“Survive the night” ist das neueste Buch der amerikanischen Schriftstellerin Danielle Vega. Dass ihre Mutter ihr als Kind keine Märchen vorgelesen, sondern Stephen-King-Romane nacherzählt hat, merkt man auch ihrem aktuellen Roman, der mit Horrorelementen gespickt ist, deutlich an. Eine Geschichte über eine außergewöhnliche Party, Drogen und Freundschaft. Fluoreszierend, extravagant und dämonisch. Für nervenstarke Jugendliche ab 14 Jahren und Erwachsene.
Casey war zweieinhalb Monate in einer Entzugsklinik. Wegen Tablettensucht. Seit einem Foul beim Fußballspiel hat sie ein kaputtes Knie und deswegen Schmerzmittel verschrieben bekommen. Tabletten, die sie süchtig gemacht haben. “Der Abend, an dem ich in die Entzugsklinik gebracht wurde, ist immer noch ein weißer Fleck in meiner Erinnerung. Ich weiß nichts mehr von dem, was geschehen ist, aber Shana sagte, ich sei ohnmächtig geworden […] Meine Eltern sind nur ausgeflippt, weil ich bewusstlos war, aber mein Arzt sagt, dass so etwas keine Seltenheit ist. War keine große Sache.”(Zitat S.11) Jetzt machen alle ein Drama darum. Auch mit ihren Fußballfreundinnen fühlt es sich nicht mehr normal an. Man redet hinter ihrem Rücken über sie. “Ich bin es so leid, dass alle mich ansehen, als wäre ich eine Bombe, die jeden Augenblick explodieren kann.” (Zitat S.10) Die Einzige, die Casey völlig normal behandelt ist Shana. Das zügellose, rebellische Mädchen, das zur Begrüßung schon mal “Schlampe” sagt und in halsbrecherischem Tempo auf der Gegenfahrbahn fährt und erst in letzter Sekunde das Steuer wieder herumreißt. “Miststück”, sage ich und sacke auf dem Sitz zusammen. Angst lässt meine Haut prickeln wie von tausend Nadelstichen und mein Atem geht stoßweise. Ich dachte, wir würden sterben. Aber wir sind nicht tot. […] Im Gegenteil — so lebendig wie jetzt habe ich mich seit drei Monaten nicht mehr gefühlt.”(Zitat S.35) Mit Shana befreundet zu sein — das ist pures Adrenalin, Gefahr und ein Leben wie im Rausch. Als Casey von ihr zu einem Underground-Rave nach New York entführt wird, statt auf eine Pyjamaparty mit ihren “normalen” Freundinnen zu gehen, ist es die Ahnung eines Abenteuers, das sie lockt. Die Party findet an einem geheimen Ort statt, den Shana und ihre anderen Freundinnen Aya und Julie bald ausfindig machen. Mit von der Partie ist auch Sam, Caseys Ex, den sie nach Monaten das erste Mal wiedersieht. Ist da noch etwa zwischen ihnen? In einem alten U‑Bahn-Schacht steigt bald eine rauschende Feier. Das Motto: “Survive the night”. Und niemand darf die Party verlassen. Erst wenn sie zu Ende ist, um 5Uhr früh. Bis dahin kann in den unüberschaubaren Schächten, in der außergewöhnlichen Atmosphäre viel passieren… Und bald stolpert Casey in einem Schacht über einen leblosen Körper. Es ist Julie. Sie ist tot. In ihrem Bauch ein riesiges Loch. Und der Mörder scheint noch unter ihnen zu weilen…
“Survive the night” wird durchgängig aus Casey Sicht in der Ich-Perspektive erzählt. Die Sprache ist angenehm und flüssig. Inhaltlich gesehen schenkt Danielle Vega ihren Lesern jedoch nichts. Sie beschreibt auch eklige, entsetzliche Zustände äußerst exakt. Bereits der erste Satz des Buches lässt Unheilvolles erahnen: “Es stimmt nicht, dass tote Menschen so aussehen, als würden sie schlafen…” Auch andere abstoßende, grauenvolle Elemente finden zuweilen Einzug in die Geschichte: Ratten, die über die Straße laufen; eine Katze mit einer eitrigen Wunde, die Caseys Weg kreuzt und ein Obdachloser mit einem gruseligen Äußeren: “Er hat nur ein Auge und die Haut über der leeren Augenhöhle sieht glänzend und wund aus. Zu Stirn und Wangenknochen hin wird sie fleckig. Runzelige, schwärzliche Geschwüre bedecken sein Gesicht.” (Zitat S.64ff) Der Roman ist nicht gerade für Zartbesaitete geschrieben. Man muss hier schon einiges verkraften können. Vor allem als die tote Julie auftaucht, wird dem Leser einiges abverlangt: “Ich sehe das zerklüftete Loch in Julies Brust vor mir. Knochen, die aus der Haut ragen. Zerfetztes Fleisch. Warme, klebrige Blutpfützen. Irgendwer hat ihr dieses Loch zugefügt. Bittere Galle steigt in mir hoch. Irgendwer hat den Körper meiner Freundin aufgeschlitzt und nicht aufgehört, als das Leben aus ihren Augen wich. Irgendwer schnitt ihr die Eingeweide raus, als sei sie ein Tier. Sie wurde regelrecht ausgeschlachtet.” (Zitat S.104) Erzählerisch gesehen ist die Geschichte sehr interessant gestaltet, da sich zwischenzeitlich immer wieder Erinnerungen an früher in den Text einreihen. An die entstehende Freundschaft zwischen Casey und Shana; an die Dinge (auch die nicht so schönen), die sie gemeinsam erlebt haben; an Caseys Zeit in der Entzugsklinik und an ihre Beziehung zu Sam. Ideal gemacht ist auf jeden Fall das geheimnisvolle Cover und die schwärzliche Umrandung eines jeden Kapitelanfangs. Sie passen zu der düsteren Stimmung, die das Buch durchdringt. Und um es mit Shanas Worte zu sagen: “Begreif es endlich, du wirst ein unglaublich aufregendes und gefährliches Leben führen.” Sie zwinkert mir zu. “Ob du willst oder nicht.” (Zitat S.27). Denn aufregend wird es innerhalb dieser 266 Seiten definitiv. Besonders zum Ende hin wird es dann wirklich gruselig!
««««Achtung Spoiler!!!!»»»» Etwas seltsam fand ich nur die schnelle Abwesenheit der Polizisten beim Räumen der Party…? Aber die hätten natürlich beim Fortgang der Geschichte nur gestört;-) ««««Spoiler Ende»»»»
Wenn dir “Survive the night” gefallen hat, dann lies doch noch das andere Buch von Danielle Vega, das bereits ins Deutsche übersetzt wurde: “Die Unbarmherzigen”. Hier geht es ebenfalls sehr heftig zu und das Thema Exorzismus wird in den Mittelpunkt gestellt. Eine gute Alternative ist ebenfalls “Sag nie ihren Namen” von James Dawson. Wenn du andere gute Horrorbücher lesen möchtest, dann greif zum Beispiel zu den Büchern von Rhiannon Lassiter “Der 13.Gast” oder “Böses Blut”. Neu als Taschenbuch ist jetzt auch “Stigmata: Nichts bleibt verborgen” von Beatrix Gurian erschienen. Klasse fand ich ebenso den noch relativ neuen Titel “Das Nest” von Kenneth Oppel.
Bibliografische Angaben: Verlag: Beltz & Gelberg ISBN: 978-3-407-74731-0 Erscheinungsdatum: 11.Juli 2016 Einbandart: Hardcover Preis: 14,95€ Seitenzahl: 272 Übersetzer: Inge Wehrmann Originaltitel: "Survive the night" Originalverlag: Razorbill Amerikanisches Cover:
Kasimiras Bewertung:
(4 von 5 möglichen Punkten)