Die in Deutschland zwar geborene, aber in Amerika lebende Autorin Jenn Bennett hat mit “Unter dem Zelt der Sterne” bereits ihren vierten Roman veröffentlicht. Eine Sommergeschichte, ein Liebesroman und ein Survivaltrip zugleich, der zwei Jugendliche aus zwei verfeindeten Familien in der Wildnis aufeinandertreffen lässt. Eine wunderbare, rund herum gelungene Geschichte, die Spaß zu lesen macht! Jetzt neu als Taschenbuch erschienen. Für Jugendliche ab 14 Jahren und interessierte Erwachsene.
Die 17-jährige Zorie liebt einen durchstrukturierten, perfekt geplanten Alltag. “Spontanität wird überbewertet. […] Hat man das erst mal kapiert, wird das Leben einfacher. So war das bei mir jedenfalls. Ich plane alles bis ins letzte Detail” (Zitat aus “Unter dem Zelt der Sterne” S.11) Auch für die letzten drei Wochen der Sommerferien hat sie bereits einen 3‑Punkte-Plan gefasst: 1.) sie will als Rezeptionistin in der Wellness-Oase ihrer Eltern arbeiten, die dort Massage und Akupunktur anbieten 2.) als große Astronomie-Liebhaberin will sie mit ihrem Astronomie-Club einen demnächst bevorstehenden Perseiden-Meteorstrom fotografieren 3.) der Familie Mackenzie möglichst nicht begegnen. Letztere besteht aus Lennon, Zories ehemals bestem Freund, und seinen beiden Müttern Sunny und Jane. Diese haben einen Sexshop eröffnet, ausgerechnet im Haus neben Zories Eltern und vertreiben seitdem mit der alleinigen Anwesenheit dieses Ladens viele der Stammkunden der Wellness-Oase. “Nicht zum ersten Mal bedauere ich, dass mein Vater mit den zwei Frauen im Clinch liegt. Vor nicht allzu langer Zeit haben sie sich wie meine zweite Familie angefühlt.” (Zitat S.23) Doch seitdem ist viel passiert und Zorie und Lennon reden nicht mehr miteinander. Denn irgendwann sind sie sich näher gekommen und das ging nicht wirklich gut aus: “…beim einzigen Mal, als unsere ehemalige Freundschaft gewagt hat, den kleinen Zeh über die Linie zu setzen — eine Phase, die wir das Große Experiment tauften -, habe ich mir bei der Homecoming-Party die Augen ausgeheult und mich gefragt, was schiefgelaufen ist. Ich
habe es nie herausgefunden.” (Zitat S.27) Deshalb hat sie jetzt erst mal genug von der Familie Mackenzie. Als Zorie jedoch etwas völlig Unerwartetes über ihre eigene Familie herausfindet — “Mein Magen tut weh. Mein Herz tut weh. Die ganze Sache ist falsch, falsch, falsch.” (Zitat S.33) — kommt ihr der Vorschlag ihrer Mutter gerade recht mit ihrer Schulfreundin Reagan und ein paar anderen zelten zu gehen. Raus aus alledem. Weg von Zuhause. Aber dann stellt sich heraus, dass einer der Freunde, die ebenfalls auf dem Trip dabei sind, niemand anderer als ausgerechnet ihr Nachbar Lennon ist…
Ein wirklich schönes Cover hat sich der Carlsen Verlag bei diesem Buch gestalterisch einfallen lassen. Ein Titelbild, das Lust auf Abenteuer macht, eine Liebesgeschichte bereits andeutet und auch die Sterne des Nachthimmels nicht außen vorlässt. Der Roman wird durchgängig in der Ich-Perspektive aus Zories Sicht erzählt und offenbart — und das ist sehr gelungen — Charaktere mit Ecken und Kanten. Außergewöhnliche Menschen, die in kein 0–8‑15-Schema zu pressen sind. Da ist zum einen Zorie mit ihrem knallfarbigen Brillengestell, Nagellack und Lippenstift; die auf Karomuster abfährt, Astronomie liebt und eine pedantische Planerin ist. Und da ist Lennon, dessen Vater ein Rockstar war und der nun mit seiner lesbischen Mutter und deren Freundin zusammenlebt, die auch noch einen Sexshop zusammen eröffnet haben. Der sich im Gothic Stil kleidet und Schlangen und andere Reptilien in seinem Zimmer hält. Was zwischen ihnen genau passiert ist, dem spürt man in “Unter dem Zelt der Sterne” erst langsam nach. Gerade diese Kombination aus zwischen
menschlichem, allmählichen Entdecken und fesselnden Überlebenskämpfen in der Wildnis hat mir außerordentlich gut gefallen. Der Roman ist spannend, an manchen Stellen höchst emotional und mit besonderer Klugheit erzählt, die auch die Protagonistin am Ende eine glaubwürdige Entwicklung durchmachen lässt und zeigt, dass sich im Leben nicht immer alles planen lässt, man manchmal einfach loslassen muss. Dazu unterhaltsame Dialoge, eine angenehme Ironie und immer wieder handgezeichnete Karten, die Streckenabschnitte des Buches darstellen — ein schönes Gesamtpaket!
Fazit: Für Sternengucker, Outdoorfans, Liebesromanleser und alle anderen, die einfach gut unterhalten werden möchten — Prädikat: lohnt sich!
Dir gefällt “Unter dem Zelt der Sterne”? Dann greif noch zu den anderen zwei Romane von Jenn Bennett, die bisher im Deutschen erschienen sind und komplett eigenständige Geschichten sind: “Die Anatomie der Nacht”, “Annähernd Alex” und “Wiedersehen mit Lucky”. Eine schöne Leseralternative ist auch “Das Glück an meinen Fingerspitzen” von Julie Leuze, in dem zwei Jugendliche ums Überleben in der Wildnis kämpfen und sich ineinander verlieben. Zwei weitere Liebesgeschichten, die in der Wildnis spielen, sind “Libellensommer” von Antje Babendererde (romantisch!) und “Survive: Wenn der Schnee mein Herz berührt” von Alex Morel. Klasse fand ich zudem den Selbstfindungstrip “Offline ist es nass, wenn’s regnet” von Jessi Kirby, deren Protagonistin sich auf einer Wanderung ebenso verliebt. Der ehemals beste Freund, der plötzlich wieder in das Leben der Hauptfigur tritt, nachdem er einige Zeit weg war, das passiert auch in folgenden, sehr gelungen geschriebenen Büchern: “Lass mich nicht los” von Sarah Alderson, “Der Sommer, als du wiederkamst” von Emily Martin, “Das tiefe Blau der Worte” von Cath Crowley und in “Nichts ist gut. Ohne dich” von Lea Coplin.
Bibliografische Angaben:Verlag: Carlsen ISBN: 978-3-551-32017-9 Erscheinungsdatum: 24.Februar 2022 Einbandart: Taschenbuch Preis: 10,00€ Seitenzahl: 400 Übersetzer: Claudia Max Originaltitel: "Starry eyes" Originalverlag: Simon Pulse Amerikanisches Originalcover:
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