Die deutsche Autorin Julie Leuze beehrt uns mal wieder mit einem neuen Roman: “Das Glück an meinen Fingerspitzen” entführt in die Wildnis Kanadas, in welcher zwei Jugendliche unfreiwillig ums Überleben kämpfen und nicht nur von ihren Problemen, vor denen sie beide weglaufen wollten, eingeholt werden, sondern auch von der Liebe. Eine wunderschöne Lektüre zum Abtauchen — bestes Lesefutter für Romantiker, Abenteurer und alle anderen, die einfach richtig gut unterhalten werden möchten! Für Jugendliche ab 14 Jahren und für Erwachsene.
Was im letzten Frühjahr war, das möchte Jana am liebsten einfach vergessen. Doch es hat sie verändert. Und das wahrscheinlich für immer. Sich gemeinsam mit ihrer besten Freundin aufs Studium freuen — jetzt nachdem sie ihr Abi geschafft hat — das kann sie nicht mehr. Am liebsten zieht sie sich in ihr Zimmer zurück. Auch ihre Eltern wissen nicht mehr viel mit ihr anzufangen. Deshalb schicken sie Jana schließlich für eine Weile nach Kanada, zu ihrer Tante und ihrem Onkel, die beide als Naturforscher arbeiten. Bei ihrem neuesten Projekt wollen sie einige Zeit in der
Wildnis leben. “Nordwestlich von Campbell Island, im Herzen des Great Bear Rainforest, stießen sie bei einer Erkundungsfahrt mit dem Boot auf eine abgeschiedene Pazifikinsel. Sie ist gut zwanzig Kilometer lang und im Schnitt sieben Kilometer breit, durchzogen von mehreren Flüsschen, mit Hinweisen auf die Anwesenheit von Wölfen und Bären.” (Zitat S.20) Auf dieser Insel haben sie sich eine kleine Holzhütte bauen lassen, von welcher aus sie ihre Forschungen anstellen wollen. Da ihre Tante anderweitig noch zu tun hat, beschließen Jana und ihr Onkel mit dem Projekt einfach schon einmal etwas eher zu beginnen. Die Einsamkeit und völlige Abgeschiedenheit der Insel wird auch Jana sicherlich gut tun. “Denn wenn ich einfach so tue, als sei nie etwas geschehen… dann schaffe ich es vielleicht doch noch, über all das hinwegzukommen. Wieder normal zu werden. Anderen offen in die Augen blicken zu können.” (Zitat S.21) Doch von einer seiner Touren mit dem Boot kommt ihr Onkel eines Tages nicht mehr zurück. Und zugleich strandet ein junger Mann auf ihrer Insel, der mit seinem Boot gekentert ist und seine gesamte Survivalausrüstung verloren hat: der 18-jährige Luke. Er wollte einen Film für seinen recht erfolgreichen Youtube-Kanal drehen, hatte extra eine teure Action-Kamera vorne an seinem Boot montiert. Und
nun ist alles weg… Mit Jana und ihrem seltsamen Verhalten kann er nicht viel anfangen, will mit ihren Problemen eigentlich auch gar nichts zu tun haben. Und dennoch — nachdem sich herausgestellt hat, dass Janas Onkel wahrscheinlich etwas passiert sein muss, da er immer noch nicht zurückgekommen ist — müssen die Zwei sich zusammentun und versuchen das Ende der Insel zu erreichen. Denn dort wohnt wohl noch ein Einsiedlerpärchen in der Wildnis, bei dem sie per Satellitentelefon um Hilfe bitten könnten. Aber dazu müssen sie sich ein gutes Stück erst einmal durch die raue Natur kämpfen. “Durch einen relativ offenen Wald spazieren, ist das eine. Doch mit Pflanzen und Tieren auf direkte Tuchfühlung zu gehen, weil man über Stämme klettern und sich durch Büsche zwängen muss, ist etwas ganz anderes. Was immer sich in diesem Gestrüpp verbirgt, mag es klein sein oder groß, satt oder hungrig, giftig oder mit Raubstierinstinkt: Wir werden ihm verdammt nahe kommen! Und dieses Wissen treibt meinen Puls unangenehm in die Höhe.” (Zitat S.104ff) Jana ist alles andere als begeistert. Hat sie den Wald doch bisher immer gemieden. Zudem hat Luke eine gefährliche Verletzung an seinem Arm, die ihm große Schmerzen bereitet. Unweigerlich kommen die beiden sich auf ihrem Trip näher. Doch die Schatten der Vergangenheit lassen sie nicht los. Denn jeder von ihnen hat etwas zu verbergen…
“Das Glück an meinen Fingerspitzen” wartet mit einem wirklich bildhübschen Cover auf und macht bereits neugierig auf den Inhalt. Erzählt wird der Roman abwechselnd aus Janas und aus Lukes Sicht in der jeweiligen Ich-Perspektive. Aber auch eine dritte Sicht — die der Insel, in der ein Erzähler geheimnisvolle Andeutungen macht über den Verbleib des Onkels macht und die Entwicklungen der Natur, ergänzt die zwei Handlungsstränge. Die Charaktere sind schön gezeichnet und gerade, dass man lange Zeit nicht weiß, welche Vorgeschichten die beiden Figuren haben, macht einen besonderen Reiz beim Lesen aus. Immer wieder durchziehen Andeutungen die Handlung, mit denen man nur versuchen kann das Puzzle Stück für Stück zusammenzusetzen. Und je näher Jana und Luke sich kommen, umso mehr droht das Unterdrückte an die Oberfläche zu geraten. Warum hat Jana Flashbacks und Panikattacken? Was ist in jenem Frühjahr passiert, über das sie nicht mehr sprechen will? Ebenso Luke läuft vor irgendetwas weg. Was ist mit seiner Schwester passiert? Warum kann er seiner Zukunft nicht gelassen entgegensehen? Was hält ihn zurück? Die Dramatik steigert sich nicht nur durch die vielen, zunächst unbeantworteten Fragen, sondern auch durch die allmählich entstehenden Anziehung zwischen den beiden. Etwas scheint sich da zwischen ihnen zu entwickeln. Etwas, das Luke mit allen Mitteln zu unterdrücken zu versucht…
Schön fand ich auch die atmosphärischen Schilderungen der Natur des beeindruckenden Kanadas: “Ich liebe die Wildnis. Gemächlich gleitet mein Kanu auf dem breiten Fluss dahin. Eine absolute Stille liegt über Wasser und Wald, über den unsichtbaren Tieren und sogar über mir, dem einzigen Menschen in dieser vollkommenen, beinahe mystischen Landschaft, in er sich alle Sorgen verflüchtigen. Es ist, als gönne die Welt sich und mir eine nebelige Atempause.” (Zitat S.31) Auch Survivalfans kommen in “Das Glück an meinen Fingerspitzen” voll auf ihre Kosten, denn während ihrem Trip erleben die beiden die abenteuerlichsten Dinge und begegnen einigen wilden Tieren. Das Ende: dramatisch, berührend und passend.
Fazit: Eine gelungene, schöne Mischung aus Abenteuer,- Liebesgeschichte und Adoleszenzroman!
Dir gefällt Julie Leuzes Erzählstil? Dann lies noch ihre andere Romane. Für “Sternschnuppenträume” erhielt sie sogar den DeLia-Preis 2014 für den besten deutschen Liebesroman. In diesem Roman und in “Der Geschmack von Sommerregen” findet sich zudem auch relativ viel Erotik wieder. Ebenso so in dem danach folgenden “Herzmuschelsommer”, das in die Bretagne entführt. “Das Glück an meinen Fingerspitzen” ist demnach das erste Mal völlig jugendfrei;-) Du suchst eine schöne Lesealternative? Hier gibt es zwei tolle Vergleichstitel: “Libellensommer” von Antje Babendererde und “Survive: Wenn der Schnee mein Herz berührt” von Alex Morel — beides Liebesgeschichten, die in der Wildnis spielen. Noch etwas abenteuerlicher geht es in “Schatten des Dschungels” von Katja Brandis zu, in welchem sich ein Mädchen alleine durch den Dschungel kämpfen muss oder in “Wolf Moon River” von Rainer Maria Schröder. Richtig klasse sind zudem die Liebesgeschichten “Wir fliegen, wenn wir fallen” von Ava Reed und “Wenn du mich küsst” von Juliane Stone. In letzterem treffen zwei Jugendliche aufeinander, die jeder für sich mit seinen eigenen Problemen zu kämpfen haben und sich schließlich ineinander verlieben.
Bibliografische Angaben:Verlag: Ravensburger ISBN: 978-3-473-40166-6 Erscheinungsdatum: 21.August 2018 Einbandart: Hardcover Preis: 14,99€ Seitenzahl: 320 Übersetzer: - Originaltitel: - Originalverlag: - Originalcover: -
Kasimiras Bewertung:
(5 von 5 möglichen Punkten)
Vielen Dank für diese wundervolle Rezension, die auch noch so toll und passend bebildert ist. Da geht der Autorin — also mir — das Herz auf! :)
Liebe Grüße,
Julie Leuze
Hallo Julie Leuze,
welche ein Freude — sogar ein Kommentar der Autorin;-) Vielen Dank!
Ja, für ein tolles Buch gibt es eben auch eine tolle Rezension:-)
Liebe Grüße zurück sendet
Kasimira