Isabel Abedi — Die längste Nacht

Isabel Abedi Die längste Nacht8.April 2016

Die längs­te Nacht” von der deut­schen Autorin Isa­bel Abe­di ist eines der Buch­ereig­nis­se des Früh­jahrs 2016! Neun Jah­re ist es her, dass die Autorin ein Jugend­buch ver­öf­fent­lich hat. Nun gibt es ENDLICH wie­der neu­es Lese­fut­ter. Dar­auf haben vie­le gewar­tet: Eine Geschich­te über ein geheim­nis­vol­les Manu­skript, über eine Rei­se in die Ver­gan­gen­heit und die einer gro­ßen Lie­be. Fes­selnd. Atmo­sphä­risch. Bril­lant. Von einer Meis­te­rin des Erzäh­lens. Für Jugend­li­che ab 14 Jah­ren und Erwachsene.

Die 17-jäh­ri­ge Vik­to­ria, genannt Vita, ent­flieht ihrem Eltern­haus für gan­ze neun Mona­te. Ihrem Vater, sei­nes Zei­chens Ver­le­ger und einem intel­lek­tu­el­len Mann und ihrer Mut­ter, die in ihrer ganz eige­nen struk­tu­rier­ten, gefühls­er­kal­te­ten Welt lebt, in die sie sich seit dem Tod von Vitas älte­ren Schwes­ter zurück­ge­zo­gen hat. Nicht ein­mal rich­tig ver­ab­schie­det hat sie sich von ihrer Toch­ter: “Anstatt mich anzu­se­hen, starr­te mei­ne Mut­ter auf die Asche mei­ner toten Schwes­ter, und die­ser Anblick war so grau­en­haft, dass ich schrei­en woll­te. Aber es kam kein Laut aus mei­ner Keh­le, wie immer, wenn es um mei­ne Schwes­ter ging. Stumm mach­te ich einen Schritt auf mei­ne Mut­ter zu, es war nur eine win­zi­ge Bewe­gung, die mich eine unge­heu­re Kraft kos­te­te. Doch mei­ne Mut­ter erhob die Isabel Abedi Die längste NachtHand, fast panisch, als sei ihr ein wil­des Tier auf den Fer­sen, und noch immer, ohne sich zu mir umzu­dre­hen.” (Zitat aus “Die längs­te Nacht” S.37) Doch nun ist Vita auf Euro­pa-Rei­se. Mit ihren bes­ten Freun­den, die zugleich ein Paar sind: Tri­xie und Dani­lo. Gera­de haben sie das Abitur bestan­den und jetzt fah­ren sie mit ihrem VW-Bus Rich­tung Ita­li­en. Jetzt kann Vita erst ein­mal ver­ges­sen. Wie selt­sam ihr Vater in der letz­ten Zeit war, als sie ihn eines Nachts beim Lesen eines Manu­skripts in sei­nem Arbeits­zim­mer über­rasch­te und er sie aus die­sem ohne wei­te­re Erklä­run­gen hin­aus­schmiss. Was hat ihn an die­sem Papie­ren so auf­ge­wühlt? Zufäl­lig hat Vita vor ihrer Abrei­se her­aus­ge­fun­den, dass das noch unvoll­ende­te Manu­skript von dem Best­sel­ler­au­tor Sol She­pard stammt. Der nor­ma­ler­wei­se ganz ande­re Geschich­ten erzählt. “Der Roman soll welt­weit erschei­nen und wur­de jetzt auch uns ange­bo­ten. Die Namen sind alle geän­dert, aber dass es die Geschich­te aus Via­gel­lo ist, scheint mir unmiss­ver­ständ­lich. Wie sehr ich mir wün­sche, dass ich mich irre.” (Zitat S.18) Die­ses Schrei­ben von einem befreun­de­ten Lek­tor lag dem Manu­skript bei, das Vita in sei­nem Arbeits­zim­mer ent­deck­te. Es gelang ihr sogar ein paar Zei­len des Werks zu lesen, die sie selt­sam berühr­ten. Umso über­rasch­ter ist sie nun auf ihrer Tour durch Euro­pa in der Nähe eines Klos­ters, das Dani­lo unbe­dingt besu­chen möch­te, auf der Land­kar­te das Städt­chen Via­gel­lo zu ent­de­cken. Vita, die ihren Freun­den von dem Roman von Sol She­pard erzählt hat, beschließt einen kur­zen Abste­cher dort­hin zu machen. Dort Isabel Abedi Die längste Nachtlernt sie zufäl­lig Luca ken­nen, der über den Häu­ser auf einem Seil balan­ciert. Er lädt sie ein, ihren VW-Bus auf sei­nem Grund­stück abzu­stel­len, auf dem er in einem Bau­wa­gen nahe des Grund­stücks sei­ner Eltern lebt. Eine selt­sa­me Anzie­hungs­kraft geht von ihm aus. Doch ein Abend­essen bei Lucas Eltern ändert alles, als Vita erzählt, wer ihr Vater ist. “Nein”, hör­te ich Anto­nio [Lucas Vater] sagen mit einer Stim­me, die so schnei­dend kalt war, dass mei­ne Ein­ge­wei­de gefro­ren. […] “Sag, dass das nicht wahr ist!”, schrie er mir ins Gesicht. “Du wür­dest das nicht tun. Nicht auf die­se Wei­se. Nicht nach all den Jah­ren. Sag, dass du es nicht bist!” (Zitat S.121). Völ­lig ver­stört kann Vita nur das Wei­te suchen. War sie frü­her tat­säch­lich ein­mal in Via­gel­lo, wie Lucas älte­rer Bru­der behaup­tet? War­um haben ihre Eltern ihr nie davon erzählt? Und was ver­dammt noch mal ist damals gesche­hen, das man ihr nun mit solch einer Feind­se­lig­keit begegnet? 

Isa­bel Abe­di ist ein­fach — und das möch­te ich mei­ner Rezen­si­on nun noch­mals vor­ne her­an­stel­len — eine begna­de­te Erzäh­le­rin. Sie spinnt ihre Geschich­te mit einer gera­de­zu magi­schen Fabu­lier­kunst und zieht ihre Leser schnell in einen Sog. Vor allem Ita­li­en und das klei­ne, fik­ti­ve Städt­chen Via­gel­lo bringt sie einem in atmo­sphä­ri­schen Beschrei­bun­gen so nahe, dass man tat­säch­lich ein wenig Rei­se­sehn­sucht ent­wi­ckelt. Der Roman wird fast durch­ge­hend aus Vitas Per­spek­ti­ve geschil­dert. Vita, die die Geschich­te mit vie­len Andeu­tun­gen vor allem für ihre Schwes­ter erzählt: “Ich bin kei­ne Schrift­stel­le­rin […] ich will nur mei­ne Geschich­te erzäh­len — aus mei­ner Per­spek­ti­ve, mei­nem Blick­win­kel. Ich will die Isabel Abedi Die längste NachtWahr­heit erzäh­len, sie los­wer­den und gleich­zei­tig fest­hal­ten, auch für mei­nen Schwes­ter. Ja, viel­leicht schrei­be ich all das vor allem für Livia…” (Zitat S.9ff) Man kann sich in Vita — in ihre Gedan­ken- und Gefühls­welt — sehr gut hin­ein­ver­set­zen. Sie ist ein sehr sym­pa­thi­scher Cha­rak­ter. Ein paar merk­wür­di­ge Bege­ben­hei­ten las­sen den Leser bereits zu Anfang mun­ter mit rät­seln. War­um hat Vita Angst vor allem, was fällt? “Ich selbst hat­te kein Pro­blem damit, auf Lei­tern oder Gerüs­te zu klet­tern, aber einen ande­ren Men­schen vom Zehn­me­ter­brett sprin­gen zu sehen, konn­te einen Asth­ma­an­fall bei mir aus­lö­sen, und wenn ein rei­fer Apfel vom Baum plumps­te, schnür­te sich mei­ne Keh­le zu.” (Zitat S.9). Und war­um träumt sie immer wie­der von einem Mäd­chen ohne Mund, das in einem Brun­nen­schacht fest­steckt? Vie­le klei­ne Details — auch die zwi­schen ein­ge­scho­be­nen Bemer­kun­gen des Autoren des Manu­skriptslas­sen die Geschich­te sehr geheim­nis­voll erschei­nen und drän­gen danach end­lich zu erfah­ren, was in jener längs­ten Nacht damals gesche­hen ist. Die­se Fra­ge hält die Span­nung in dem Buch auf­recht und lässt einen gera­de­zu über die Sei­ten des immer­hin 408-Sei­ten-dicken Schmö­kers flie­gen. Dazu die sich lang­sam anbah­nen­de Lie­bes­ge­schich­te zwi­schen Vita und Luca — ein wah­res Lese­ver­gnü­gen! Sehr gut gefal­len hat mir auch das fili­gran gestal­te Cover, selbst der Buch­ein­band unter dem Schutz­um­schlag (mit dem aus­ge­stanz­ten Gesicht) ist ein Hin­gu­cker. Auch wenn das Cover in sei­ner Gestal­tung von den ande­ren vor­her­ge­hen­den Roma­nen etwas abweicht, muss ich trotz­dem sagen — lie­ber Are­na-Ver­lag, da habt ihr euch echt etwas Schö­nes ein­fal­len las­sen:-) Das Ende des Buches: ein dra­ma­ti­scher Paukenschlag!

Fazit: Eine Roman zum Abtau­chen, Mit­fie­bern, Mit­füh­len — ganz gro­ße Klas­se! Am bes­ten eine “lan­ge Nacht” dafür reservieren.

Wenn dir Isa­bel Abe­dis Erzähl­stil gefällt, kannst du auch noch ihre Lesealternativenande­ren Bücher lesen, sor­tiert chro­no­lo­gisch nach Erschei­nungs­da­tum: “Ima­go” (2004), “Whisper” (2005), Iso­la” (2007) und “Luci­an” (2009). Eine inhalt­lich sehr gute Alter­na­ti­ve zu “Die längs­te Nacht” ist “Schat­ten­grund” von Eli­sa­beth Herr­mann, in dem die eben­so 17-jäh­ri­ge Haupt­fi­gur in ein Dorf zurück­reist, in wel­chem sich in ihrer Kind­heit etwas Furcht­ba­res ereig­net hat, wor­an sie sich erst nach und nach erin­nern kann. Auch ver­bun­den mit einer Lie­bes­ge­schich­te. Wenn du zwei neue, deut­sche Autorin­nen ent­de­cken möch­test, die wohl am ehes­ten in eini­gen DIn­gen mit Isa­bel Abe­di zu ver­glei­chen sind, dann lies etwas von Ant­je Baben­der­erde (ihre Span­nungs­ro­ma­ne z.B. “Ise­grim” oder ihre Neu­heit “Der Kuss des Raben”) oder von Anto­nia Michae­lis, die vor allem durch ihre beson­de­re Spra­che zu über­zeu­gen weiß (z.B. ihren Erfolgs­ro­man “Der Mär­chen­er­zäh­ler” oder “Solan­ge die Nach­ti­gall singt”).

Bibliografische Angaben:
Schilder was wo wer wannVerlag: Arena
ISBN: 978-3-401-06189-4
Erscheinungsdatum: 10.März 2016
Einbandart: Hardcover
Preis: 19,99€
Seitenzahl: 408
Übersetzer: -
Originaltitel: -
Originalverlag: -
Originalcover: -

Trailer zum Buch:

Kasimiras Bewertung:

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(5 von 5 mög­li­chen Punkten)

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