“Im Zweifel tue nichts” ist das Debüt der australischen Autorin Fleur Ferris. Ein Roman über das Verschwinden eines Mädchens, Freundschaft, Schuld und die Gefahren des anonymen Internets. Eine sich langsam aufbauende Geschichte, die nachdenklich und betroffen macht. Für Jugendliche ab 14 Jahren und interessierte Erwachsene.
Melbourne. Die 15-jährige Taylor ist nicht besonders begeistert, als ihre beste Freundin Sierra in einem Chatroom ihre E‑Mailadresse angibt, als sie mit einem unbekannten Typen chattet. Jetzt hat dieser ihr auch noch geschrieben! Er heißt Jacob und obwohl sie ihm schreibt, dass sie nicht Sierra ist und nicht vorhat ihm “ein Bild von meinen Brüsten zu schicken” (Zitat aus “Im Zweifel tue nichts” S.11), fängt er an ihr zu schreiben. Und er scheint wirklich nett zu sein! “Ich komme mir vor wie eines dieser Mädchen in alten Filmen. Ich sitze als Mauerblümchen auf einem Ball und bin gerade zum Tanz aufgefordert worden.” (Zitat S.15) Nach fünf Stunden chatten ist Taylor restlos begeistert und fast schon ein bisschen verliebt. Doch gerade als sie Sierra beichten will, dass sie Jacob geschrieben hat, platzt diese heraus, dass sie das ganze Wochenende mit eben diesem geheimnisvollen Unbekannten gechattet hat und nun ein Treffen am Freitag mit ihm plant. Taylor ist schwer enttäuscht. “Wie habe ich bloß auf den Gedanken kommen können, dass so ein Typ auf jemanden wie mich abfahren würde? Als ob ich in dieser Liga gespielt hätte. Immer bekommt Sierra das, was ich will. […] Schon als wir noch Kinder waren, hatte sie alles, was ich wollte: ein besseres Fahrrad, schönere Kleidung, coolere Musik, tolle Ferien, zwei Elternteile…” (Zitat S.27) Und so will sie zu dem Treffen auch auf keinen Fall mitkommen, worum Sierra sie bittet. Sie deckt ihre Freundin lediglich, als diese plötzlich sogar die Nacht bei Jacob verbringen möchte, damit ihre Mutter davon nichts erfährt. Doch am nächsten Morgen taucht Sierra nicht auf, so wie verabredet und geht nicht an ihr Handy. Zunächst glauben Taylor und ihre Freunde noch, dass Sierra eines ihrer Spielchen mit ihnen spielt. Nur Callum, für den Taylor heimlich schwärmt, glaubt, dass ihr vielleicht etwas zugestoßen sein könnte. Aber Taylor möchte lieber noch abwarten. Wenn sie alles beichtet, und Sierra taucht wieder auf, wird sie schließlich großen Ärger kriegen. Doch am nächsten Tag ist Sierra immer noch nicht da. Was wenn ihr tatsächlich etwas zugestoßen ist?
“Im Zweifel tue nichts” wartet mit einem interessanten, etwas geheimnisvollen Cover auf und einem ebenso faszinierenden Titel. Denn genau das ist es, was Taylor getan hat: nichts. Ehe sie allmählich beginnt dies zu bereuen. Der Roman wird durchgehend aus ihrer Sicht in der Ich-Perspektive erzählt. Die Spannung baut sich erst langsam auf, der Anfang verläuft noch relativ gemächlich, ehe es den Leser dann mehr und mehr fesseln wird. Die Sprache ist recht einfach, aber der Schreibstil sehr flüssig. Besonders gut getroffen sind die zwiespältigen Gefühle der Protagonistin: “Manchmal hasse ich sie, dann hasse ich mich, weil ich sie hasse. Weil ich so blöde und eifersüchtig bin. Vielleicht hasse ich einfach nur mich selbst.” (Zitat S.27) oder “Ich hätte Sierra begleiten sollen. Es bedrückt mich, dass Sierra vermisst wird, doch gleichzeitig bin ich erleichtert, dass es mich nicht getroffen hat.” (Zitat S.111) Die Umsetzung von Taylor im letzten Teil des Buches — um mit der ganzen Problematik fertig zu werden — ist sehr gelungen und macht gleichzeitig auf unaufdringliche Weise darauf aufmerksam, welche Gefahren das Internet birgt. Bietet aber auch (im wahrsten Sinne des Wortes) Raum für Diskussionen, daher eignet sich “Im Zweifel tue nichts” sehr gut als Klassenlektüre.
Zwei passende inhaltliche Alternative zu dem hier vorgestellten Buch sind “Schachzüge” von Gabriele Gfrerer und “Sechs Augenblicke” von Antje Szillat. Oder lies “Schlehenherz” von Heike Eva Schmidt, die auch sehr spannend schreibt und die Geschichte eines Mädchens erzählt, deren beste Freundin tot aufgefunden wurde und die ihren Mörder wahrscheinlich im Internet kennengelernt hat. Die beste Freundin verschwindet? Das findest du ebenfalls höchst fesselnd beschrieben in “Schweig still, süßer Mund” von Janet Clark. Wie gefährlich Internetbekanntschaften werden können, erlebst du zudem in “Angstspiel” von Birgit Schlieper (hier entwickelt sich der Unbekannte langsam zu einem Stalker) oder in “Chatroom-Falle” von Helen Vreeswijk, die nicht nur Autorin, sondern auch Kriminalbeamtin ist und viele Fälle bereits erlebt hat, in denen Jugendliche über das Internet zu Opfern von Missbrauch und Gewalt geworden sind.
Bibliografische Angaben:Verlag: Beltz & Gelberg ISBN: 978-3-407-82295-6 Erscheinungsdatum: 10.Juli 2017 Einbandart: Broschur Preis: 13,95€ Seitenzahl: 276 Übersetzer: Michael Koseler Originaltitel: "Risk" Originalverlag: Random House Australia Children's Australisches Originalcover:
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Kasimiras Bewertung:
(4 von 5 möglichen Punkten)
--------------------------------------------- Australisches Cover: Homepage von Fleur Ferris