Cat Clarke — Gefährliche Freundinnen

Cat Clarke Gefährliche Freundinnen18.November 2018

Gefähr­li­che Freun­din­nen” ist der drit­te Roman der afri­ka­ni­schen Autorin Cat Clar­ke (die aber haupt­säch­lich in Schott­land lebt), der nun ins Deut­sche über­setzt wur­de. Eine Inter­nats- und Freund­schafts­ge­schich­te über Zusam­men­halt, Eifer­sucht und die Schat­ten der Ver­gan­gen­heit. Bewe­gend, inten­siv und sich lang­sam zuspit­zend. Für Jugend­li­che ab 14 Jah­ren und inter­es­sier­te Erwachsene.

Schott­land. Dun­crag­gan Cast­le. Nur durch einen uner­war­te­ten Lot­to­ge­winn ihrer Fami­lie kann die 17-jäh­ri­ge Har­per auf das ange­se­he­ne Inter­nat gehen. Doch irgend­wie ist der Besuch der neu­en Schu­le auch eine Flucht. Denn zu Hau­se da kann Har­per ein­fach nicht mehr blei­ben. “Sobald ich den Schlüs­sel in die Türe steck­te, spür­te ich es: eine Schwe­re, als hin­ge drin­nen eine dich­te Gift­wol­ke. Man bekam in unse­rem Haus fast kei­ne Luft mehr, aber irgend­wie atme­ten wir drei trotz­dem wei­ter ein und aus,…” (Zitat aus “Gefähr­li­che Freun­din­nen”) Denn Har­per hat­te eine Zwil­lings­schwes­ter namens Jen­na. Und die ist gestor­ben. An Mager­sucht. “Mei­ne Zwil­lings­schwes­ter war fünf­zehn Jah­re alt, als sie starb. Sie wog etwas mehr als 30 Kilo­gramm. Das Gan­ze fing mit einer Diät nach Weih­nach­ten an. Und die war mei­ne Idee.” (Zitat S.15) Eigent­lich war es Kasimiraimmer der gemein­sa­me Traum der bei­den Schwes­tern gewe­sen ein Inter­nat zu besu­chen. Nun ist es nur noch Har­per, die die­sen Weg gehen kann. Glück­li­cher­wei­se fin­det sie schnell Anschluss an eine Mäd­chen­cli­que: Rowan, Lily und Ama sind fort­an ihre Freun­din­nen. Mit Rowan, mit der sie sich beson­ders gut ver­steht, teilt sich Har­per sogar ein Zim­mer. Doch dann stößt der Neu­zu­gang Kirs­ty zu ihnen. Das Mäd­chen ist ruhig, aber freun­det sich trotz­dem mit ihnen an. Inzwi­schen kommt es mir vor, als wäre Kirs­ty eine von uns. Zwar ist sie manch­mal bei den Mahl­zei­ten so schweig­sam, dass man ihre Anwe­sen­heit bei­nah ver­gisst. Aber dann stellt sie eine Fra­ge oder macht eine Bemer­kung und man merkt, dass sie unse­rer klei­nen Gang etwas zu geben hat. Sie schaut ganz anders auf die Din­ge, als wür­de sie uns durch eine neue Bril­le sehen.” (Zitat S.76) Dass Har­per sich beson­ders gut mit Kirs­ty ver­steht, liegt aber wohl auch dar­an, dass die­se eben­falls ihre Schwes­ter ver­lo­ren hat. Die­se Gemein­sam­keit ver­bin­det sie. Führt aber auch zu Eifer­sucht bei Rowan, die sich links lie­gen gelas­sen fühlt. Dann tre­ten auf ein­mal Geheim­nis­se an die Öffent­lich­keit, die lie­ber im Ver­bor­ge­nen geblie­ben wären und die zwi­schen den Mäd­chen alles verändern…

KasimiraWas mir zu Beginn von “Gefähr­li­che Freun­din­nen” — neben dem fas­zi­nie­ren­den Cover — sehr gut gefal­len hat, ist der geschick­te Erzähl­wech­sel zwi­schen Jetzt­zeit und Ver­gan­gen­heit, wäh­rend Har­per, die durch­ge­hend in der Ich-Per­spek­ti­ve berich­tet, die Geschich­te ihrer Fami­lie auf­rollt. Die­se und die Fra­ge nach der Schuld am Tod ihrer Schwes­ter, die das jun­ge Mäd­chen sich gibt, stel­len einen zen­tra­len The­men­schwer­punkt im ers­ten Teil des Romans dar. Kei­ner weiß, dass das mei­ne Idee, und dass ich Jen­na unter Druck gesetzt habe, mit­zu­ma­chen. Mir war näm­lich klar, dass ich allei­ne schon nach weni­gen Tagen auf­ge­ben wür­de. Des­halb habe ich sie moti­viert; es wür­de Spaß machen, habe ich zu ihr gesagt, und dass wir es zusam­men machen soll­ten. Sie war kei­nes­wegs über­ge­wich­tig, nicht ein­mal annä­hernd. Auch ich war das nicht, aber ich war ein klei­nes biss­chen schwe­rer als sie und konn­te das nicht ertra­gen.” (Zitat S.18ff) Die Spra­che ist sehr flüs­sig und ange­nehm und man bleibt mühe­los im Lese­fluss. Der weit­aus grö­ße­re The­men­kom­plex des Buches beschäf­tigt sich jedoch mit der Freund­schafts­ge­schich­te zwi­schen den Mäd­chen. Man erhält hier nicht nur einen inten­si­ven Ein­blick in den All­tag des Inter­nats­le­bens (Strei­che, heim­li­che Par­tys und Zicke­rei­en unter­ein­an­der inklu­si­ve), sondKasimiraern auch ein sehr aus­führ­li­ches Bild einer Freund­schaft, die geprägt ist durch Höhen und Tie­fen, Pha­sen des Ver­trau­ens und sich Annä­herns, aber auch von Gefüh­len wie Eifer­sucht und Miss­trau­en. Vor allem Kirs­tys Auf­tau­chen ver­än­dert eini­ges zwi­schen den Mäd­chen. Vie­les geschieht hier unter­schwel­lig und zwi­schen den Zei­len. Bleibt unaus­ge­spro­chen und steht den­noch wie ein Bedro­hung im Raum. Jedoch muss ich geste­hen, dass mir “Gefähr­li­che Freun­din­nen” manch­mal — auch wenn es inter­es­sant zu lesen ist — zu sehr vor sich hin­plät­scher­te und teil­wei­se irgend­wie der rote Faden fehl­te oder eine gewis­se Art von Dra­ma­tik, die auf­ge­baut wird. Die­se fin­det man zwar schließ­lich, jedoch erst am Ende. Wobei mir die Auf­lö­sung fast etwas zu ein­fach war, da hät­te ich mir noch etwas mehr Pfiff gewünscht.

Fazit: Eine inten­si­ve Freund­schafts­ge­schich­te, die gut anfängt, aber mich dann lei­der nicht rich­tig fes­seln könn­te. Aber am bes­ten selbst lesen und eine eige­ne Mei­nung bilden!

Dir hat “Gefähr­li­che Freun­din­nen” gefal­len und du möch­test noch mehr von Cat Clar­ke lesen? Ihr ers­ter Roman auf Deutsch erschien 2012: “Ver­giss­dein­nicht”, das ich rich­tig gelun­gen fand. 2016 wur­de dann “Fal­sche Schwes­tern” ver­öf­fent­licht, das mir noch etwas bes­ser gefal­len hat als das aktu­el­le Werk. 2017 wur­de eine Samm­lung von LesealternativenKurz­ge­schich­ten ver­öf­fent­licht, von denen auch eine von Cat Clar­ke ist: “Weih­nach­ten will ich zu Hau­se sein”. Ein neu­es Mäd­chen an der Schu­le, das eben­so man­che Ges­ten der Prot­ago­nis­tin nach­ahmt? Das fin­dest du in dem span­nen­den “Du denkst, du weißt, wer ich bin” von Em Bai­ley. Sehr gut könn­te ich mir mit ähn­li­cher The­ma­tik auch “Die Beses­se­ne” von S.B. Hayes vor­stel­len, in wel­chem das Grau­en lang­sam um sich greift. Eine Freund­schaft, die die Haupt­per­son nach­hal­tig ver­än­dert? Das pas­siert in dem Roman “Ein ande­res Para­dies” von Chel­sey Phil­pot, der eben­falls in einem Inter­nat spielt. Eine Freund­schafts­ge­schich­te, in der beson­ders Eifer­sucht eine gro­ße Rol­le spielt, kannst du in “Tau­send Mal gedenk ich dein” von Hei­ke E.Schmidt ent­de­cken, wel­ches ein wirk­lich bril­lan­tes, aus­ge­reif­tes Ende hat. Oder lies “Ich will end­lich flie­gen, so ein­fach ist das” von Kata­ri­na von Bre­dow, eine wirk­lich schö­ne Freund­schafts­ge­schich­te, in der die Prot­ago­nis­tin selt­sa­mer­wei­se mit einer neu­en Klas­sen­ka­me­ra­din, die ähn­li­ches erlebt hat, bes­ser über das The­ma Tod spre­chen kann, als mit ihrer bis­he­ri­gen bes­ten Freun­din. Der Tod der Zwil­lings­schwes­ter das beschäf­tigt auch die Haupt­per­son in dem bezau­bern­den “Die Stil­le mei­ner Wor­te” von Ava Reed.

Bibliografische Angaben:
Schilder was wo wer wannVerlag: Fischer
ISBN: 978-3-8414-4024-
Erscheinungsdatum: 24.Oktober 2018
Einbandart: Broschur
Preis: 14,99
Seitenzahl: 352
Übersetzer: Elisabeth Müller
Originaltitel: "Girlhood"
Originalverlag: Quercus

Englisches Originalcover:
Kasimira
Cat Clarke stellt ihr Buch vor (auf Englisch):

Kasimiras Bewertung:

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(3 von 5 mög­li­chen Punkten)

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Englisches Cover: Homepage von Cat Clarke

1 Kommentar

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