Unter dem Psyeudonym Ella Blix haben sich die Autorinnen Antje Wager (“Unland”) und Tania Witte zusammengetan und nun das Buch “Der Schein” veröffentlicht. Eine Mischung aus Internatsgeschichte, Thriller und einem Touch Übernatürlichem. Über ein seltsames Schiff, Freundschaft und eine nervenaufreibende Spurensuche. Sehr unterhaltsam und mit einem packenden Finale! Für Jugendliche ab 12 Jahren und interessierte Erwachsene.
Die 16-jährige Alina ist nicht wirklich begeistert davon von ihrem Vater für einige Zeit auf ein Internat geschickt zu werden. Noch dazu auf das Elite-Internat auf der spärlich besiedelten Ostseeinsel Griffiun. Doch ihr Vater, der für ein wichtiges Forschungsprojekt nach Amerika muss, will sie nicht alleine zu Hause lassen. Und jetzt sitzt Alina nicht nur ohne Handyempfang auf dieser Insel fest, sondern vermisst auch sehnsüchtig ihren Freund Lukas und ihre beste Freundin Pinar. Ihre Zimmergenossin hat einen halben Urwald aus Pflanzen in ihrem Zimmer und spricht kein Wort mehr mit ihr, seit Alina diese Gewächse auf deren Hälfte des Zimmers verbannt hat. Und die Clique der “Lonelies” — so nennen sich die Schüler, die am Wochenende im Internat bleiben — sind auch etwas verschroben und folgen ihren eigenen gesellschaftlichen Regeln. Einer von ihnen schminkt sich sogar und zieht Frauenkleidung an! Und dieser Herr Mühlstetter, der Kioskbesitzer der Insel, der immer ein Monokel und einen Zylinder trägt, verhält sich ebenfalls höchst seltsam. Er wohnt in der Vogelschutzwarte des Naturschutzgebietes, in welches niemand der Internatsschüler hineindarf. Dort hausen seltene Vögel und die sogenannten Urrinder, eine höchst aggressive Tiere, vor denen das Internat mit einem Informationsfilm warnt. Doch gerade wenn etwas verboten ist, reizt es Alina besonders es zu erforschen. Vor allem als sie eines Nachts eine besondere Entdeckung macht: “Ganz, ganz weit da draußen im Naturschutzgebiet… etliche Kilometer hinter Mühlstetters einsamen Heim… im tiefsten Herz der Dunkelheit… schimmerte ein zweites Licht! […] Ich verstand das nicht. Wenn Mühlstetter ganz offensichtlich zu Hause war — wer war dann dort draußen in der Finsternis?” (Zitat S.67) Alina beschließt dem Ganzen auf den Grund zu gehen und dringt hinein in das Naturschutzgebiet mit dem absoluten Zugangsverbot. Und sie trifft auf Tinka, ein Mädchen, das dort wild campt. Die eine seltsame Ausrüstung bei sich hat und mehr zu wissen scheint, als sie vorgibt. Was geht dort vor sich? Und was ist das für ein
merkwürdiges, dunkles Schiff, das bei Nacht am Nordrand der Insel hinter dem Naturschutzgebiet plötzlich auftaucht und dann ebenso schnell wieder verschwindet? Ein Schiff mit einer riesigen Kugel in der Mitte? “Ein Lichtstrahl schoss aus der Kugel heraus. Er war von so grellem Grün, das er direkt auf meiner Netzhaut explodierte. Ich schloss geblendet die Augen, doch hinter meinen Lidern sah ich immer noch den langen Bogen, den der Strahl genommen hatte: vom Schiff direkt ins Naturschutzgebiet.” (Zitat S.167ff) Als bald eine Lehrerin vom Internat verschwindet und die “Lonelies” ihr von einer alten Legende erzählen, überschlagen sich die Ereignisse…
Das Cover von “Der Schein” ist richtig schön gestaltet und mal etwas ganz anderes. Am Anfang, als ich das Buch zu lesen begonnen habe, das durchgehend aus Alinas Sicht in der Ich-Perspektive geschrieben ist, habe ich mir nicht wirklich vorstellen können, in was für eine Richtung das Ganze gehen könnte. Internat und altes Schiff? Das klingt nach einer höchst seltsamen Kombination. Auch die Charaktere wirken etwas überzogen und extrem. Doch in “Der Schein” ist tatsächlich nicht alles so, wie es scheint. Das stellt auch die Protagonistin Alina bald fest, während sie ihr “Schubladendenken” — ebenso wie der Leser — neu überdenken muss: “Cara, pummelig, liebt Rosa, verehrt Models. Schublade Unsportlich. Schublade Nicht-ernst-zu-nehmen. […] Und jetzt? Rannte sie. Ging im Winter eisbaden, kannte Geheimwege, war mutig… Die Schubladen in meinem Hirn klapperten hilflos auf und zu. Wieder mal begann ich, an ihrer Tauglichkeit zu zweifeln.” (Zitat S.249) Ebenso die typische (zu Beginn eher etwas gemächlich erzählte) Internatsgeschichte nimmt rasch an Tempo auf und lässt einen schnell inmitten einer Haufen rätselhafter Ereignisse hineinstürzen, die auch in Alinas Vergangenheit zurückführen (was ist mit ihrer Mutter damals passiert?) Irgendwann im hinteren Teil des Buches wird das Ganze so temporeich, dass man sich dem Erzählsog kaum mehr entziehen kann und wie gebannt an den Seiten hängt! Die Sprache ist sehr facettenreich und deren Unterschiedlichkeit ist wahrscheinlich auch der Tatsache geschuldet, dass zwei Autorinnen daran geschrieben haben. Die Erzählart reicht von salopp und jugendsprachlich (“Warum musste ich in diese
s verfickte Internat, wo ich keinen kannte?” (Zitat S.15)) bis hin zu kraftvoll und poetisch: “Die Stille drückte sich gegen meine Haut. Ich fühlte mich von allen verlassen, die ich liebte. Von Pa. Von Pinar. Von Lukas. Lukas. Die Sehnsucht nach ihm war eine feine silberne Nadel, die jemand ganz langsam in mein Herz hineintrieb. Ich legte die Arme auf den Tisch und den Kopf darauf. Schloss die Augen. Spürte die Nadel. Und atmete.” (Zitat S.63) Zuweilen berichtet Alina auch in einer Art Tagebuchstil. Das Ende ist überraschend, gelungen und sehr schlüssig.
Fazit: Eine ganz besondere Geschichte, die sich zu lesen lohnt!
Wenn dir die Erzählart von Ella Blix gefällt, kannst du zumindest von Antje Wagner (einer Autorin des Duos) noch ihre anderen Jugendbücher lesen: “Unland” (2009), “Schattengesicht” (2010) und “Vakuum” (2012). Tania Witte hat bisher keine Jugendromane, sondern nur Titel für Erwachsene veröffentlicht. Lesealternativen an Internatsromanen gibt es zuhauf. Hier eine Auswahl an Titeln, in denen auch immer irgendetwas Mysteriöses passiert: “Das Tal”-Reihe von Krystyna Kuhn (brillant! äußerst spannend), “Stigmata: Nichts bleibt verborgen” von Beatrix Gurian (nicht ganz ein Internat, mehr ein Camp; mit Horrorelementen) und “Eden Acadamey: Du kannst dich nicht verstecken” von Lauren Miller. Sehr klasse ist vor allem die zweibändige Reihe von Robison Wells: “Du kannst keinem trauen” und “Ihr seid nicht allein”. In einen Wald (=Naturschutzgebiet), in den auch niemand hinein darf, das findest du ebenso in “Schlamm oder Die Katastrophe von Heath Cliff” von Louis Sachar. Ein bisschen hat mich “Der Schein” auch an “Der Sommer, in dem die Zeit stehen blieb” von Tanya Stewner erinnert.
Bibliografische Angaben:Verlag: Arena ISBN: 978-3-401-60413-8 Erscheinungsdatum: 19.Januar 2018 Einbandart: Hardcover Preis: 18,00€ Seitenzahl: 472 Übersetzer: - Originaltitel: - Originalverlag: - Originalcover: -
Kasimiras Bewertung:
(4,5 von 5 möglichen Punkten)
Oh, wie toll! Wir sagen DANKE für diese zauberhafte Rezension. Große Freude … :-D
die zwei Ellas
Hallo Ella Blix/die zwei Ellas,
gern geschehen;-) Danke für den Eintrag!
LG Kasimira