Carolin Wahl — Staat X: Wir haben die Macht!

Kasimira12.April 2019

Staat X: Wir haben die Macht!” von der deut­schen Autorin Caro­lin Wahl ist ein Span­nungs­ro­man, der ein biss­chen nach “Die Wel­le” klingt, nur etwas poli­ti­scher. Ein Expe­ri­ment an einer Schu­le. Ein Ver­such, der außer Kon­trol­le gerät. Ein Buch, das die Mecha­nis­men von Macht, Grup­pen­dy­na­mi­ken und ein Geflecht von Bezie­hun­gen in den Mit­tel­punkt stellt. Ich habe schon lan­ge nichts mehr so Fes­seln­des, Durch­dach­tes und gut Erzähl­tes gele­sen! Lese­tipp!! Für Jugend­li­che ab 14 Jah­ren und Erwachsene.

Zwei Jah­re haben sie sich vor­be­rei­tet. Zahl­rei­che Schü­ler und Leh­rer des Johan­nes-Guten­berg-Gym­na­si­ums. Jetzt ist es end­lich soweit. Das Pro­jekt “Staat X” star­tet und die gan­ze Schu­le wird sich für eine Woche lang in einen Staat ver­wan­deln. Alle Ämter wer­den besetzt. Ein Prä­si­dent wird gewählt. Es wer­den klei­ne Cafés und Bars eröff­net, es gibt ein Schwimm­bad, ein Kino, zwei Zei­tun­gen und sogar eine eige­ne Wäh­rung, die sich Xero nennt. Und abends müs­sen die Schü­ler, die einer arbei­ten­den Tätig­keit nach­ge­hen, ihre Steu­ern bezah­len. Wir haben uns für eine etwas gewag­te­re Vari­an­te von Schu­le als Staat ent­schie­den, denn die höhe­ren Klas­sen wer­den Kasimiraauch in der Schu­le über­nach­ten. Das hat anfangs für vie­le Dis­kus­sio­nen gesorgt, aber wir haben und dazu ent­schlos­sen, noch einen Schritt wei­ter­zu­ge­hen: Den Staat wirk­lich in die Hän­de der Schü­ler zu über­ge­ben, was eine rie­si­ge Ver­ant­wor­tung ist, aber gleich­zei­tig auch ein tol­les Expe­ri­ment. So kön­nen wir sehen, ob sie tat­säch­lich fähig sind, einen Staat zu füh­ren.” (Zitat aus “Staat X: Wir haben die Macht!” S.30) Nur drei Leh­rer sind wäh­rend der Woche in der Schu­le anwe­send, die sich aber im Hin­ter­grund hal­ten und nicht aktiv in irgend­et­was ein­grei­fen dür­fen. Mit bei dem Pro­jekt machen auch Adri­an, Melina, Lara und Vin­cent mit. Für Adri­an, der unter sei­nem tyran­ni­schen, Leis­tung ein­for­dern­den Vater lei­det, ist die Schu­le der ein­zi­ge Ort, an dem er sich nicht klein füh­len muss. Natür­lich hat er sich zur Wahl des Prä­si­den­ten auf­stel­len las­sen, um es sei­nem Vater zu zei­gen. Doch, was wenn er die Wahl gar nicht gewinnt? Melina ist schüch­tern und eher unschein­bar. Sie führt mit ihrer bes­ten Freun­din in Staat X die “Bücher­eu­le” und ver­sucht mög­lichst im Hin­ter­grund zu blei­ben. Vor allem KasimiraAdri­an, mit dem sie ein unaus­ge­spro­che­nes Geheim­nis ver­bin­det, will sie auf kei­nen Fall über den Weg lau­fen. Lara ist neu an der Schu­le. Schon der vier­te Umzug liegt hin­ter ihr und sie wünscht sich vor allem eines: dazu­zu­ge­hö­ren. Nicht wie­der Außen­sei­ter zu sein. Doch dann erfährt sie, dass sie “arbeits­los” ist in Staat X und auch abends wie­der nach Hau­se gehen soll und nicht wie die ande­ren Ober­klas­sen-Schü­ler über­nach­ten darf. Wie soll sie da Anschluss fin­den? Vin­cent ist antriebs­los, unsi­cher und wird von sei­nen Freun­den auf­ge­zo­gen, dass aus­ge­rech­net er, der gele­gent­lich mal einen Joint raucht, jetzt zum “Poli­zist” in Staat X ernannt wor­den ist. Dann inter­es­sie­ren er und sein Freund Adam sich auch noch für das glei­che Mäd­chen. Für die neue Schü­le­rin Lara… Wäh­rend der Beginn von Staat X vor allem von gro­ßer Eupho­rie geprägt ist, müs­sen die Schü­ler bald fest­stel­len, dass Mani­pu­la­ti­on und Sabo­ta­ge Über­hand neh­men. Und bald gerät alles außer Kontrolle…

KasimiraStaat X: Wir haben die Macht!” macht mit einem fas­zi­nie­ren­den und per­fekt auf den Titel abge­stimm­ten Cover neu­gie­rig. Und es star­tet sogleich mit einem furio­sen Pro­log, der Lara in den Mit­tel­punkt setzt, die von einem Unbe­kann­ten im Schwimm­bad unter Was­ser getaucht wird: Ich hät­te mich ein­fach an die Regeln hal­ten sol­len, schoss es Lara durch den Kopf. Es gab nur eine Erklä­rung. Sie waren auf ihre Recher­chen über Staat X gesto­ßen. Und sie wür­den alles dafür tun, um sie zum Schwei­gen zu brin­gen.” (Zitat S.5) Der Roman, der fast schon einem Thril­ler gleicht ist in per­so­na­ler Erzähl­wei­se geschrie­ben und setzt vor allem die vier Prot­ago­nis­ten in den Mit­tel­punkt, deren Kapi­tel mit einem fet­ten “X” und ihrem jewei­li­gen Namen ein­ge­lei­tet wer­den. Dann gibt es aber auch immer wie­der kur­ze Kapi­tel, die zwar mit einem “X” begin­nen, aber kei­nen Namen tra­gen, son­dern ein Zitat aus dem Geset­zes­text des “Staat X” nen­nen, wie zum Bei­spiel “Die Jus­tiz regelt den Umgang mit Ver­stö­ßen gegen Geset­ze. Wahl­sys­tem, Staat X” (Zitat S.83). Hier erzäh­len eben­so Kasimiraande­re Schü­ler ihre kur­ze Sicht der Din­ge. Es wer­den unheim­lich vie­le Per­so­nen genannt, jedoch gelingt das Ein­fin­den in die Zusam­men­hän­ge der Geschich­te sehr gut. Das Expe­ri­ment mit dem künst­lich erschaf­fe­nen Staat ist über­aus fas­zi­nie­rend und lässt inter­es­san­te Par­al­le­len zur Rea­li­tät erken­nen, die auch den Schü­lern rasch bewusst wer­den: “Für einen Moment dach­te er an sei­ne über­zo­ge­nen Wahl­ver­spre­chen — nied­ri­ge Steu­ern, gute Löh­ne und kur­ze Arbeits­zei­ten -, alles Ver­spre­chen, die er unmög­lich ein­hal­ten konn­te, ohne Staat X nach zwei Tagen in den Ruin zu trei­ben. Gleich­zei­tig war ihm sehr wohl bewusst, dass es in der rea­len Poli­tik auch nicht anders aus­sah: lee­re Wor­te und ver­dreh­te Wahr­hei­ten.(Zitat S.35) Die Mecha­nis­men von Macht, von Kor­rup­ti­on und Mani­pu­la­ti­on wer­den äußerst gut in eine span­nen­de Geschich­te ein­ge­baut und regen vor allem Schü­ler — das Buch ist her­vor­ra­gend für eine Buch­vor­stel­lung oder als Klas­sen­lek­tü­re geeig­net — zum Nach­den­ken an! Was mir vor allem an “Staat X: Wir sind die Macht!” gefal­len hat, ist die Spra­che der Autorin. Man­che Sät­ze habe ich tat­säch­lich ein wei­te­res Mal lesen müs­sen, weil sie so per­fekt for­mu­liert sind. Stim­mun­gen, Zwi­schen­tö­ne und sich rasch ver­än­dern­de Gefüh­le hat Caro­lin Wahl zudem sehr gut getrof­fen: “Adri­an grins­te und wand­te sich in ihre Rich­tung. Sein Blick traf sie wie ein Blitz­schlag. Für den Bruch­teil eines KasimiraMoments mein­te sie, ein Auf­leuch­ten in sei­nen dun­kel­brau­nen Augen zu erken­nen, etwas, das sich ver­traut anfühl­te wie Fin­ger­spit­zen, die über ihre Haut stri­chen. Doch dann erlosch das Leuch­ten und mach­te einem har­ten Aus­druck Platz. Einem Aus­druck, der wie Zart­bit­ter­scho­ko­la­de auf ihrer Zun­ge kleb­te.” (Zitat S.38ff) Der Roman bleibt sehr geheim­nis­voll. Vie­le Andeu­tun­gen durch­zie­hen die Geschich­te, die neu­gie­rig auf die Hin­ter­grün­de machen. Die Figu­ren sind facet­ten­reich und tief­grün­dig skiz­ziert und wir­ken sehr leben­dig. Und am Ende wird es rich­tig schön nervenaufreibend!

Fazit: End­lich mal wie­der ein Buch, bei dem man wirk­lich Lust hat, in jeder frei­en Minu­te weiterzulesen!

Dir gefällt Caro­lin Wahls Erzähl­stil? Sie hat noch ein wei­te­res Jugend­buch geschrie­ben, das zwar auch ein Schul­pro­jekt zeigt, aller­dings eher etwas roman­ti­scher wirkt: “Mond­schein­küs­se hal­ten län­ger”. Du mLesealternativenagst Bücher über ein Schul­pro­jekt? Dann lies auf jeden Fall den moder­nen Klas­si­ker “Die Wel­le” von Mor­ton Rhue oder “Das Pro­jekt” von Ali­ce Gaba­t­hul­er. In eine poli­ti­sche Rich­tung gehen auch “Das Insel­ex­pe­ri­ment” von Alek­san­der Mel­li und “Rot oder Blau: Du hast die Wahl” von Man­fred Thei­sen. Jugend­li­che auf sich allein gestellt, die ums Über­le­ben kämp­fen und ihre eige­nen Hier­ar­chien ent­de­cken, das erlebst du zudem in der “Monu­ment 14”-Rei­he von Emmy Lay­bourne, in “Herr der Flie­gen” von Wil­liam Gol­ding und in der hoch­span­nen­den “Gone”-Rei­he von Micha­el GrantSehr gut vor­stel­len könn­te ich mir auch das schon etwas älte­re “Got­cha!” von Shel­ley Hrd­lit­sch­ka, in dem ein Spiel außer Kon­trol­le gerät. Das­sel­be pas­siert in “Ner­ve: Das Spiel ist aus, wenn wir es sagen” von Jean­ne Ryan und in “Panic: Wer Angst hat, ist raus” von Lau­ren Oli­ver. Klas­se fand ich eben­falls “Die Liga der Guten” von Rüdi­ger Bert­ram

Bibliografische Angaben:
Schilder was wo wer wannVerlag: Loewe
ISBN: 978-3-7432-0230-6
Erscheinungsdatum: 11.März 2019
Einbandart: Taschenbuch
Preis: 9,95€ 
Seitenzahl: 400 
Übersetzer: -
Originaltitel: - 
Originalverlag: -
Originalcover: -

Kasimiras Bewertung:

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(5 von 5 mög­li­chen Punkten)

Die­ser Titel hat es in fol­gen­de Kate­go­rie geschafft: **Kasi­mi­ras Lieb­lings­bü­cher**

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