“Ich habe den Todesengel überlebt” ist ein autobiografischer Roman über die aus Rumänien stammende Eva Mozes Kor, die das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau und die medizinischen Experimente des Dr. Mengele zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Miriam überlebte. Für Jugendliche geschrieben hat dieses Buch die Autorin Lisa Rojany Buccieri. Ein Zeitdokument einer schrecklichen Vergangenheit, eine Erinnerung an die Grausamkeiten des Holocausts. Aber gleichzeitig auch das Zeugnis einer unheimlich starken Persönlichkeit, die immer wieder um ihr Überleben gekämpft hat. Für Jugendliche ab 12 Jahren, die sich mit diesem wichtigen Thema der deutscher Geschichte auf authentische Weise auseinandersetzen wollen und interessierte Erwachsene.
Sie sind zehn Jahre alt, als die eineiigen Zwillinge Eva und Miriam mit ihren Geschwistern und Eltern nach Auschwitz-Birkenau deportiert werden. An der Selektionsrampe werden sie getrennt und sehen ihre Eltern und Geschwister nie wieder. Weil sie Zwillinge sind, kommen sie sofort zu Dr. Mengele, der grausame Experimente an “seinen” Kindern durchführt. So auch an Eva und ihrer Schwester Miriam. Als Eva eines Tages Krankheitserreger gespritzt werden und sie schwer erkrankt, glaubt Dr. Mengele schon, dass sie binnen zwei Wochen sterben wird. Doch Eva kämpft. Denn wenn sie stirbt, dann wird der Arzt auch Miriam töten, um ihren kranken Leichnam mit dem der gesunden Schwester zu vergleichen. Und das darf auf keinen Fall passieren. Tatsächlich gelingt ihr das schier Unmögliche: Sie wird wieder gesund. Sie darf die Krankenstation endlich verlassen und zurück zu ihrer Schwester, von der sie noch nie so lange getrennt gewesen war. Aber Miriam scheint all ihren Lebenswillen verloren zu haben…
“Ich habe den Todesengel überlebt” wird durchgehend aus der Ich-Perspektive und aus Evas Sicht erzählt. Es beginnt mit einem Prolog, in dem der Selektiervorgang an der Rampe geschildert und die Familie buchstäblich auseinandergerissen wird. In dem darauf folgenden Hauptteil des Romans, der in mehrere Kapitel eingeteilt ist, beginnt die Geschichte von Eva von ihrer Geburt ab, bis in die heutige Zeit. Ihr Werdegang, das allmähliche antisemitische Denken und Handeln der Dorfbewohner, die am Ende sogar eine Flucht der Familie verhindern, liest sich sehr bewegend. Immer wieder sind historische Daten miteingeflochten. Jahreszahlen, Dinge, die das Mädchen im Radio mitbekommt oder die andere erzählen. Bis ihre Familie schließlich nach Auschwitz deportiert wird. Was gut gemacht ist, das sind die teilweisen Ergänzungen aus der Jetzt-Zeit gesehen, die in den Text einfließen. Zum Beispiel Tatsachen über die medizinischen Experimente, die Eva Mozes Kor erst später erfahren hat, die sie aber bei ihren Schilderungen mit erwähnt. Dies gibt der Geschichte noch mehr Detailgetreuheit und leistet viele Erklärungen, die sie als Kind damals noch nicht gehabt haben konnte.
Es ist unfassbar, welches Leid die beiden Mädchen über sich ergehen lassen mussten. Und umso beeindruckender, wie vor allem Eva um ihr Überleben gekämpft hat (“In Auschwitz zu sein, war, als erlebte man jeden Tag von Neuem einen Autounfall. Jeden Tag von Neuem geschah etwas Schreckliches.” Zitat aus “Ich habe den Todesengel überlebt”, Seite 71). Aber auch, dass die Mädchen einander hatten, nicht alleine waren wie viele andere, hat ihnen in dieser schweren Zeit sehr viel geholfen.

Dr. Mengele
In einem anschließenden Nachwort berichtet Eva Mozes Kor ausführlichst wie sie nach ihrer Emigration nach Israel, mit der der Hauptteil endet, lebt. Sie hat zum Beispiel eine Organisation gegründet, um andere Zwillings-Opfer von Dr. Mengele zu finden. Auch hat sie Kontakt zu einem ehemaligen NS-Arzt namens Dr. Münch hergestellt, der schwer unter seiner Schuld leidet. Für ihn und sogar für Dr. Mengele schreibt sie eine Vergebungserklärung, das sie öffentlich vorliest und unterzeichnet. Dieser bemerkenswerte Akt scheint Unbeteiligten unvorstellbar zu sein, sie begründet ihn folgendermaßen: “Vergebung dient nicht so sehr dem Täter als vielmehr dem Opfer. Es lag in meiner Macht, zu vergeben. Niemand konnte mir diese Macht verleihen, niemand konnte sie mir nehmen. Eben dies erzeugte in mir ein Gefühl der Stärke.” (Zitat aus “Ich habe den Todesengel überlebt”, S.189). Eva Mozes Kor hat viele Vorträge gehalten und ist literarisch tätig gewesen. Die Botschaft des Vergebens an junge Menschen heranzubringen, ist ihr besonders wichtig. Aber auch macht sie deutlich, dass es wichtig ist seine Träume niemals aufzugeben und andere Menschen nach ihren Taten und nach ihrem Charakter zu beurteilen.
Im Anhang folgen Anmerkungen der Autorin Lisa Rojany Buccieri über ihre schriftstellerische Arbeit, Biografien der Autorinnen, Bildnachweise und — sehr passend — eine Zeitleiste zu den historischen Ereignissen, in denen auch die Geschichte der Familie integriert ist. In einem anschließenden Glossar werden wichtige Begriffe erklärt.
Wenn du dich für Bücher interessiert, die ebenso wie “Ich habe den Todesengel überlebt” in Auschwitz spielen, dann kannst du folgende Titel lesen: “Der Junge im gestreiften Pyjama” von John Boyne (fast schon ein “moderner Klassiker” zu diesem Thema), “Der Klang der Hoffnung” von Suzy Zail (eine bewegende Neuerscheinung), “Reise im August” von Gudrun Pausewang. Ein ebenfalls autobiografischer Roman wäre “Mich hat man vergessen” von Eva Erben. Unter den medizinischen Experimenten des Dr. Mengeles leidet auch die Hauptfigur in “Denk nicht, wir bleiben hier!” von Anja Tuckermann. Zwei weitere Neuerscheinungen über den Holocaust sind “Der Fotograf von Auschwitz: Das Leben des Wilhelm Brasse” von Reiner Engelmann und “Der Junge auf der Holzkiste. Wie Schindlers Liste mein Leben rettete” von Leon Leyson.
Bibliografische Angaben:Verlag: cbj ISBN: 978-3-570-40109-5 Erscheinungsdatum: 9.Januar 2012 Einbandart: Taschenbuch Preis: 6,99€ Seitenzahl: 224 Übersetzer: Barbara Küper Originaltitel: "Surviving the Angel of Death" Originalverlag: Tanglewood Press Englisches Originalcover:
Eva Mozes Kor berichtet:
Eva Mozes Kor verzeiht Dr. Mengele:
Kasimiras Bewertung:
(5 von 5 möglichen Punkten)
--------------------------------------------------------------------------------- 3.Bild v. oben (Äpfel): © Aka/pixelio.de 4. Bild v. oben (Dr.Mengele): von Anonymous photographer, not identified anywhere [Public domain], via Wikimedia Commons Englisches Cover: von Eva Mozes Kors Homepage ihrer Organisation CANDLES Holocaust Museum and Education Center