Die deutsche Autorin Tania Witte hat ein neues Buch geschrieben: “Die Stille zwischen den Sekunden”, das vor Kurzem im Buchhandel erschienen ist.
Worum geht es?
Der Roman erzählt die Geschichte von Mara, die ein Attentat in einer U‑Bahn dadurch überlebt hat, dass sie eben diese Bahn im letzten Moment verpasst hat. Dennoch bringt dieses Ereignis ihr Leben völlig durcheinander. Denn Sirîn, ihre beste Freundin, die aus einer kurdischen, überfürsorglichen Familie stammt, wird seitdem von ihr ferngehalten. Sie darf nicht mehr in die Schule gehen, bekommt Hausarrest und kann Mara auch nur noch sehr sporadisch Nachrichten schreiben. Zusammen mit Chriso, einem Jungen aus ihrer Schule, für den Mara schon lange schwärmt, versucht sie dem Ganzen auf den Grund zu gehen und Sirîn zu helfen…
Wie hat Kasimira dieses Buch bewertet?
ZITAT: “Ein tiefgründiger, bewegender Roman — ein Kaleidoskop aus langsam entstehendem Entsetzen, Tragik und Täuschung. Dieses Buch wird man definitiv so schnell nicht vergessen!”
Hier geht es zur ausführlichen Rezension.

Es ist soweit — die erste Belegexemplare sind eingetroffen!!
Liebe Tania, du hast vor einigen Tagen dein neues Buch veröffentlicht: “Die Stille zwischen den Sekunden” (Arena Verlag). Warst du sehr aufgeregt, als es endlich in den Buchläden erhältlich war?
Absolut! Ein neues Buch das erste Mal in den Händen halten, es anfassen, spüren, wie schwer es ist, es riechen … Das ist auch beim sechsten Buch noch ein unglaubliches Gefühl. Sobald es dann im Buchhandel ist, beginnt das Warten auf die Meinungen, Feedbacks, Bewertungen, Rezensionen … Es ist eine ganz schöne Emo-Achterbahn, das kann ich dir sagen.
Beschreibe den Inhalt in 3 Worten.
Freundschaft, Verlust, Familie. (Und Gesellschaft. Und Social Media.)

Grafiker: Alexander Kopainski
Das Cover ist wunderschön geworden. Hattest du ein Mitspracherecht?
Nein. Ich werde natürlich gefragt, wie ich es finde, und darf Kleinigkeiten anmerken – aber die Entscheidung liegt immer beim Verlag. Ich hab eigentlich keine Ahnung, was geschähe, wenn ich es nicht schön fände – bisher war ich bei meinen Arena-Büchern immer begeistert. Diesmal sogar so sehr, dass ich dem Grafiker eine spontane Dankesmail geschrieben habe.
Genauso wichtig wie ein schönes Cover ist ein ausdrucksstarker Titel. “Die Stille zwischen den Sekunden” klingt sehr poetisch und passt wie die Faust aufs Auge. Gab es eigentlich noch andere Arbeitstitel?
Auf meinem Rechner war es unter „In letzter Sekunde“ abgespeichert, aber das gab es schon und ohnehin sind Titel nicht meine größte Stärke. Als meine Lektorin „Die Stille zwischen den Sekunden“ vorschlug, war ich sofort begeistert – auch wegen der Poesie, von der du sprichst und die stellenweise, glaub ich, auch in meinem Schreiben wiederzufinden ist.
Wie bist du auf die Idee des Buches gekommen? Gab es ein bestimmtes Ereignis, das dich geprägt hat? Ein Terroranschlag beispielsweise?
Die Welt prägt mich, und die ist leider nicht immer schön. Ich bin ein wahnsinnig begeisterungsfähiger Mensch und kann mich am Schönen ausgiebig erfreuen, aber beim Schreiben interessieren mich die Momente, in denen Welten brechen … Bei „Die Stille …“ waren es zudem und besonders die Subthemen, die unter dem offensichtlichen Terroranschlag liegen: tiefe Freundschaft, Trauma, Vorurteile und immer wieder auch das Überwinden von Einsamkeit.

Tania Witte, geboren in Trier
Das Ende in “Die Stille zwischen den Sekunden” wird für einige Leser sehr überraschend kommen. Hast du zu Beginn bereits gewusst wie die Geschichte ausgehen würde? Oder ist das Ende spontan entstanden?
Deine Frage ist ein Riesenkompliment! Denn das Ende war natürlich der Dreh- und Angelpunkt, um den herum ich das Buch geschrieben habe. Um ein solches Ende glaubhaft zu machen, muss man wirklich mit sehr feiner Nadel stricken. Jedes Detail muss passen, sonst funktioniert die gesamte Geschichte nicht. Alles hat seinen Sinn und für alles findet sich eine Erklärung, wenn man das Buch ein zweites Mal liest. Das muss gut konstruiert sein und darf sich dabei keinesfalls konstruiert anfühlen. Die Idee, dass es spontan entstanden sein könnte, zeigt mir, dass mir das gelungen ist. Yeah! :)

Widmung auf der linken Seite
Als Widmung im Buch hast du “Für M und Y — ihr fehlt” angegeben. Möchtest du die Geschichte hinter diesen Buchstaben verraten?
Für mich war 2018 ein sehr heftiges Jahr, in dem der Tod sehr präsent war. Es sitzt noch zu tief und die Tränen sind zu nah, um mehr darüber erzählen zu können. Aber ich finde es schön, dass du bemerkst und fragst.
Wie lange hast du an dem Roman geschrieben? Gab es Stellen, die dir beim Schreiben besonders schwer gefallen sind?
„Die Stille zwischen den Sekunden“ schrieb sich quasi von selbst – teils, weil ich mich der erwähnten Verluste wegen in die Arbeit gestürzt hab, vor allem aber, weil es einfach großen Spaß gemacht hat, diese Geschichte zu schreiben. Ich war selbst erstaunt, dass das Rohmanuskript nach etwas mehr als vier Monaten fertig war. Und schwer … Schwer war das Ende, an dem ich weinend am Schreibtisch saß, aber das ist auch gut, wenn die Emotionen in einem Buch echt sind.
Was waren deine schönsten Momente bei der Entstehung des Buches?
Die Leichtigkeit, mit der es entstand. Dieses Buch wollte geschrieben werden, und das ist ein sehr beglückendes Gefühl.

Die Korrekturfahnen… das Buch im “Rohzustand”
Welche Bücher liest du privat? Bist du eine Leseratte? Was sind deine Lieblingsautor*innen?
Ich lese phasenweise ständig und überall, dann wieder wochenlang gar nicht (daran ist dann Netflix schuld). Ich hatte das Privileg in einem Haushalt aufzuwachsen, in dem es Bücher im Übermaß gab, durch die ich mich fressen konnte – trotzdem bin ich als Kind wöchentlich in die Bibliothek gerannt und habe stapelweise Bücher geholt und verschlungen.
Lieblingsautor*innen hab ich nicht, weil ich selten das gesamt Oeuvre einer Person im Schrank habe. Ich les wild durcheinander – gerade hab ich „Mehr Schwarz als Lila“ von Lena Gorelik gefeiert, auch im Kopf sind mir „Freak City“ von Kathrin Schrocke, „Fünf Tage im Mai“ von Elisabeth R. Hager, „Marienbilder“ von Tamara Bach, „Vakuum“ von Antje Wagner, „Freaky Green Eyes“ von Joyce Carol Oates, „Schneeriese“ von Susan Kreller, „Every Day“ von David Levithan, „Die Gabe“ von Naomi Alderman, „Die gleißende Welt“ von Siri Hustvedt geblieben … und Carson Mccullers verehre ich ohnehin. Ach! Ich weiß nicht, wo beginnen und wo aufhören!

Ella Blix = Tania Witte & Antje Wagner
Du hast bisher immer für Erwachsene geschrieben. Nun hast du schon dein zweites Jugendbuch herausgebracht. Das Erste zusammen mit Antje Wagner unter dem Pseudonym Ella Blix (“Der Schein”) und nun startest du im Jugendbuch alleine durch. Bist du — was Jugendbücher angeht — nun auf den Geschmack gekommen?
Klares ja! Ich sitze auch schon lange an einem neuen Buch für Erwachsene, aber die Jugendliteratur funkt mir immer dazwischen. Ich hab einfach so viele Ideen. :) Und ganz ehrlich: Ich liebe Jugendliteratur, weil sie zugänglich ist, nicht elitär oder ausschließend, weil ihr der Snobismus abgeht, der manchen Zweigen der Allgemeinliteratur anhaftet. Und weil ich sehr, sehr viele Erwachsene kenne, die Jugendliteratur verschlingen. Insofern würde ich meine Bücher ohnehin immer als „All Age“ einstufen.
Antje und du, ihr habt schon wieder ein neues Buchprojekt am Start. Der Arbeitstitel ist “Feel Nature — Das Camp”. Kannst du darüber schon mehr verraten? Und wird es auch wieder ein Jugendbuch nur von dir geben?
Antje und ich, als Ella Blix, funktionieren als Team einfach einwandfrei, es ist immer ein Genuss, gemeinsam zu schreiben. „Feel Nature“ wird wieder ein bisschen surreal und weitet die Ansichten dessen, was wir als „Realität“ empfinden. Dazu ist es, natürlich, spannend bis gruselig und hat eine gute Handvoll vielschichtiger Protagonist*innen.
Und was mich selbst angeht: Ich habe gerade einen Preis samt Aufenthaltsstipendium bekommen für ein weiteres Jugendbuch, in dem es um eine Fünfzehnjährige geht, die wegen eines Burn-Outs aus ihrer Welt fällt. Wie schon „Die Stille …“ wird es allerdings kein „Problem“buch, sondern ein Thriller, und ich hab wahnsinnige Lust drauf, ihn zu schreiben. Sobald Ella Blix‘ Zweitling fertig ist geht’s los!
Kasimira sagt vielen Dank für das schöne Interview! :-)
-------------------------------------- Foto von Tania Witte: © Carina Nitsche Die Fotos vom Manuskript/Belegexemplare stammen von Tania Witte