“Die Wahrheit über Ivy” von der kanadischen Autorin Kathy Stinson ist ein kurzweiliges Buch über Behinderung, den Wert eines Menschenlebens und dem Schmerz eines Verlustes. Eine wirklich betroffen machende Geschichte, die noch lange nachwirken wird. Für Jugendliche ab 13 Jahren und interessierte Erwachsene.
David liebt seine kleine Schwester Ivy. Aber er leidet zuweilen auch unter ihr. Denn Ivy ist kein einfaches Kind. Ivy ist behindert. Schon seit Geburt an. Sie hat kann nicht laufen, spricht nur wenig und undeutlich und benimmt sich wie ein kleines Baby, obwohl sie 11 Jahre alt ist. Freunde besuchen David nicht mehr zu Hause, seit sie zum Beispiel gesehen haben, wie Ivy in ihre Hand schnäuzt und diese dann ableckt. Hannah aus dem Nachbarhaus ist da glücklicherweise anders. Sie ist dort mit ihrer Familie neu hingezogen und ihre Mütter kannten sich bereits von früher. Deshalb darf Hannah, die Ivy wirklich zu mögen scheint, David und seiner Familie auch begleiten, als sie für ein paar Tage in ein Ferienhaus ans Meer fahren. Die Zeit dort ist schön, auch wenn David sich manchmal etwas unsichtbar fühlt und mit Hannah, in die er sich verliebt hat, gerne Zeit alleine verbringen möchte. Als ihm Letzteres endlich gelingt, ist der Schreck groß, als sie von ihrem Spaziergang zu Zweit zurückkehren und auf einmal der Krankenwagen vor dem Ferienhaus hält. Ivy. Beim Plätschern im Wasser mit ihrem Vater hat sie wieder einen Anfall bekommen, wie so häufig in letzter Zeit und ist dabei ertrunken! Der Schock und die Trauer sind groß. Bis in dem Wohnort von David und seiner Familie plötzlich über Ivys Tod geredet wird. Davids Vater hätte seine Tochter absichtlich ertrinken lassen. Aber das kann doch nicht sein, oder…?
“Die Wahrheit über Ivy” wird durchgehend aus Davids Sicht erzählt. Das Buch ist nicht sehr umfangreich, hat lediglich 192 Seiten, die Schrift ist sehr groß gedruckt. Die Sprache ist schlicht und klar, aber die Intensität der Geschichte ist deutlich spürbar. Man kann sich in David sehr gut hineinversetzen, seine widersprüchlichen Gefühle für seine behinderte Schwester nachvollziehen und merkt trotzdem wie sehr er sie liebt, wenn er sie beispielsweise vor anderen verteidigt. Auch die Problematik von seinen Eltern “übersehen” zu werden, angesichts Ivys Unselbstständigkeit, die eine Betreuung rund um die Uhr erfordert, ist sehr sensibel beschrieben. Nervenaufreibend wird es, als ihr Tod zugleich auch eine unterlassene Hilfeleistung sein könnte. Das gibt dem Roman wiederum eine ganz besondere Dramatik und eine ganz andere Sicht auf die Dinge. Was ist wirklich passiert? Hat Davids Vater seine eigene Tochter sterben lassen? Mit welchen Recht darf ein Mensch so etwas tun? “Die Wahrheit über Ivy” wirft viele Fragen auf und eignet sich mitunter ideal als Schullektüre oder für eine Buchvorstellung.
Lesealternativen bezüglich dem Thema Behinderung sind “Mit Worten kann ich fliegen” von Sharon M. Draper (ein fantastisches Buch!), in dem das behinderte Mädchen seine Geschichte aus der eigenen Perspektive erzählt und “Das Schweigen in meinem Kopf” von Kim Hood, das sich ebenfalls mit Ausgrenzung und Ablehnung Behinderter auseinandersetzt. Etwas humorvoller ist “Simpel” von Marie-Aude Murail in welchem zwei Brüder (einer behindert) in einen WG einziehen und dort für einige Turbulenzen sorgen. Das Thema Eifersucht auf die erhöhte Aufmerksamkeit der Eltern eines behinderten Kindes kennt auch die Schwester der Hauptfigur in “Wunder” von Raquel J. Palacio- ein wirklich herzerwärmend erzähltes Buch!
Bibliografische Angaben:Verlag: cbt ISBN: 978-3-570-30912-4 Erscheinungsdatum: 14.April 2014 Einbandart: Taschenbuch Preis: 7,99€ Seitenzahl: 192 Übersetzer: Rusalka Reh Originaltitel: "What happened to Ivy" Originalverlag: Second Story Press Kanadisches Originalcover:
![]()
Kasimiras Bewertung:
(5 von 5 möglichen Punkten)
--------------------------------------------------------------------------------- 2.Bild v.o.: © Henrik G. Vogel/pixelio.de Kanadisches Cover: Homepage von Second Story Press