“Goldmädchen” ist ein Roman der amerikanischen Autorin Jennifer Iacopelli, die selbst ein großer Turnfan ist und bereits über die olympischen Spiele in Rio berichtete. Sie erzählt die Geschichte eines jungen Mädchens, die eine begnadete Turnerin ist und die große Chance erhält an den olympischen Spielen teilzunehmen. Doch alles gerät durcheinander als ihr Coach eine Anzeige wegen sexuellen Missbrauchs erhält. Ein wirklich herausragendes Buch — unterhaltsam, mitreißend und dramatisch. In die Welt der Turnerinnen einzutauchen liest sich höchst faszinierend! Ganz klare Leseempfehlung!! Für Jugendliche ab 13 Jahren und Erwachsene.
Die 17-jährige Audrey ist Turnerin. Beherrscht vor allem den Barren perfekt. Ebenso wie ihre beste Freundin Emma. “Emma ist eine großartige Turnerin, aber selbst an ihren besten Tagen ist sie am Barren nicht besser als ich. Dafür ist sie sonst in allem besser als ich, was die eine Sache mehr als ausgleicht. Wir trainieren zusammen, seit unsere Mütter uns im Alter von drei Jahren zum Mutter-Kind-Turnen angemeldet haben.” (Zitat aus “Goldmädchen” S.6). Jetzt haben die beiden es geschafft sich mit ihrem Team für Olympia zu qualifizieren! Eine sagenhafte Chance. Vor allem für Audrey. Und es wird ihre letzte sein. Denn sie hatte bereits einen Bandscheibenvorfall. Hat oft Schmerzen, die sie vor den anderen verbirgt. Besonders vor ihrem Coach. “Eine nach der anderen gehen wir an den Sprungtisch, den Schwebebalken, den Stufenbarren oder auf die Bodenfläche und zeigen unsere Küren, während das Publikum den Atem anhält. Den Atem anhält wie ich. Würde ich es nicht tun, könnte alles zu viel werden, und niemand darf merken, wie sehr mein Rücken schmerzt. Schon gar nicht er. Trainer Gibson” (Zitat S.5) Die Ärzte haben ihr bereits geraten aufzuhören. Doch das konnte sich Audrey nicht vorstellen. Schließlich haben sie sich auf einen Kompromiss geeinigt. Sie wird mit dem Turnen nach Olympia aufhören. Coach Gibson jedoch ist streng und unbarmherzig. Er sucht nach ihren Schwächen, übt Druck aus. Dass Audrey es überhaupt ins Olympia-Team geschafft hat, ist unglaublich. Aber dann überschlagen sich plötzlich die Ereignisse. Ein Mädchen aus ihrer Gruppe wird des Dopings bezichtigt und fliegt aus dem Team. Kurz danach wird Coach Gibson auf einmal vom FBI festgenommen. Er soll selbiges Mädchen sexuell missbraucht und den Doping-Test gefälscht haben! Bald wird das ganze Trainerteam vom olympischen Komitee ausgeschlossen. Aber wer soll die Mädchen denn jetzt auf Olympia vorbereiten? Doch auch innerhalb des Mädchenteams kommt es bald zu großen Spannungen…
Das Cover ist wirklich ein Hingucker. Grafisch perfekt zum Inhalt des Buches gestaltet (abgesehen davon, dass die Hauptfigur eine Farbige ist, eine Amerikanerin mit koreanischen Wurzeln). Wenn man das Cover dreht, erkennt man, dass das Mädchen eigentlich auf den Kopf gestellt wurde und sich im Handstand mit gespreizten Beinen befindet. Was das Gefühl der Protagonistin, als alles aus den Fugen gerät, perfekt widergibt: “Es fühlt sich an, als hätte sich die Welt um 180 Grad gedreht, als ich gerade im Handstand war und als müsste ich die Fingernägel mit aller Kraft in die Erde bohren, um nicht zu fallen.” (Zitat S.105ff) Eine klasse Bildsprache! Erzählt wird “Goldmädchen” durchgehend aus Audreys Sicht in der Ich-Perspektive. In ihre Welt einzutauchen liest sich höchst unterhaltsam. Wie anstrengend der sportliche Alltag für sie und die anderen Mädchen ist, wird gleich zu Beginn nach einem Wettkampf ersichtlich: “Die anderen Mädchen sind ebenfalls mit ihren Interviews fertig. Einige umarmen noch ihre Eltern, aber die meisten wollen so schnell wie möglich zu ihrer Behandlung — Massage, Wärme, Eis -, die die Schmerzen für den Rest des Tages in
erträglichen Grenzen halten wird.” (Zitat S.25) Doch Audrey gibt nicht auf, versucht trotz ihrer Verletzung vor einiger Zeit — ihrem Bandscheibenvorfall — keine Schwäche zu zeigen. Wie sie über sich hinauswächst, wie sie immer wieder um ihren Traum, an Olympia teilzunehmen, kämpft, ist äußerst bewegend mitzuverfolgen. “…dann kommt meine erste Saltokombination, ein getreckter Vorwärtssalto mit zweieinhalb Schrauben und gleich im Anschluss ein Schraubsalto, die Hölle für meinen Rücken. […] “Ich kann deine Verbindung zur Musik nicht sehen, Audrey. Zeig sie mir!”, fordert Pauline. Am liebsten würde ich die Augen verdrehen. Es ist schwer eine emotionale Verbindung zur Musik zu zeigen, wenn der Rücken so weh tut wie meiner, trotzdem versuche ich es.” (Zitat S.59) Gerade auch die Wettkämpfe mitzuerleben, ihre Übungen an Barren, Schwebebalken, Sprungturm und auf dem Boden (sich kurze Videos anschauen, wie so etwas aussehen kann, lohnt sich;-) siehe unten) erzeugt enorme Spannung. Selbst wenn man nicht wirklich eine Ahnung vom Kunstturnen, von Wettkämpfen und Olympia hat, Jennifer Iacopelli beschreibt all das so bildlich und gut vorstellbar, dass man abgesehen von ein paar Fachbegriffen dem Ganzen sehr gut folgen kann und es
unfassbar fesselnd ist die Punktebewertungen abzuwarten und zu sehen, wie weit Audrey kommen wird. Auch eine kleine (verbotene) Liebesgeschichte ist in “Goldmädchen” eingebunden, da Audrey dem Sohn ihrer Trainerin näher kommt: “Es ist Leo Adams, der Sohn von Janet Dorsey-Adams und Junior-Weltmeister im Snowboarden. Seine Mutter hat ihn immer zu Wettkämpfen mitgeschleppt, als wir klein waren. Wir sind online befreundet, aber im echten Leben habe ich ihn seit Jahren nicht mehr gesehen.” (Zitat S.13). Das Thema Missbrauch wird nicht allzu intensiv behandelt, Schilderungen dieser Handlungen werden gar nicht näher erwähnt, daher ist “Goldmädchen” auch für Leser*innen ab 13 Jahren bereits geeignet. Dieser Roman hat für mich alles, was ein wirklich gutes Buch braucht: eine starke Hauptfigur, ein faszinierendes Setting, einen Tick Romantik und jede Menge Frauenpower! Dazu setzt es ein Zeichen gegen Gewalt an Frauen (#metoo), für Solidarität, für Teamgeist und an seine Träume zu glauben! Eine Geschichte, die mich vereinnahmt, beeindruckt und emotional mitgerissen hat. Das Ende ist genau passend.
Dir gefällt Jennifer Iacopellis Schreibstil? Im Englischen gibt es bereits weitere Bücher von ihr. Im Deutschen ist “Goldmädchen” bisher ihr erster Roman, dem hoffentlich bald noch mehr folgen wird. Zwei Olympia-Romane, die ich wirklich empfehlen kann sind “Freestyler” von Katja Brandis, welches wirklich sehr fesselnd geschrieben ist und ein Olympia in der Zukunft zeigt und “Broken: Der Moment, in dem du fällst” von Tabitha Suzuma. Letzteres setzt vor allem das Thema Missbrauch in den Vordergrund, noch viel stärker als “Goldmädchen”, das diese Thematik zwar erwähnt, aber nicht genau schildert. Olympia spielt auch eine Rolle in dem Roman “Lou und ihr Männerballett” von Nat Luurtsema.
Bibliografische Angaben:Verlag: Dragonfly ISBN: 978-3-7488-0032-3 Erscheinungsdatum: 22.Juni 2021 Einbandart: Hardcover Preis: 18,00€ Seitenzahl: 320 Übersetzer: Maren Illinger Originaltitel: "Break the fall" Originalverlag: Razorbill Amerikanisches Originalcover:
Trailer zum Buch (auf Englisch:)
Beispiel Geräteturnen Mehrkampf Frauen:
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