Die niederländische Schriftstellerin Daniëlle Bakhuis hat mit “Denkzettel: Wenn dein Albtraum wahr wird” einen Roman geschrieben, der sich fast wie ein Thriller liest. Eine Geschichte über Mobbing, Schuld, Reue und Rache. Eindringlich und sehr fesselnd erzählt. Für Jugendliche ab 13 Jahren und interessierte Erwachsene.
Jade, die zuweilen einen Hang zur Dramatik hat, hat Liebeskummer. Ihr Freund hat sie verlassen. In den Sommerferien hat sie sich regelrecht daheim eingeigelt. Doch auch in ihrer Familie hängt der Haussegen schief, seit der Vater gestanden hat, in eine andere verliebt gewesen zu sein. Auf einmal ist ihre Mutter ganz bemüht perfekt auszusehen und erwartet von Jade und ihrer älteren Schwester Sofie vorbildhaftestes Verhalten. Jades beste Freundin Finn behauptet hingegen, dass Unglück immer im Dreierpack käme. Und tatsächlich geschieht — als die Schule wieder anfängt — etwas, womit das Mädchen nicht gerechnet hätte: Zoë ist wieder da. Vor vier Jahren hat Jade diese mit zwei damaligen Freundinnen gemobbt, so dass Zoë irgendwann die Schule verließ. Und jetzt ist aus der Außenseiterin, die sich nie zur Wehr gesetzt hat, plötzlich eine wahre Schönheit geworden! Sie scheint mühelos Anschluss zu finden in eine der In-Cliquen der Klasse, zu denen Jade nie gehört hat. Dann taucht auch noch ein seltsamer Zettel auf: “Was, wenn… alle dich auslachen?” (Zitat aus “Denkzettel: Wenn dein Albtraum wahr wird”, S.94). Und irgendjemand hat braunen Sirup auf ihre Hose geschmiert, die sie nach dem Sportunterricht wohl oder übel wieder anziehen muss. Schließlich hat es auch noch die neue Clique, in der Zoë ist, auf Jade abgesehen. Ist das Zoë’s Racheplan? Muss jetzt Jade für all ihre Taten büßen? Doch warum müssen ihre damaligen Freundinnen, die das Mädchen ebenfalls schikaniert haben, nicht dran glauben? Jade hat eine Ahnung, warum dies so ist. Aber sie kann mit niemandem darüber sprechen. Nicht einmal mit ihrer besten Freundin Finn. Denn diese wurde selbst früher einmal gemobbt, als die beiden noch nicht befreundet waren. Und Zoë’s Hass scheint grenzenlos zu sein…
“Denkzettel: Wenn dein Albtraum wahr wird” wird durchgängig aus Jades Sicht erzählt. Abgeleitet durch die Zusammenhänge schätze ich ihr Alter auf 16. In Rückblenden, die mit “Vier Jahre zuvor” eingeleitet werden, wird Zoë’s Mobbinggeschichte nach und nach erzählt. Allmählich die Hintergründe zu verstehen und mitzuverfolgen, was Jade in der Jetzt-Zeit passiert, liest sich sehr spannend. Die Sprache ist einfach und bietet einen schnellen Lesefluss. Der Roman macht aber auch vor allem nachdenklich. Er zeigt Abgründe menschlicher Seelen, beleuchtet, warum Menschen manchmal so handeln, wie sie handeln. Er lässt die Protagonistin über sich selbst reflektieren: “Ich bin ein Feigling, gehe allem Unangenehmen aus dem Weg. Wenn es leichter ist zu schweigen, dann schweige ich. Und wenn ich befürchte, dass meine Meinung nicht gut ankommt, ich nicht mehr als cool und nett gelte oder mich gar unbeliebt mache, wenn ich sie äußere? Kein Problem, dann behalte ich sie eben für mich.” Auch erkennt Jade, dass Mobbing auf viele Arten geschehen kann: “Mobben ist so viel mehr, als jemandem ein Bein zu stellen. Mobben heißt auch zu lachen, wenn jemand anderem ein Bein gestellt wird. Nichts zu sagen, wenn man es beobachtet. […] Und Mobben ist auch, sich im Hintergrund zu halten, wenn man weiß, dass jemand vor allen Leuten in sein Verderben rennt.” (Zitat S.213)
Das Buch zeigt aber auch wie wichtig es ist, nicht immer alles mit sich selbst auszumachen. Es ist Jades Schwester Sofie, die dem Mädchen klarmacht, dass in ihrer Familie viel zu viel unter den Tisch gekehrt wird und dass es nicht immer sinnvoll ist, alles mit sich selbst auszumachen. Dass dadurch sogar Panikattacken entstehen können. Denn auch Jade hat ein Jahr in ihrer Schulzeit erlebt, in dem sie keine Freundin hatte. In dem sie eine Außenseiterin war. Dass sie jedoch verdrängt hat: “Es fühlt sich so an”, sagt sie [Sofia] mit piepsiger Stimme, “als ob dir eine Hand an der Kehle sitzen würde, die deine Luftröhre immer weiter zudrückt. […] Wir Verschuurs tun gern so, als wäre nichts, aber Trauer, Schuld, Scham — all diese Dinge — kommen irgendwann wieder hoch. Glaub mir.” (Zitat S.70). Jetzt muss auch Jade sich mit ihrer Schuld auseinandersetzen. Und sie merkt vor allem, dass sie vieles von damals verdrängt hat. Schlimme Dinge, die geschehen sind… Das Ende des Romans birgt eine Überraschung, war mir jedoch ein wenig zu unausgereift. Manche Handlungsstränge (zum Beispiel zwischen Jade und Finn) werden zu schnell aufgelöst, dass es fast schon wieder etwas unglaubwürdig erscheint. Andere (zwischen Jade und Zoë) bleiben ein wenig zu offen, wo man sich noch mehr Informationen gewünscht hätte. Aber am besten: selber lesen und eine eigene Meinung bilden! Toll finde ich das niederländische Cover (siehe unten), welches sehr geheimnisvoll aussieht. Das deutsche ist eher auffallend in der roten Signalfarbe.
Eine Alternative zu “Denkzettel: Wenn dein Albtraum Wahrheit wird” ist “Das wirst du bereuen” von Amanda Maciel. Dieses setzt sich ebenfalls mit der Perspektive der Mobber auseinander. Ansonsten hat es mich irgendwie auch ein wenig an “Tausend Mal gedenk ich dein” von Heike Eva Schmidt erinnert, welches sich mit Mobbing und Freundschaft beschäftigt und ebenso ein überraschendes Ende liefert. Ein bewegender Roman zum Thema Schuld ist “Das haben wir nicht gewollt” von Paul Zindel. Rache zu nehmen und das Leben eines anderen nach und nach zu zerstören, das findest du auch in den Romanen “Die Besessene” von S.B.Hayes, “Du denkst, du weißt, wer ich bin” von Em Bailey, “Spinnenfalle” von Nina Schindler oder “Spring in den Himmel” von Lotte Kinskofer. Ein Roman über Mobbing, der sich wie ein Puzzle langsam zusammensetzt, ähnlich wie in “Denkzettel: Wenn dein Albtraum Wahrheit wird” ist das spannende “Wach auf, wenn du dich traust” von Angela Mohr.
Bibliografische Angaben:Verlag: Arena ISBN: 978-3-401-60049-9 Erscheinungsdatum: 10.Juni 2015 Einbandart: Broschur Preis: 12,99€ Seitenzahl: 264 Übersetzer: Sonja Fiedler-Tresp Originaltitel: "Wat als..." Originalverlag: Ploegsma Niederländisches Originalcover:
Niederländischer Trailer:
Kasimiras Bewertung:
(3,5 von 5 möglichen Punkten)
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Das Bild "Sad teenage Girl" © Oksix/ Fotolia
Niederländisches Cover: Homepage von Daniëlle Bakhuis