“Becoming Elektra: Sie bestimmen wer du bist” von dem deutschen Autoren und Fantasy-Experten Christian Handel ist ein Thriller, der in die nahe Zukunft des Jahres 2083 entführt, in der das Klonen von Menschen bereits selbstverständlich ist. Eine Geschichte über das Spiel mit den Identitäten, einer Welt voller Intrigen und einem Mädchen, das ihr Original nach deren unerwarteten Tod plötzlich ersetzen soll. Eine unterhaltsame Geschichte, die zum Nachdenken anregt. Für Jugendliche ab 14 Jahren und interessierte Erwachsene.
Isabel lebt im Institut. Mit ihrer Zwillingsschwester Kelsey. Das Institut haben sie noch nie verlassen. “Jedenfalls nicht bis zu meinem zwanzigsten Geburtstag, dem Zeitpunkt, an dem mich meine Eigentümer aus meiner Pflicht entlassen, weil dann die nächste Generation alt genug ist, unsere Plätze einzunehmen.” (Zitat aus “Becoming Elektra” S.9) Denn Isabel und Kelsey sind Klone. Menschen zweiter Klasse, die in einer abgeschiedenen Welt leben, bis sie — oder Teile von ihren Organen — von ihren Besitzern gebraucht werden. “Nicht jeder verfügt über das notwendige Kleingeld, einen Klon herstellen zu lassen — oder zwei, oder drei. Wir sind Ersatzteillager für Organe, Extremitäten, Knochenmark und Hornhaut. […] Ein Anruf genügt, und eine neue Niere wird auf dem Silbertablett geliefert” (Zitat S.11ff) Vor allem die reichen, einflussreichen Menschen könnensich Klone leisten. Und auch nicht jeder Klon weiß, welche Person ihr Besitzer ist. Isabel und Kelsey, die durch heimlich eingeschleuste Zeitschriften manches mitbekommen, wissen es. Es ist Elektra Hamilton — “…die Tochter des Eigentümer des Instituts — des Mannes, der aus dem Klonen ein Geschäft gemacht hat.” (Zitat S.19) Doch sie sprechen nicht gerne über ihr Original. Kelsey musste Elektra bereits einen Niere spenden und erfreut sich — im Gegensatz zu Isabel — nicht mehr bester Gesundheit. “Wenn ich in den Spiegel blicke, sehe ich nicht mich. Ich sehe auch nicht Kelsey. Ich sehe nur sie. Und ich hasse es.” (Zitat S.10) Doch nun wird Isabel plötzlich ins Büro der Direktorin gerufen. Dort warten die Eltern von Elektra Hamilton auf sie: Priamos und Sabine Hamilton. Ist nun Isabel an der Reihe etwas für deren Tochter zu spenden? “Dir ist bekannt, dass unsere Tochter vor Kurzem einen Eheschließungsvertrag mit Philip von Halmen geschlossen hat?”[…] “Meinen herzlichen Glückwunsch”, sage ich, ohne mich von ihr abzuwenden. “Sie sind sicher überglücklich.” “Gewiss”, erwidert Priamos Hamilton und zieht meine Aufmerksamkeit wieder auf sich. “Es gibt nur ein Problem. Elektra ist tot.” (Zitat S.25) Und Isabel soll ihren Platz einnehmen, ohne
dass die Öffentlichkeit etwas davon merkt. Nach einiger Bedenkzeit lässt sie sich darauf ein und landet in einer völlig neuen Welt. Voller Reichtum, Feindseligkeit und Intrigen. “Diese Familie ist eiskalt. Und ich muss genauso werden, wenn ich überleben will.” (Zitat S.71) Denn Elektra, wie sie schließlich erfährt, kam gar nicht bei einem Reitunfall ums Leben, sie wurde ermordet. Und der Mörder ist noch immer auf freiem Fuß…
Ein opulent gestaltetes Cover, eine interessant in Szene gesetzte Figur, die sich spiegelt und perfekt den Inhalt des Buches wiedergibt — “Becoming Elektra” macht bereits von außen neugierig auf diese Geschichte. Hilfreich um Verwandtschaftskonstellationen besser im Überblick zu behalten, bietet der Stammbaum am Anfang des Romans. Die Geschichte selbst startet mit einem Prolog und einer Tanzszene mit Phillip — ein Moment wie in einem Märchen. Doch der Schein trügt: “Es gibt jemanden, der mich tot sehen will. […] Denn das ist die Wirklichkeit: Ich bin nicht Cinderella. Und dies ist kein Märchen.” (Zitat S.7) Dann beginnt der Haupttext mit drei Wochen zuvor. Das Buch ist in einzelne Kapitel unterteilt und wird komplett aus Isabels Sicht in der Ich-Perspektive erzählt. Das Jahr 2083 wartet mit einigen Neuerungen auf und diese — zusammen mit Isabel, die vieles in der Welt außerhalb ihres Instituts nicht kennt — zu entdecken, liest sich sehr faszinierend. Man taucht schnell ein in eine Welt voller neuartiger Erfindungen wie IntelliLenses, Magnetaxen, Elastosreens und VitaScans. Dann drängen sich aber auch rasch ethische Fragen auf. Darf man Menschen einfach so klonen? Als Ersatzteillager missbrauchen? “Man kann uns ohne schlechtes Gewissen ausschlachten, denn wir wurden ja nur gezüchtet, nicht geboren. Wir sind keine freien Menschen, sondern Besitz. Man hat viel Geld in uns investiert -, und deshalb glauben unsere Eigentümer, ein Recht darauf zu haben, uns zu benutzen, auszuweiden und wegzuwerfen, wenn nichts mehr übrig ist, was noch gebraucht werden kann.” (Zitat S.12) Christian Handel setzt sich mit einem wichtigen Thema auseinander und verpackt dies in eine unterhaltsame Geschichte, verknüpft mit der Suche nach der eigenen Identität. Lässt die Bedrohung und die Bedeutung für die Klone s
elbst, schnell greifbar werden: “Was könnte Elektra diesmal von uns brauchen? Eine von Kelseys Nieren hat sie schon. Mit einem Schaudern denke ich an Alissa und die beiden schwarzen Löcher in ihrem Gesicht, dort, wo einst ihre Augen saßen.” (Zitat S.22) Mir persönlich hat manchmal etwas die Dramatik gefehlt. Dieses von Anfang an Mitgerissen werden. Natürlich fiebert man mit, wer der Mörder von Elektra gewesen sein könnte — es werden eine große Anzahl möglicher Täter genannt — aber dennoch steigert sich die Spannungskurve nur sehr gemächlich. Das Ende bietet einen kleinen Showdown, war mir in einer Hinsicht raffiniert geschrieben, in anderer Hinsicht jedoch zu schwach, da es zu vieles, das noch kommen könnte, andeutet, aber — so wie der Autor in einem Nachwort beschreibt — als Einzeltitel konzipiert ist.
Du suchst Lesealternativen zu “Becoming Elektra”? Über das Thema Klonen wurde in der Jugendliteratur einiges geschrieben. Lies zum Beispiel den Klassiker “Blueprint” von Charlotte Kerner oder “Perfect Copy: Die zweite Schöpfung” von Andreas Eschbach. In eine ähnliche Richtung gehen auch “Duplikat Jonas 7” von Birgit Rabisch und “Lost Girl: Im Schatten der Anderen” von Sangu Mandanna. Sehr gut gefiel mir auch “Zweiunddieselbe” von Mary E.Pearson. Etwas älter ist “Das Skorpionenhaus” von Nancy Farmer, und etwas heftiger mit der Thematik setzt sich Neal Shusterman in seiner gelungenen “Vollendet”-Reihe auseinander. Andere Klon-Romane sind “Remake” von Alison Allen-Gray, “Mein böses Blut” von Geoffrey Girard, “Machine Boy” von Andreas Schlüter und “Beta” von Rachel Cohn. Andere Bücher von Christian Handel sind “Hinter Dornenhecken und Zauberspiegeln”, “Rosen und Knochen: Die Hexenwald-Chroniken”, “In Hexenwäldern und Feentürmen” und “Von Fuchsgeistern und Wunderlampen”.
Bibliografische Angaben:Verlag: Ueberreuter ISBN: 978-3-7641-7094-3 Erscheinungsdatum: 12.Juli 2019 Einbandart: Hardcover Preis: 17,95€ Seitenzahl: 384 Übersetzer: - Originaltitel: - Originalverlag: - Originalcover: -
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