“Mein Herz und andere schwarze Löcher” der amerikanischen Autorin Jasmine Warga setzt sich mit einem ernsten Thema auseinander: Dem Plan zweier Jugendlicher, freiwillig den Tod zu suchen. Überrascht werden sie von der Liebe und der Sehnsucht nach dem Leben. Bewegend, romantisch, traurig und hoffnungsvoll zugleich! Nun neu als Taschenbuch erschienen. Für Jugendliche ab 14 Jahren und Erwachsene.
Aysel ist 16 Jahre alt. Sie liebt klassische Musik und begeistert sich für Physik. Sie ist Türkin und lebt in einem kleinen Ort in Kentucky, wobei ihre Mutter im Gegensatz zu ihrem Vater ihre Wurzeln eher verleugnet. Vor einiger Zeit hat sie noch unter der Woche bei ihrem Vater und nur am Wochenende bei ihrer Mutter gelebt. Doch nun muss sie dauerhaft bei der neuen Familie ihrer Mutter und ihren zwei Halbgeschwistern wohnen. Denn ihr Vater sitzt im Gefängnis. Er hat etwas Schreckliches getan und Aysel hat größte Angst, eines Tages so zu werden wie er. Denn in ihr ist so eine große Traurigkeit. Ein schwarze Qualle, die ihr trübsinnige Gedanken schickt und all ihre Tränen schluckt. Geweint, das hat sie das letzte Mal mit 10.
“Manchmal frage ich, ob mein Herz wie ein schwarzes Loch ist — eine Masse, so dicht, dass dort kein Raum für Licht bleibt. Aber das heißt trotzdem nicht, dass das schwarze Loch mich nicht aufsaugen kann.” (Zitat aus “Mein Herz und andere schwarze Löcher”, S.156).
In der Schule wird sie behandelt wie eine Aussätzige. Freunde hat Aysel keine mehr. Die Tat ihres Vaters ist überall präsent. Und deshalb hat Aysel jetzt beschlossen sich das Leben zu nehmen. Nur alleine, das traut sie sich nicht. Im Internet trifft sie auf FrozenRobot, der eigentlich Roman heißt und ganz in ihrer Nähe wohnt. Vorsichtiges Beschnuppern, ein paar erste Treffen folgen, dann wird klar, sie werden es gemeinsam tun. Sie werden von einer Klippe springen am 7.April, dem Todestag von Romans Schwester, für deren Tod er sich verantwortlich fühlt.
“Ich schaukle immer höher. Die Schaukel ächzt. “Sei vorsichtig”, sagt er. “Warum?” Ich denke nicht daran, vorsichtig zu sein. Ich will noch ein letztes Mal ausholen, dann will ich loslassen, fliegen, fallen. “Du darfst nicht ohne mich sterben”, flüstert er.” (Zitat, S.123)
Der Tag rückt näher und näher. Doch auch Aysel und Roman kommen sich näher. Und dann weiß Aysel plötzlich, dass sie nicht ausführen kann, was sie geplant haben. Sie kann nicht sterben. Sie will nicht sterben.
“Für mich ist Roman nicht mehr FrozenRobot, mein Selbstmordpartner aus dem Internet. Er ist Roman, der Junge, der mich auf dem Campingplatz geküsst und mich die ganze Nacht in seinen Armen gehalten hat. Für mich hat sich etwas verändert. Ziemlich grundlegend sogar. Er ist nicht mehr der Mensch, mit dem ich sterben möchte; er ist der Mensch, mit dem ich leben will.”
Doch wie kann sie Roman überzeugen, weiterzuleben? Kann sie ihn überhaupt aufhalten? Der 7.April rückt näher und näher…
“Mein Herz und andere schwarze Löcher” wird durchgängig aus Aysels Perspektive erzählt und ist in Kapitel eingeteilt, die mit dem Datum und einem “noch 26 Tage” beginnt. Ein Countdown wird heruntergezählt und steigert sie Spannung gegen Ende zunehmend. Über dem Buch schweben zwei große Fragen: werden sie sich wirklich das Leben nehmen? Und vor allem: was hat Aysels Vater getan? Was sind die Hintergründe seiner Tat? Denn Aysel hat Angst Roman von ihrem Vater zu erzählen und hält sich bedeckt, was den Grund ihres Suizidwunsches betrifft. Was, wenn er sie dann auch so behandelt, wie alle anderen sie behandeln?
Der Beginn des Romans erscheint sehr traurig, während Aysel mit sehr viel Selbstironie ihr grausames Schicksal herbeisehnt und ihr beispielsweise klar ist, dass sie ein geplantes Schulprojekt niemals mehr abgeben wir oder das Auto mit ihrer Schwester glücklicherweise niemals teilen muss, weil sie tot sein wird, ehe diese den Führerschein gemacht hat. Man fühlt ihre Traurigkeit, ihre Verzweiflung, ihre Ängste überaus deutlich.
“Ja, ich bin kaputt. Und er genauso. Aber je mehr wir darüber sprechen, je mehr wir über unsere Traurigkeit reden, desto mehr wage ich zu glauben, dass es eine Möglichkeiten geben könnte, uns zu helfen und uns zu reparieren. Eine Möglichkeit, dass wir einander retten.” (Zitat S.290)
Und gleichzeitig verliert man nicht die Hoffnung, dass alles gut ausgeht. Dass Aysel es zurück ins Leben schafft und Roman mit sich nimmt. Eine interessante Botschaft ist in “Mein Herz und andere schwarze Löcher” enthalten: dass man durch die Liebe eines anderen Menschen lernen kann sich durch die Augen des anderen wahrzunehmen und dass einen andere meist viel positiver sehen, als man selbst sich sieht. Auch der Bezug zur Physik, zur Relativitätstheorie, zu den schwarzen Löchern, den Aysel immer wieder zieht, hat mir sehr gut gefallen.
Fazit: Ein lesenswertes Jugendbuch!
Einen gemeinsamen Plan sich das Leben zu nehmen, haben auch die Hauptfiguren in “Für niemand” von Tobias Elsäßer” Hier sind es drei Jugendliche, die sich im Internet zum Suizid verabreden. Eine passende Alternative ist auch “Zehn Gründe, die todsicher fürs Leben sprechen” von Albert Borris, in dem vier Jugendliche einen Roadtrip unternehmen, um sich am Ende gemeinsam umzubringen. Ein Roman, in den auch eine Liebesgeschichte integriert ist, ist “Survive: Wenn der Schnee mein Herz berührt” von Alex Morel. Hier stürzt die Hauptperson, die sich auf einer Flugzeugtoilette mit Schlaftabletten ins Jenseits befördern will, mit ihrem Flieger ab und kämpft sich mit einem Jungen durch die Rocky Mountains. Hierbei entdeckt sie ihren Lebenswillen wieder und die Liebe. Das Herunterzählen eines Countdowns findet sich auch in “By the time you read this, I’ll be dead” von Julie Anne Peters.
Bibliografische Angaben:Verlag: Fischer Sauerländer ISBN: 978-3-7335-0051-1 Erscheinungsdatum: 8.Dezember 2016 Einbandart: Taschenbuch Preis: 9,99€ Seitenzahl: 384 Übersetzer: Adelheid Zöfel Originaltitel: "My heart and other black holes" Originalverlag: Balzer + Bray Amerikanisches Originalcover:
Trailer zum Buch:
Kasimiras Bewertung:
(5 von 5 möglichen Punkten)
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Amerikanisches Cover: Homepage von Jasmine Warga