. Für Fibo­nac­ci war es ledig­lich ein Gedan­ken­ex­pe­ri­ment”, sagt Papa, “aber spä­ter hat man her­aus­ge­fun­den, dass sich Bie­nen nach genau die­sem Mus­ter ver­meh­ren! Und man hat die Fibo­nac­ci-Fol­ge auch noch an vie­len ander­ne Stel­len in der Natur ent­deckt. In den Blät­tern der But­ter­blu­men, Lili­en und Gän­se­blüm­chen zum Bei­spiel.” (Zitat S.39) Eben­so das lang­sa­me Anein­an­der­nä­hern zwei­er Figu­ren, eine win­zi­ge Zart­heit ers­ter Gefüh­le fin­det am Ende des Romans Bedeu­tung. Der Abschluss der Geschich­te macht Mut und ist sehr pas­send und zeigt, dass man manch­mal durch­aus über sich hin­aus­wach­sen kann.

LesealternativenKjer­s­ti A.Skomsvold hat noch ein wei­te­res Kin­der­buch geschrie­ben (aller­dings ab 3 Jah­ren), das ins Deut­sche über­setzt wur­de: “Alle schla­fen (bis auf Bo)”Ansons­ten gibt es noch eini­ge Roma­ne für Erwach­se­ne von ihr, in denen auch oft die Mathe­ma­tik eine Rol­le spielt: “Je schnel­ler ich gehe, des­to klei­ner bin ich”, “33” und “Mei­ne Gedan­ken ste­hen unter einem Baum und sehen in die Kro­ne”. Ein Kin­der­buch, in dem Mathe­ma­tik im Mit­tel­punkt steht und das wirk­lich höchst amü­sant zu lesen ist, ist “Voll ver­zählt” von Mel­vin Bur­gess. Oder lies “Mathe fürs Leben oder: Wie lan­ge brau­che ich zu Fuß zum Mond?” von Edward van de Ven­del. Ein Jun­ge, der nicht spricht, das fin­dest du auch in dem emp­feh­lens­wer­ten “Hat irgend­je­mand Oscar gese­hen?” von Les­lie Con­nor. Oder greif zu dem schon etwas älte­ren “Die Wahr­heit, wie Del­ly sie sieht” von Kathe­ri­ne Hannigan.

Bibliografische Angaben:
Schilder was wo wer wannVerlag: Thienemann
ISBN: 978-3-522-18848-7
Erscheinungsdatum: 27.März 2025
Einbandart: Hardcover
Preis: 14,00€
Seitenzahl: 128
Übersetzer*in: Ina Kronenberger
Illustrator*in: Olivia Vieweg
Originaltitel: "Lisa gikk til skogen"
Originalverlag: Aschehoug
Norwegisches Originalcover:





 

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Kasimiras Bewertung:

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(5 von 5 mög­li­chen Punkten)

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Norwegisches Cover: Homepage von Aschehoug

 

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