24.Mai 2018
Es ist schon eine Weile her, dass“Der Schein” von dem Autorinnen-Duo Ella Blix erschienen ist. Doch bevor die neuen Programmvorschauen bearbeitet und die nächste Riege der Jugendbuchnovitäten bestellt wird, hier noch mal ein kleiner Rückblick auf ein ganz besonderes Buch:
Was ist “Der Schein”? Eine Mischung aus Internatsgeschichte, Thriller und einem Touch Übernatürlichem. Über ein seltsames Schiff, Freundschaft und eine nervenaufreibende Spurensuche.
Worum geht es? Alina ist neu auf dem Internat Hoge Zand auf der kleinen Ostseeinsel Griffiun. Eines Nachts sieht Alina aus einem der Turmzimmer ein dunkles Schiff am Horizont, das seltsame Blitze über das angrenzende Naturschutzgebiet schießt. Auf der Suche nach Antworten trifft sie in den Dünen auf Tinka, der sie sich sofort auf unheimliche Weise verbunden fühlt. Das Mädchen mit der seltsamen Ausrüstung weiß viel mehr, als sie wissen dürfte und verschwindet immer wieder spurlos. Als Alina mit Hilfe der Lonelies, ihrer neuen Freundes-Clique, versucht, den Rätseln der kleinen Insel auf die Spur zu kommen, macht sie eine Entdeckung, die alles in Frage stellt, was sie jemals für wahr gehalten hat …
(Klappentext vom Arena Verlag)
Wie hat Kasimira dieses Buch bewertet?
ZITAT: “Irgendwann im hinteren Teil des Buches wird das Ganze so temporeich, dass man sich dem Erzählsog kaum mehr entziehen kann und wie gebannt an den Seiten hängt! Die Sprache ist sehr facettenreich und deren Unterschiedlichkeit ist wahrscheinlich auch der Tatsache geschuldet, dass zwei Autorinnen daran geschrieben haben. Die Erzählart reicht von salopp und jugendsprachlich bis hin zu kraftvoll und poetisch… Fazit: Eine ganz besondere Geschichte, die sich zu lesen lohnt!”
Hier geht es zu ausführlichen Rezension!
Doch es gibt noch viel, was die Leser über das Buch und die Umstände, wie es geschrieben wurde noch NICHT wissen. Daher folgt nun ein Autoreninterview mit Ella Blix alias Antje Wagner und Tania Witte, die einige meiner (neugierigen) Fragen beantwortet haben:
Kasimira: Wie seid ihr auf die Idee gekommen ein gemeinsames Buchprojekt in Angriff zu nehmen beziehungsweise wie habt ihr euch kennengelernt?
Tania: Wir kennen uns durch unsere Bücher. Wir haben lange, bevor wir uns persönlich sahen, unsere Bücher gelesen und mochten sie.
Antje: Später dann hab ich eine Anthologie herausgegeben, die Geschichten versammelt, in denen es um Mädchen geht, die nicht den Geschlechterrollen-Klischees entsprechen: „Unicorns don’t swim“. Dafür hab ich bekannte Jugendbuchautorinnen gewinnen können wie z.B. Kathrin Schrocke oder Vera Kissel, hab aber auch spannende Autorinnen aus der Allgemeinliteratur angesprochen, die zuvor nur für Erwachsene geschrieben haben, darunter Tania Witte. Sie schrieb für mein Anthologie-Projekt eine Geschichte („Metamorphose“), die mich so nachhaltig beeindruckt und erschüttert hat, dass ich Tania fragte, ob sie sich vorstellen könnte, den Stoff weiterzuentwickeln und zu einem Roman zu entfalten. Und zwar zu zweit.
Tania: Ich hab natürlich Ja gesagt. Von der Ausgangsgeschichte ist vor allem unsere Hauptfigur Alina geblieben. Alina war also der Grundstein für „Der Schein“.
Kasimira: Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man tatsächlich denken “Der Schein” ist von einer einzigen Autorin erzählt worden. Wie habt ihr das gemacht? Habt ihr Kapitel abwechselnd geschrieben, euch ganze Blöcke aufgeteilt oder euch getroffen und gemeinsam geschrieben?
Antje: Autorenduos arbeiten ja alle verschieden. Manche teilen tatsächlich Figuren auf oder schreiben kapitelweise. Bei uns ist das anders. Im Grund ist jeder einzelne Satz immer durch zwei Köpfe und zwei Herzen gelaufen. Und das nicht nur einmal, sondern mehrfach. Praktisch sah das so aus, dass wir uns vor jedem Kapitel darauf geeinigt haben, was inhaltlich darin passieren soll. Dann hat eine angefangen und das Kapitel erst mal grob vorgefertigt. Die andere hat sich dieses Rohkapitel vorgenommen und Sachen rausgestrichen, andere eingefügt, begonnen, sprachlich zu arbeiten. Danach hat die erste den Text wieder bekommen, rausgestrichen, eingearbeitet. Und die andere sich dieses Ergebnis vorgenommen. Nach dem vierten Durchgang stand das Kapitel halbwegs und wir haben das nächste begonnen. Das heißt aber nicht, dass die Kapitel dann so bleiben. Mit dem fortlaufenden und sich verändernden Text müssen die immer wieder bearbeitet werden, sodass am Ende jedes Kapitel von JEDER Autorin ca. zehnmal sorgsam durchgearbeitet wurde.
Tania: Diese intensive Arbeit von zwei Autorinnen an ein- und demselben Text hat wahrscheinlich zu der einheitlichen Erzählerstimme geführt. Dass auch Freunde, die unsere Einzelstimmen gut kennen, nicht mehr erkennen, wer was geschrieben hat, ist das größte Kompliment, finden wir. Es zeigt nämlich, dass Ella Blix nicht nur eine Mischung, sondern etwas Eigenes geworden ist. Ella Blix schreibt nämlich anders als Tania Witte und auch anders als Antje Wagner.
Kasimira: Was war der schönste Moment in der Entstehungsgeschichte des Buches?
Antje: Eigentlich gab es da viele schönste Momente. Einer war, als das erste Kapitel stand. Und: Als wir merkten, dass wir toll zusammenarbeiten könnte. Als wir vom Arena Verlag auf das Manuskript ein total begeistertes Feedback bekamen. Als wir das zauberhafte Cover das erste Mal sahen. Als wir das Buch in der Hand hielten.
Kasimira: Und was war der Schrecklichste?
Tania: So wirklich „schrecklich“ war eigentlich nichts. Nervig ist nur immer der Moment, wo du das Buch selbst das erste Mal als „Buch“ liest und natürlich sofort über Fehler stolperst, die sowohl uns, der Lektorin und der Korrektorin durch die Lappen gegangen sind. Es ist so ein Phänomen. Am Manuskript überliest man es, in Buchform springt es einem ins Auge. Wir haben jedenfalls schon eine Korrekturliste für die dritte Auflage durchgegeben.
Kasimira: Stand das Ende von vorne herein fest?
Tania: Nein. Gerade das Ende hat sich tatsächlich noch einmal radikal geändert. Auslöser für „Der Schein“ war ja meine Erzählung „Metamorphose“ in dem Erzählband „Unicorns don’t swim“. Dort tauchte Alina also das allererste Mal auf. Und auch in meiner Geschichte war Alinas Mutter verschwunden. Und es gab es großes Geheimnis.
Antje: Allerdings ist dieses Geheimnis wirklich überraschend und ein komplett anderes als in „Der Schein“. Aber nein – ich verrate es dir nicht. :-) Du musst es selbst lesen. Es lohnt sich. Ich war damals wie gesagt so fasziniert von Alina und ihrem Leben, dass ich Tania fragte, ob wir aus dem Stoff nicht einen Roman machen. Im Schreibprozess dann hat sich das ursprüngliche Ende verändert. Aber wir finden auch diese neue Wendung, die Alinas Geschichte im „Schein“ nimmt, spannend und emotional.
Tania: Es war gut, sich von der Erzählung zu lösen. Wir wollten ja was Neues, gemeinsames schaffen. Also haben wir alles in die Luft geworfen, manches fallen lassen, anderes neu zusammengesetzt. Vor allem das Ende.
Kasimira: Wenn ihr eine Figur aus dem Buch “in echt” treffen könnten, wer wäre das?
Antje: Das ist echt eine gemeine Frage. Weil: Ich mag die alle! Vielleicht wäre Lexi für mich diejenige. Sie ist die Jüngste aller Lonelies, und auch, wenn es vielleicht nicht immer so wirkt: Für mich ist sie die verwundbarste. Ich mag sehr, wie sie denkt und lebt.
Tania: Was Antje sagt – sie sind mir alle nah. Am neugierigsten macht mich vielleicht Cara. Ich glaub, die hat noch einen Riesensack an Geheimnissen auf Lager.
Kasimira: Wie ist das Psyeudonym eigentlich entstanden?
Antje: Wir wollten etwas Kurzes und Knackiges. Etwas, was sich leicht merken lässt und was ins Auge springt. Ella Blix ist auf uns zugesprungen, als hätte sie in einer Kiste auf uns gewartet.
Kasimira: Verratet uns 3 Dinge, die Eure Leser über euch/oder das Buch noch nicht wissen!
Antje: Tania ist die Schnellere von uns beiden. Sie treibt uns an. Nur mit ihr konnte das Buch so schnell wachsen. Sie kann unheimlich rasant und gut Text produzieren. Wenn dann manchmal hier und da eine Motivation für die Handlung untergeht, komme ich mit meinem Beutel hinterher und stopf mehr Motivation in die Lücken. Wir haben unterschiedliche Vorlieben beim Schreiben. Tania ist extrem gut in Zeitgeist, ich hab das Gefühl, das fällt ihr total leicht. Mir nicht. Ich bin altmodischer. Dafür halte ich mich schreibend gern etwas länger in Landschaften und Wettererscheinungen auf. Das heißt aber nicht, dass alles Poppige von Tania und alles Landschaftliche von mir ist!
Tania: Absolut, das denken die Leute gern – dass die poetischen Momente von Antje sind und die Rotzigkeit von mir. Aber haha, die liegen so falsch!
Antje: Wir „bauen“ einander da quasi nur gegenseitig „aus“.
Tania: Antje hasst es, zu telefonieren oder zu appen und ich hasse es, lange Emails zu schreiben. Wir kommunizieren also auf unterschiedlichen Kanälen miteinander. Antje schriebt mir lange Emails und ich maile (!) ihr lange Voicemessages. Funktioniert super.
Tania: Der Arbeitstitel unseres Buches lautete „Das dunkle Schiff“. Wir haben lange mit dem Verlag nach einem perfekten Titel gesucht. Das Problem war, dass sich unser Buch nicht in Schubladen pressen lässt, also sich Genres verweigert. Ist es ein Abenteuerroman? Eine Internatsgeschichte? Ein Sozialdrama? Coming of Age? Science Fiction? Fantasy?
Antje: Wir waren so unglaublich glücklich, als unsere Lektorin mit „Der Schein“ um die Ecke kam – weil es so ein vielschichtiger Titel ist, der sich erst auf den letzten Seiten wirklich erklärt.
Kasimira: Habt ihr noch ein weiteres gemeinsames Buchprojekt geplant?
Tania: Wir sitzen schon dran! Für uns war von Anfang an klar, dass „Der Schein“ in sich geschlossen ist und es keine Fortsetzung geben wird, auch wenn sich manche das wünschen.
Antje: Wir haben so unglaublich viele Ideen, dass wir schon die kommenden drei Bücher im Kopf haben. Nee, im Ernst: Ella Blix schreibt natürlich weiter! Und wir bleiben uns treu, was Spannung und Geheimnisse angeht, unsere Liebe zu unseren Figuren und Leerstellen.
Tania: Wenn alles gut läuft, lest ihr ihm Frühjahr 2020 wieder von uns. Zum Überbrücken gibt es im Juli 2018 Antjes All-Age-Roman „Hyde“ (Beltz & Gelberg) und im kommenden Frühjahr erscheint mein Roman „In letzter Sekunde“ (Arbeitstitel) bei Arena.
Kasimira sagt vielen Dank für das schöne Interview!
----------------------------- Fotos von Ella Blix: © Uwe Schwarze