28.Dezember 2012
Das Thema “Gedächtnisverlust” wird in der Jugendliteratur häufig angesprochen. Zum einen erzeugt es eine Menge Spannung beim Lesen, wenn die Erinnerung der Hauptfigur Stück für Stück zurückkehrt und man nicht weiß, was einen erwartet. Zum anderen befindet sich der Leser auf dem gleichen Kenntnisstand wie die Figur selbst. Es gibt nichts, was erwähnt werden muss, keine Kindheitsgeschichten, keine Einflüsse auf die Entwicklung der Person, weil sie sich ohnehin meist an rein gar nichts mehr erinnern kann. Dieses Neu-Entdecken, dieses Miträtseln und Überlegen, was in der Vergangenheit passiert sein könnte, machen mitoft einen besonderen Reiz aus.
Ein aktuelles Jugendbuch zu diesem Thema ist beispielsweise Jutta Wilkes “Schwarz wie Schnee” (Sauerländer Verlag, ab 14). Hierbei erwacht die 17-jährige Protagonistin nach einem Motorrollerunfall im Krankenhaus und kann sich an rein gar nichts mehr erinnern. Auch die fremde Frau an ihrem Bett, die ihre Mutter sein soll, erkennt sie nicht. Zuhause in dem Mietshaus erhält sie seltsame Anrufe. Jemand nennt sie “Schneewittchen”. Und hat sie wirklich etwas mit Drogen zu tun gehabt? Denn in ihrem Blut hat man Spuren davon gefunden. Zusammen mit einem Mitschüler geht sie auf die Suche nach ihrer Vergangenheit. Spannend und unterhaltsam erzählt und mit einem ziemlich überraschenden Ende!
Auch in Michele Jaffes Thriller “Wer schön sein will, muss sterben” (Fischer Verlag, ab 14) erwartet den Leser ein furioses Ende, auf das man selbst wohl so nie gekommen wäre. In dem Psychothriller, dessen Verlag sich bezüglich der Spannung mit “Tote Mädchen lügen nicht” vergleicht, geht es um ein 16-jähriges Mädchen, das zu den beliebtesten Mädchen der Schule gehört und nach einer total angesagten Party von einem Auto angefahren wird. Als sie nach einer kurzen Bewusstlosigkeit unter einem Dornenstrauch erwacht, fehlt ihr jegliche Erinnerung an die vergangenen Nacht. Und doch ist ihr eines klar: irgendjemand wollte sie töten. Wer war es? Und vor allem: wird er/sie es wieder versuchen?
Sehr bekannt ist auch der Roman “Lucian” von Isabel Abedi (Arena-Verlag), in dem die junge Rebecca auf den mysteriösen Lucian trifft. Einen Jungen ohne Vergangenheit, der sich an nichts mehr erinnern kann und seltsamerweise immer von Rebecca träumt. Wer Lucian wirklich ist, das erfährt der Leser in dieser spannenden und vor allem sehr romantischen Geschichte erst nach und nach. Dies ist eines ihrer bewegendsten und besten Bücher — also lesen!! Für Jugendliche ab 12, aber auch für All-Age-Leser.
Ein weiterer Romane über Gedächtnisverlust ist “Emily the Strange — Die verschwundenen Tage” von Rob Reger und Jessica Gruner (cbj, ab 12). Auch die Spannungsreihe “The Homelanders” von Andrew Klavan (Thienemann, ab 15) beschäftigt sich mit einem Jungen, der von zwei Männern bedroht wird, die eindeutig nach seinem Leben trachten und sich nicht nicht daran erinnern kann, wieso. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt…
Ein besonderes Buch zum Thema “Amnesie” hat Cat Patrick geschrieben: “Forgotten” (Marion von Schröder, ab 13). Dies erzählt die Geschichte eines jungen Mädchens namens London, das unter einer besonderen Form der Amnesie leidet. Sie vergisst nämlich alles, was ihr am Tag zuvor passiert ist. Um in der Schule nicht aufzufallen, wendet sie eine ausgekügelte Zettelmethode an: alle wichtigen Dinge, die sie getan/gesagt hat, schreibt sie auf und legt sie auf ihren Nachttisch. Nach dem Aufwachen liest sie sich alles durch und ist gerüstet für den folgenden Tag. Bis London sich das erste Mal verliebt, da fangen die Probleme erst richtig an… Gut und flüssig zu lesen, humorvoll, spannend und romantisch — ein Leseerlebnis, das sich lohnt!
In dem Thriller “Boy 7” (Ravensburger, ab 12) von Mirjam Mous erwacht ein Junge auf einer Graslandschaft und weiß weder seinen Namen, noch woher er kommt. Lediglich seine Mailbox verkündet eine seltsame Botschaft: “Was auch passiert, ruf auf keinen Fall die Polizei.” Was hat das zu bedeuten? Was ist passiert? Ein temporreich erzähltes Buch mit hohem Suchtgefahr!
Hier noch eine besondere Empfehlung für Jungs und Mädchen ab 13 Jahren: Die “Méto”-Reihe von Yves Grevet (dtv). Der erste Band heißt “Das Haus” und erzählt die Geschichte von 64 Jungen, die in einem Haus eingesperrt sind, das diese noch niemals verlassen haben. Sie können sich auch nicht erinnern, wie sie dort hineingekommen sind. Nicht einmal Begriffe wie “Vater” und “Mutter” kennen sie. Ihr Alltag gestaltet sich nach einem strengen Regelsystem. Bis der Junge Méto beschließt, dass er wissen will, was draußen ist und die Revolution beginnt… Fortsetzungen sind “Die Insel” und “Die Welt”. Unheimlich spannend erzählt!
Ein letzter ganz besonders fesselnder Lesetipp ist das neue Buch von Elisabeth Herrmann “Schattengrund”. In diesem Thriller für Jugendliche erfährt die Hauptperson wie Erinnerungen an ihre Kindheit langam zurückkommen, als sie das Erbe ihrer Tante — deren altes Haus — besucht und auf den Hass der Dorfanwohner ihr gegenüber stößt, den sie sich zunächst nicht erklären kann. Doch dann wird ihr mehr und mehr klar, dass sie damals als Kind in diesem Haus zu Besuch war, als ein schreckliches Unglück geschah, ein Verbrechen, dessen Täter noch ungefasst ist und dem ihr Auftauchen in dem Dorf ganz und gar nicht gefällt… Unheimlich spannend erzählt — dieses Buch wird man so schnell nicht mehr aus der Hand legen — garantiert! Auch für Erwachsene.