“Der Junge im gestreiften Pyjama” des irischen Autoren John Boyne ist fast schon ein moderner Klassiker, wenn es um das Thema “Holocaust” geht. Ein bemerkenswerter Roman, der den Autor in aller Welt (es wurde in 46 Sprachen übersetzt!) bekannt machte und überall sehr gute Kritiken bekam. Das wahrlich besondere an dem Roman: er erzählt die Geschichte aus der Sicht eines 9‑jährigen Jungen, der den Ernst der Situation um sich herum gar nicht so richtig begreift, ihn seinem Leser aber dadurch unweigerlich umso näher bringt. Ein Roman über das Konzentrationslager in Auschwitz, eine Geschichte über Freundschaft und Menschlichkeit. Intensiv, nachdenklich machend, überaus bewegend! Für Jugendliche ab 12 Jahren und vor allem für Erwachsene.
Bruno ist neun Jahre alt. Er ist klug, höflich und versucht immer ehrlich zu sich zu sein. Er lebt mit seiner Mutter, seinem Vater, einem erfolgreichen Mann, dessen Beruf er sich aber nicht so recht erklären kann und seiner Schwester, die für ihn ein hoffnungsloser Fall ist, in Berlin. Am liebsten rutscht er das Treppengeländer hinunter oder spielt mit seinen drei besten Freunden. Bis der Vater eines Tages seine Arbeitsplatz wechseln und die Familie umziehen muss. Das neue Heim, das sich in einer kargen, trostlosen Landschaft befindet, gefällt Bruno gar nicht. Keine Nachbarhäuser, niemandem zum Spielen. Seltsame große Baracken hinter einem Zaum, in dem viele Menschen leben und arbeiten. Er versucht den Vater zu überzeugen, dass sie doch wieder zurück nach Berlin ziehen sollen. Doch mit diesem Versuch scheitert er. Aus Langeweile beschließt Bruno seiner Lieblingstätigkeit nach zu gehen. Er will schließlich Forscher werden. Also läuft er, obwohl der Vater es verboten hat, am Zaun entlang, eine ganze Stunde lang. Bis er schließlich auf eine Person trifft. Einen Jungen im gestreiften Pyjama…
Wenn man die Hintergründe des Romans nicht kennt, erfährt man wirklich erst deutlich auf Seite 71 in welchem zeitlichen Rahmen “Der Junge im gestreiften Pyjama” spielt. Denn Bruno soll sich auf eine gewisse Weise von seinem Vater verabschieden, als er den Raum verlässt, er sagt “Heil Hitler”, was für ihn gleichbedeutend mit “Na dann, auf Wiedersehen und einen schönen Nachmittag” (Zitat aus “Der Junge im gestreiften Pyjama” S. 71) ist. Auch wenn vorher bereits Satzfetzen erahnen lassen, wo er spielen könnte: “Aus-Wisch?”, fragte Bruno, “Was ist ein Aus-Wisch? […] Was auswischen?” “Das ist der Name des Hauses”, erklärte Gretel, “Aus-Wisch.” […] “Und was bedeutet das?”, fragte er ungehalten, “Was auswischen?” “Na, die Leute, die hier vorher gelebt haben, nehme ich an”, sagte Gretel, “Vermutlich hängt es damit zusammen, dass sie keine gute Arbeit geleistet haben und jemand meinte, weg mit ihnen, holen wir einen Mann her, der es richtig macht.” (Zitat aus “Der Junge im gestreiften Pyjama” Seite 35⁄36). Gerade diese naiv-kindliche Sichtweise mitzuerleben und sich als Leser gleichzeitig auf erschreckende Weise bewusst zu sein, was wirklich dahintersteckt, macht eine besondere Qualität des Buches aus, so dass man stellenweise nicht weiß, ob man lächeln oder das Gesicht verziehen soll. Beispielsweise erklärt Bruno seinem Vater überaus überzeugt von seinem Gedanken, dass dieser doch sicherlich etwas falsch gemacht haben muss gegenüber dem “Furor”, sonst hätte der ihn nicht an solch einen schrecklichen Ort (ohne Freunde und in karger Landschaft) geschickt. Er solle sich bei diesem doch besser entschuldigen.
In Bruno kann man sich sehr gut hineinversetzen und seine kindlichen Gefühle teilen. Die Sprache ist sehr einfach und klar und liefert eine authentische Sichtweise des Neunjährigen. Der Erzählstil ist flüssig und lässt das gerade mal 266 Seiten rasch vorüberfliegen. Jedoch wird das Ende der Geschichte seine Leser erst einmal schockiert zurücklassen. “Der Junge im gestreiften Pyjama” wirkt noch lange nach und ist ein Buch, das man definitiv gelesen haben sollte!
Es schließen sich eine Danksagung und ein Nachwort des Autors an. 2008 wurde der Roman verfilmt. Du kannst dir unten den Trailer zum Film ansehen.
Wenn dir “Der Junge im gestreiften Pyjama” gefallen hat, dann kannst du auch noch die anderen Jugendbücher von John Boyne lesen (chronologisch nach Erscheinen): “Der Schiffsjunge: Die wahre Geschichte der Meuterei auf der Bounty”, “Zu schnell” ( Thema: Schuld), “Der Junge mit dem Herz aus Holz” (eine Parabel über den Trost des Erzählens), “Die unglaublichen Abenteuer des Barnaby Brocket” (Thema: Anderssein), “So fern wie nah” (Thema: Erster Weltkrieg). Eine inhaltliche Alternative zu “Der Junge mit dem gestreiften Pyjama” zu finden ist schwierig, daher eine Empfehlung zu einem ebenfalls außergewöhnlichen Buch über den Nationalsozialismus: “Die Bücherdiebin” von Markus Zusak. Ernste Themen mit kindlicher Leichtigkeit (und Humor) verbindet auch die französische Autorin Marie-Aude Murail. Hier gibt es einen Roman über die Abschiebung einer ausländischen Familie, der sehr berührend geschrieben ist: “Ein Ort wie dieser”.
Bibliografische Angaben: Verlag: Fischer ISBN: 978-3-596-80683-6 Erscheinungsdatum: 6.Februar 2009 Einbandart: Taschenbuch Preis: 7,95€ Seitenzahl: 272 Übersetzer: Brigitte Jakobeit Originaltitel: "The boy with the striped pyjamas" Originalverlag: Definitions (Random House) Englisches Originalcover: Trailer zum Film:
Kasimiras Bewertung:
(5 von 5 möglichen Punkten)
--------------------------------------------------------------------------------- Englisches Cover: Homepage von Random House 2. Bild v. oben (Häftlingskleidung): Konrad Kurzacz Pimke via Wikipedia Commons