“Sandcastle Empire” ist das erste Buch der amerikanischen Autorin Kayla Olson. Ein dystopischer Roman, der in einer — nach Umweltkatastrophen und Krieg zerstörten — Welt vier Jugendliche auf eine vermeintlich sichere, letzte Insel flüchten lässt. Doch erwartet sie dort wirklich Frieden? Ein bisschen “Robinson Crusoe”, ein bisschen “Herr der Fliegen” (aber mit anderer Motivation) und eine große Portion Endzeitstimmung und Wissenschaft. Unterhaltsam und abenteuerlich. Aber mit erzählerischen Schwächen. Für Jugendliche ab 14 Jahren und interessierte Erwachsene.
2057. Die Welt ist eine völlig andere. Naturkatastrophen, vor allem Überschwemmungen, zerstörten den Lebensraum der Menschen. Küstenregionen versanken im Meer, dessen Spiegel immer weiter anstieg. Die Überflutungen sorgten dafür, dass Abwasser und verseuchtes Trinkwasser durch die Gegend flossen. Mit Entsalzungsflaschen der Firma Envirotec und allerlei anderer Technologien versuchte man dem Herr zu werden. Doch dann löste ein Skandal dieser Firma, der auf üble Weise auf das Ungleichgewicht zwischen Arm und Reich aufmerksam macht, dafür, dass ein Krieg ausbricht. Die “Wölfe” kommen an die Macht. Sperren die Reichen und den Mittelstand und alle, die ihnen nicht wohlgesonnen sind in Straf- und Arbeitslager. Pausenlose Überwachung. Barbarische Bestrafungen. Ein Leben, das kein Leben mehr ist. Auch die junge Eden träumt von einer anderen Zukunft: “Eines Tages, wenn der Krieg vorbei ist werde ich wieder Eis essen. Ich werde barfuß über den Strand laufen, ohne befürchten zu müssen, auf eine Mine zu treten. Ich werde in einen Buchladen gehen, in einen Coffeeshop, zu all den zahllosen Orten, die derzeit in der Hand der Wölfe sind, und ich werde stundenlang dort sitzen, einfach nur, weil ich es kann. All das und noch mehr werde ich tun. Wenn ich überlebe.” (Zitat aus “Sandcastle Empire” S.8) Doch zu überleben ist nicht gerade einfach. Seit zwei Jahren sind die Wölfe nun schon an der Herrschaft und Eden immer noch dabei einen Fluchtplan auszutüfteln. Sie ist ganz allein. Ihr Vater wurde mehrmals verhört, weil er ein hochrangiger Wissenschaftler von Envirotec ist und schließlich abgeführt. Sie hat ihn nie wieder gesehen. Nur sein Ehering, ein kleines Überlebenshandbuch mit allerlei handschriftlichen Notizen und eine Ampulle mit seinem Blut und seinen Zähnen hat man eines Tages vor ihre Türe gelegt. Aber dann gelingt Eden auf einmal die Flucht: zusammen mit drei anderen Mädchen rettet sie sich auf ein Boot und steuert die Insel Refugium an. Angeblich nur eine Legende. Aber Eden weiß, dass es sie gibt — der letzte neutrale Ort auf dieser Erde. Die Wölfe haben ihren Vater dazu gezwungen sie zu erschaffen: “Sie wollten, dass er ein neutrales Inselterritorium entwickelte, einen abgeschiedenen Ort, an dem die Verhandlungen über das Kriegsende stattfinden sollten. Es sollte der Beweis dafür sein, dass die Wölfe keine grundlegenden Menschenrechte verletzten, dass sie imstande waren, zumindest gegenüber einigen wenigen ihrer Gefangenen Güte zu zeigen, ja sie sogar zu begnadigen.” (Zitat S.21) Doch was wird sie auf dieser Insel tatsächlich erwarten? Kaum sind die vier Mädchen dort angekommen, haben ihr Lager am Strand aufgeschlagen, ehe sie sich in den Urwald hineinwagen, da verschwindet plötzlich Finnley…
Das Cover verheißt bereits ein großes Abenteuer, auch wenn die Insel verhältnismäßig klein gezeichnet ist im Gegensatz zu ihrer tatsächlichen Größe. Der Roman wird durchgehend aus Edens Sicht in der Ich-Perspektive erzählt und nur sehr gelegentlich von kurzen Kapiteln mit ihren philosophisch anmutenden Zwischenschüben unterbrochen. Der Text bewegt sich in der Gegenwart, gibt aber auch immer wieder Rückblenden darauf, was vorher war. Was jedoch zeitweilen sehr bruchstückhaft geschieht. Manches wirkt etwas wirr, auch die politischen/technologischen Hintergründe erscheinen teils etwas komplex und werden nur angeschnitten: “Envirotec plante die Konstruktion des Atlas-Projekts, eines innovativen Meereshabitats, dessen Entwicklung man meinem Vater übertragen hatte, doch dann sickerte durch, dass die verfügbaren Plätze auf diesem Habitat extrem begrenzt sein und an die Höchstbietenden verkauft werden.” (Zitat S.33) Anfangs dachte ich, dass mit dem “innovativen Meereshabitat” die Insel Refugium gemeint ist. Erst als ich noch einmal zurückblätterte, habe ich gemerkt, dass das zwei verschiedene Projekte sind, die zeitlich auseinander liegen. Das war zunächst etwas verwirrend. Um Refugium wird auch ein großes Geheimnis gemacht. “Neutrales Inselterritorium. Waffenfreie Zone. Zeischen Farnen verborgene Tempel, aus Steinen und Geheimnissen geformte Bauten. Mönche, die Flüchtlingen beider Kriegseinheiten Immunität gewähren, indem sie sie in ihr Kloster aufnehmen.” (Zitat S.23) Irgendwie erfährt man darüber nicht viel. Auch über die Hintergründe wie die Insel beispielsweise entstanden ist. Hat Edens Vater die künstlich erbaut? War die vorher einfach da und darauf wurde dann gebaut? Genauso geheimnisvoll wird es dann als noch ein paar andere Jugendliche mit einem Boot auf der Insel auftauchen. Sie scheinen ebenfalls mehr zu wissen. Ich muss ganz ehrlich zugeben, während es in vielen Büchern große Spannung erzeugt, wenn man etwas nicht weiß, hat mich dies in “Sandcastle Island” stellenweise einfach nur genervt, diese lückenhafte Sprunghaftigkeit und gleichzeitige nicht Nachvollziehbarkeit mancher auch recht oberflächlich gehaltener Charaktere (z.B. Finnely). Auch von der Dramatik her konnte mich die Geschichte zu Beginn einfach nicht packen. Was mir hingegen gut gefiel, sind die sprachlichen Bilder, die Kayla Olson zuweilen erzeugt: “Ich bin ein Vogel, der entschlossen ist, davonzufliegen, trotz gestutzter Flügel und Splittern in den Füßen.” (Zitat S.7ff), “Das Meer lullt uns ein wie ein Wiegenlied. Aber es ist keine Mutter, der man trauen darf. Schon morgen könnte sie uns schütteln, bis wir zerbrechen, uns herumschleudern, überfluten und verschlingen.” (Zitat S.36) und “Alexa ist eine Pusteblume. Sie versteckt ihre Geheimnisse gut, als wären es Samenfäden, die jederzeit davontreiben können.” (Zitat S.52) Am Ende — während man immer mehr Zusammenhänge versteht, steigert sich dann auch die Spannung. Eine kleines Liebesgeschichte findet ebenfalls noch Einzug in den Roman.
Fazit: Abenteuerlich, mit manchen erzählerischen Schwächen, aber auch Stärken. Ein dystopischer Wissenschaftsthriller mit Komplexität und viel Fantasie.
Eine Fortsetzung zu “Sandcastle Island” ist nicht geplant. Du magst abenteuerliche Bücher, die auf Inseln spielen? Dann lies das bereits erwähnte “Herr der Fliegen” von William Golding. Oder folgende Romane: “Battle Island” von Peter Freund, “Isola” von Isabel Abedi, “Abgründig” von Arno Strobel oder “Abgründige Geheimnisse” von Lindsay Galvin. In letzterem spielt auch die Wissenschaft eine große Rolle. Sehr gut könnte ich mir zudem die äußerst spannende “Méto”-Reihe von Yves Grevet vorstellen! Oder lies die “Evolution”-Reihe von Thomas Thiemeyer! Du interessierst dich für dystopische Romane? Noch mehr findest du hier. Einer, in dem ein Mädchen ebenso auf der Flucht ist, ist das gelungene “Davor und danach” von Nicky Singer. Gut vorstellen könnte ich mir auch die “Maze Runner”-Reihe von James Dashner.
Bibliografische Angaben: Verlag: dtv ISBN: 978-3-423-76275-5 Erscheinungsdatum: 21.Februar 2020 Einbandart: Hardcover Preis: 17,95€ Seitenzahl: 448 Übersetzer: Bettina Münch Originaltitel: "The Sandcastle Empire" Originalverlag: HarperTeen Amerikanisches Originalcover:
Kasimiras Bewertung:
(3 von 5 möglichen Punkten)
------------------------------------ Amerikanisches Cover: Homepage von Kayla Olson