Erin Bow — Alpakas, Agate und mein neues Leben

18.Mai 2025

Alpa­kas, Aga­te und mein neu­es Leben” ist ein Roman der viel­fach aus­ge­zeich­ne­ten ame­ri­ka­nisch-kana­di­schen Autorin Erin BowSie erzählt die Geschich­te des 12-jäh­ri­gen Simon, der eine trau­ri­ge Berühmt­heit erhielt, als er einen Amok­lauf an sei­ner Schu­le als Ein­zi­ger aus sei­ner Klas­se über­leb­te. Mit sei­ner Fami­lie flüch­tet er zwei Jah­re spä­ter an den ein­zi­gen Ort in ganz Ame­ri­ka, an dem es kein Inter­net gibt, in der Hoff­nung ein neu­es Leben zu begin­nen, ohne dass ihn jemand erkennt und er die trau­ma­ti­sche Ver­gan­gen­heit end­lich hin­ter sich las­sen kann. Er fin­det rasch Freun­de: Kevin mit den grü­nen Haa­ren, des­sen Mut­ter Wis­sen­schaft­le­rin ist und die autis­ti­sche Aga­te, die plant eine Fake-Nach­richt an Ali­ens zu sen­den. Doch dann tritt sein Geheim­nis eines Tages ans Licht. Aus­ge­rech­net Kevin stößt zufäl­lig dar­auf. Bald gerät wie­der alles außer Kon­trol­le… Ein Roman, der sich Zeit nimmt, um Hand­lung und Cha­rak­te­re zu ent­wi­ckeln — aber die Cha­rak­te­re sind wirk­lich ein­ma­lig! Erfri­schend anders, authen­tisch und außer­ge­wöhn­lich. Eine sehr herz­er­wär­men­de Geschich­te über Trau­ma­ta, Freund­schaft und Zusam­men­halt. Das Buch besticht vor allem durch die Mischung aus Ernst­haf­tig­keit und viel viel Humor. Schräg, skur­ril und sehr unter­halt­sam. Für Jugend­li­che ab 11 Jah­ren und inter­es­sier­te Erwachsene.

Der 12-jäh­ri­ge Simon zieht mit sei­nen Eltern um. In die Natio­nal Quiet Zone“Wir pack­ten also unse­re Sachen und zogen in eine klei­ne Stadt namens — sie heißt wirk­lich so, ich schwö­re — Augen-zu-und-durch in Nebras­ka. Augen-zu-und-durch ist ein Kaff, die Art von Ort, wo das Bestat­tungs­in­sti­tut “Gemet­zel & Söh­ne” heißt, und das schon so lan­ge, dass es nie­mand mehr komisch fin­det.” (Zitat aus “Alpa­kas, Aga­te und mein neu­es Leben” S.11) Der offi­zi­el­le Grund sind ein paar Alpa­kas, die den Got­tes­diens­tes sei­nes Vaters, der als Dia­kon arbei­tet, bei einer Tier­seg­nung so sehr aus dem Ruder lau­fen lie­ßen, dass er sei­nen Job ver­lor. Der inof­fi­zi­el­le Grund ist ein ande­rer. Denn vor zwei Jah­ren hat Simon an sei­ner Schu­le einen Amok­lauf über­lebt. Um der Pres­se zu ent­ge­hen, die sich immer noch auf ihn stürzt und um alles end­lich hin­ter sich zu las­sen und neu anzu­fan­gen, sind sie umge­zo­gen. Denn das klei­ne Städt­chen hat einen ent­schei­den­den Vor­teil. Hier gibt es zahl­rei­che gro­ße Radio­te­le­sko­pe. Sie lau­schen auf die schwächs­ten Signa­le aus dem Welt­raum. Und wenn du in Augen-zu-und-durch oder inner­halb eines Umkrei­ses von 50 Kilo­me­tern […] leben möch­test, darfst du kei­ne Funk­si­gna­le aus­sen­den, die das stö­ren könn­ten.” (Zitat S.13) Es gibt also kein Radio, kein Fern­se­hen, kein Inter­net und auch kein Han­dy­netz, um die tech­ni­schen Anla­gen nicht zu beein­flus­sen. Nicht mal Mikro­wel­len sind erlaubt. Hier kann Simon end­lich er selbst sein. Nie­mand kann ihn goo­geln und her­aus­fin­den, wer er ist. In der quir­li­gen Aga­ta und Kevin mit den grü­nen Haa­ren fin­det er neue Freun­de. Doch dann sind es ausgKasimiraere­ch­net die Alpa­kas, die die Neu­gier­de sei­nes neu­en Freun­des beflü­geln. Natür­lich hat Simon Kevin die­se Geschich­te erzählt. Und als er eines Tages außer­halb von Augen-zu-und-durch die Mög­lich­keit hat, das Inter­net zu nut­zen und ein Video jenes Alpa­kas-Desas­ter in der Kir­che, wel­ches viral ging, zu suchen, stößt er unwei­ger­lich auf mehr. Bald ist er nicht mehr der Ein­zi­ge, der die Wahr­heit über Simons Her­kunft kennt und alles droht erneut aus den Fugen zu geraten.…

Das Cover ist sehr schön und pas­send gestal­tet. Zeigt bereits ein­zel­ne Ele­men­te der Geschich­te. Jene wird durch­ge­hend aus Simons Sicht in der Ich-Per­spek­ti­ve erzählt. Der Roman ist in Kapi­tel ein­ge­teilt, wel­che teils sehr fas­zi­nie­ren­de Kapi­tel­über­schrif­ten tra­gen: “Kapi­tel eins: In dem Alpa­kas uns aus Oma­ha ver­trei­ben” oder “Kapi­tel zehn: In dem Snacks und Ali­ens vor­kom­men” oder “Kapi­tel zwan­zig: In dem mein Dad Hea­vy Metal in die Kir­che bringt”. Dann gibt es immer wie­der Ein­schü­be von Kapi­teln, die mit “Eine Bemer­kung über…” ein­ge­lei­tet wer­den und ein The­ma näher beleuch­ten. Simon spricht beim Erzäh­len die Leser:innen zuwei­len direkt mit “du” an. Es gibt einen cha­rak­te­ris­ti­schen dop­pel­ten Klin­gel­ton von sich, den mei­ne Mom den “Par­ty­an­schluss” nennt. Sie sagt zum Bei­spiel “Der Par­ty­an­schluss klin­gelt” oder “Zeit für eine Par­ty”. Wenn du es dir bis jetzt noch nicht zusam­men­ge­reimt hast: Mei­ne Mut­ter hat ihren Humor gern wie ihren Kaf­fee: schwarz. Und zwar espres­so­schwarz. Egal. Es ist echt erstaun­lich, wie schnell ich mich an das Klin­geln des Par­ty­an­schlus­ses gewöhnt habe. Ich höre nicht ein­mal mehr auf, mir mei­ne Corn­flakes in die Müs­li­scha­le zu schüt­ten, son­dern rufe nur die Trep­pe rauf: “Mom! Da ist jemand gestor­ben!” (Zitat S.86) Jede Men­ge Situa­ti­ons­ko­mik, vie­le skur­ri­le, äußerst schrä­ge und wit­zi­ge Momen­te beglei­ten einen beim Lesen. Ein Bestat­tungs­in­sti­tut, das sich “Gemet­zel & Söh­ne” nennt. Simons Vater, der sich mit einem Eich­hörn­chen in der Kir­che aus­ein­an­der­set­zen muss, das die Hos­ti­en klaut und den Auf­be­wah­rungs­be­häl­ter anknab­bert (er nennt es das “Jesus-Ein­hörn­chen”). Simons Mut­ter, die einen Mit­ar­bei­ter hat, der immer wie­der Feh­ler macht und auch mal eine Lei­che unter­wegs ver­liert. Da ist auch viel schwar­zer Humor mit dabei. Lie­bens­wert sind aber vor allem auch die Cha­rak­te­re. Simon, der sich immer mehr ent­wi­ckelt und zu sich fin­det. Aga­te, die autis­ti­sche Züge hat und plant eine Fake-Nach­richt von Ali­ens zu sen­den, um den Wis­sen­schaft­lern vor Ort Hoff­nung zu machen und die immer wie­der ekli­ge Din­ge auf­lis­tet. Es kom­men auch aller­hand Tie­re in “Alpa­kas, Aga­te und mein neu­es Leben” vor. Neben den eska­lie­ren­den Alpa­kas gibt es noch aus­bü­xen­de Emus, die wie­der ein­ge­fan­gen wer­den müs­sen. Enten. Zie­gen, die auf die Welt gebracht wer­den müs­sen. Einen äußerst angrif­flus­ti­gen Pfau, der zum neu­en Haus gehört, in das Simons Fami­lie zieht. Und Her­cu­les, den Simon als Assis­tenz­hund für eine Wei­le sozia­li­sie­ren darf. Nicht zu ver­ges­sen den Hund Todd, der genau weiß, wie man einen Kühl­schrank öff­net und sich regel­mä­ßig ein Bier her­aus­holt und dies auch trinkt, um sei­ne Gelenk­schmer­zen zu besänf­ti­gen. Trotz Humor wird in dem Roman jedoch auch aus­rei­chend viel Ernst­haf­tig­keit mit ein­ge­streut. Zu Beginn (kennt man den Klap­pen­text nicht) wird Simons Ver­gan­gen­heit auch nur ange­deu­tet. “Und ich wäre natür­lich auch auf den Mars gezo­gen, nur um dem, was in Oma­ha pas­siert war, zu ent­kom­men.” (Zitat S.12) In neu­en Räu­men ach­tet er auf Türen und fühlt sich eher unwohl, wenn es nur eine Flucht­mög­lich­keit gibt. Erst nach und nach erfährt man was damals genau gesche­hen ist, spürt dem Trau­ma, das Simon geprägt hat, immer mehr nach. Erin Bow hat ein Buch geschrie­ben, in dem sie sich wirk­lich Zeit lässt, um ihre Figu­ren zu ent­wi­ckeln. Zuwei­len gibt es ein paar lang­wie­ri­ge­re Momen­te, aber man wird immer wie­der durch die außer­ge­wöhn­li­chen Cha­rak­te­re, die man ein­fach nur ins Herz schlie­ßen kann und die humor­vol­len Momen­te belohnt. Alles in allem gese­hen ist es ein­fach ein Lese­ver­gnü­gen die­ses Buch!

LesealternativenErin Bow hat noch eini­ge ande­re Bücher geschrie­ben, die bis­her aller­dings noch nicht ins Deut­sche über­setzt wur­den. Vor Pro­ble­men weg­lau­fen, die einen dann doch wie­der ein­ho­len, das fin­dest du bei­spiels­wei­se auch in fol­gen­den Büchern: “Wie ein Herz­schlag auf Asphalt” von Deb Calet­ti (hier geht es eben­falls um einen Amok­lauf), “Die bes­te Zeit ist am Ende der Welt” von Sara Bar­nard. Gut könn­te ich mir eben­so die Roma­ne von Ross Wel­ford vor­stel­len, die über eine Mischung aus Ernst­haf­tig­keit und Humor ver­fü­gen, lies zum Bei­spiel “Was du nie­mals tun soll­test, wenn du unsicht­bar bist”  oder “Der Hund, der die Welt ret­tet”. Mit einer schö­nen Por­ti­on Humor und außer­ge­wöhn­li­chen Cha­rak­te­ren besticht auch “Enia und der Regen­zau­ber” von Anto­nia Michaelis.

Bibliografische Angaben:
Schilder was wo wer wannVerlag: dtv
ISBN: 978-3-423-64124-1
Erscheinungsdatum: 17.April 2025
Einbandart: Hardcover
Preis: 16,00€
Seitenzahl: 400
Übersetzer*in: Ute Mihr
Originaltitel: "Simon sort of says"
Originalverlag: Disney Hyperion

Amerikanisches Originalcover:







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Kasimiras Bewertung:

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(4,5 von 5 mög­li­chen Punkten)

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Amerikanisches Cover: Homepage von Erin Bow

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