“Weg mit Knut!” von dem dänischen Autoren Jesper Wung-Sung ist ein Roman, der sich dem Thema Krebs auf eine ganz andere Art und Weise annähert. Ein Autor, der mit zahlreichen Preisen seines Landes ausgezeichnet wurde und dessen Titel zu den meistgelesenen Büchern in dänischen Schulen gehören. Eine Geschichte über eine Krankheit, über einen besonderen Freund/Feind und den Mut, niemals aufzugeben. Anders, manchmal ein wenig schräg, aber sehr berührend. Für Jugendliche ab 12 Jahren und interessierte Erwachsene.
Eigentlich hat William Angst davor im Dunkeln zu schlafen. Er hat meist ein kleines Lichtchen an. Aber seit Knut da ist, nicht mehr. Mit Knut ist sowieso vieles anders. Eines Tages ist dieser einfach aufgetaucht, kam durch sein Fenster hereinspaziert und hatte einen Zettel dabei, auf dem stand: “Ich heiße Knut. Ich bin nicht wie die anderen. Ich suche einen Ort zum Wohnen.” (Zitat S.11) Zuerst hasste William ihn: “Selbst die größten Superhelden haben einen Erzfeind. Jetzt hatte William seinen gefunden. Das machte ihn seltsamerweise stärker, und seine Stimmung besserte sich. Er hasste Knut aus tiefstem Herzen.” (Zitat S.12) Er dachte sich alle möglichen Arten aus, um Knut loszuwerden und umzubringen: er erstickte ihn mit einem Kopfkissen, ertränkte ihn in der Toilette, stieß ihn vor ein Auto oder überredete ihn, einen Blick in den Mixer zu werfen. Nichts funktionierte. Zuletzt spielte er mit ihm Verstecken und bohrte in die Sporttasche, in der er seinen Widersacher vermutete, lauter Grillspieße hinein (leider befand Knut sich dann doch woanders). Niemand außer William kann Knut sehen. Er versteckt sich immer schnell, wenn jemand kommt. Und er löst zwiespältige Gefühle in William aus: “Wenn es mal ein paar Tage dauert, bis Knut wieder auftaucht, ertappt sich William manchmal dabei, dass er ihn vermisst. Es ist so verrückt. In seiner Gesellschaft verfliegt die Zeit viel schneller. Aber zugleich hofft William auch, dass Knut ein für alle Mal verschwunden bleibt. Wie etwas, das man in die Toilette geworfen und runterspült hat.” (Zitat S.19) Aber dennoch ist Knut auch irgendwie zu Williams Freund geworden. Er hat die verrücktesten Ideen, erzählt merkwürdige Geschichten und ist angeblich über dreitausend Jahre alt. Durch ihn ist er nicht so einsam, fühlt sich nicht so ausgeschlossen und unverstanden. “Es ist peinlich, ich zu sein, denkt William, Ich bin so langweilig. Ich kann mich glücklich schätzen, Knut zu haben.” (Zitat S.34) Das denkt William, obwohl er doch eigentlich genau weiß, wer Knut in Wirklichkeit ist. Denn Knut ist der Krebs, der ihn seit einiger Zeit befallen hat…
“Weg mit Knut!” beginnt mit ein paar klaren Worten: “Es war einmal ein Kind. […] Es heißt William, und in vielerlei Hinsicht ist William ein glücklicher Junge. Er hat Eltern. Er wohnt in einem Haus. Er bekommt jeden Tag Essen. Doch da ist auch noch Knut.” (Zitat S.7) Die Sprache ist schlicht und einfach. Der Anfang startet mit zwei Kapiteln “Das Spiel” (wie William und Knut verstecken spielen) und “Der Gast” (wie Knut durchs Fenster zu ihm kam). Danach folgt der Hauptteil, der vier Monate später einsetzt. Zuerst kommt man als Leser nicht umhin zu glauben, dass Knut ein ganz normaler Freund von William sein könnte. Doch als dieser ihn mit Grillspießen in der Sporttasche erstechen will, merkt man schon, dass hier etwas nicht stimmen kann. Ich muss zugeben, dass der erste Teil des Buches auf mich doch sehr befremdlich und abgefahren gewirkt hat. Knut als Person ist mir einfach total unsympathisch gewesen. Was er für abstruse, verrückte Dinge erzählt, welche Sprüche er von sich gibt und wie er sich William gegenüber verhält. Aber vielleicht muss das auch so sein, bei jemandem, der den Krebs personifiziert: “Es ist nicht immer einfach, ich zu sein”, sagt Knut.[…] “Weil ich der bin, den man auf der Bühne mit faulen Eiern bewirft. Der, den man mit der Mistgabel aus dem Dorf jagt. Weil ich immer und ewig der Abschaum bin. […] Es ist tausendmal leichter, ein verwöhnter, fauler, blassgesichtiger und unwissender Bengel [wie du] zu sein.” (Zitat S.27ff)
Williams Geschichte hingegen liest sich sehr berührend; wie er schildert, was ihm passiert ist: “Williams Krankheit fing damit an, dass er sich müde fühlte. Sehr müde. Wenn er zurückdenkt, war es so, als wäre seine Schultasche immer schwerer geworden — als hätte ihm jemand jeden Tag einen neuen Stein dazugepackt.” (Zitat S.48) Welche Art von Krebs William hat, wird nie explizit erwähnt, aber es wird von einem seltsamen Ziehen in der Magengegend gesprochen und davon, dass er immer mehr zunimmt und Hunger hat, als Nebenwirkung von den Medikamenten: “Es überrascht ihn, wie dick die Wangen sind. Seine Gesichtszüge verschwimmen, weil das Gesicht so aufgedunsen und blass ist. Wäre der Kopf nicht am Hals befestigt, sähe er aus wie ein Ballon.” (Zitat S.37) Vor allem aner belastet es William, dass man ihn nicht mehr normal behandelt und mit Samthandschuhen anfasst. Sein Vater schimpft nicht einmal mit ihm, als er ein verbotenes Videospiel spielt oder als er seine Sporttasche ruiniert hat: “…William denkt an die Zeit, als Knut sein Feind Nr.1 war. Zum Beispiel an den Tag, als er versuchte, ihn mit den Grillspießen in der schwarzen Sporttasche umzubringen. Mama und Papa haben nie ein Wort über die zerstörte Tasche verloren. Sie haben einfach eine neue gekauft. Genau die gleiche.” (Zitat S.29) Nichts sehnlicher wünscht sich William, als dass er normal behandelt wird. Wie ein ganz normaler Junge. Letztendlich ist es jedoch ausgerechnet Knut, der ihm Selbstvertrauen schenkt, der ihn auffordert Dinge zu tun, die er selbst niemals getan hätte. Irgendwie passt es schließlich doch mit den beiden und ich habe das Buch dann doch echt gerne gelesen und war neugierig darauf, wie es ausgeht.
Fazit: Ein zunächst etwas schräg wirkendes Buch, dem man aber auf jeden Fall eine Chance geben sollte!
Jesper Wung-Sung hat noch ein weiteres Buch im Deutschen veröffentlicht: “Opfer” über eine Schule, die aufgrund einer Epidemie plötzlich unter Quarantäne gestellt wird. Über das Thema Krebs gibt es im Jugendbuch natürlich viele Bücher: (Moderne) Klassiker wie zum Beispiel “Bevor ich sterbe” von Jenny Downham und natürlich “Das Schicksal ist ein mieser Verräter” von John Green, das einen wahren Hype in der Literaturbranche ausgelöst hat und viele Krebs/-und Krankheitsgeschichten folgen ließ. Eines, das ebenso von einem Jungen erzählt wird, der Krebs hat, und das ich zuletzt sehr berührend fand, ist “Die wirkliche Wahrheit” von Dan Gemeinhart. Oder lies “Krebsmeisterschaft für Anfänger” von Edward van de Vendel, das auf der wahren Geschichte eines 15-jährigen Jungen beruht. Ebenfalls etwas abgefahren und aus der Sicht eines Jungen erzählt werden: “Butter” von Erin Jade Lange und “Der zweite Kopf des Richard Westlake” von Andy Mulligan. Oder greif zu “Sieben Minuten nach Mitternacht” von Siobhan Dowd und Patrick Ness, das auch auf eine ganze andere, unerwartete Art erzählt wird.
Bibliografische Angaben:Verlag: Hanser ISBN: 978-3-446-25495-4 Erscheinungsdatum: 30.Januar 2017 Einbandart: Hardcover Preis: 15,00€ Seitenzahl: 224 Übersetzer: Friederike Buchinger Originaltitel: "Ud med Knut" Originalverlag: Høst Dänisches Originalcover:
![]()
Kasimiras Bewertung:
(4 von 5 möglichen Punkten)
----------------------------------------------- Dänisches Cover: Homepage von Jesper Wung-Sung