Annette Mierswa — Instagirl

Annette Mierswa - Instagirl24.September 2018

Die deut­sche Autorin Annet­te Miers­wa hat neben eini­gen Kin­der­bü­chern nun ihr ers­tes Jugend­buch geschrie­ben. In “Ins­ta­girl” setzt sie sich mit wich­ti­gen The­men aus­ein­an­der: der Suche nach Aner­ken­nung in sozia­len Netz­wer­ken, der Ver­än­de­rung des Schön­heits­bil­des und der gefähr­li­chen Beein­flus­sung eines Mäd­chens durch eine fal­sche Freund­schaft. Ein wich­ti­ges und bewe­gend erzähl­tes Buch, das den Nerv der Zeit trifft und ide­al für eine Buch­vor­stel­lung oder als Klas­sen­lek­tü­re ist. Für Jugend­li­che ab 13 Jah­ren und inter­es­sier­te Erwachsene.

Ham­burg. Das Leben der jun­gen Isa­bel­le, die von ihren Freun­den nur Isi genannt wird, steht seit dem Aus­zug ihres Vaters völ­lig auf dem Kopf. Wäh­rend sie sich zuvor wegen der laut­star­ken Strei­te­rei­en der Eltern regel­mä­ßig mit Kopf­hö­ren, lau­ter Musik und meist Besu­chen ihrer bes­ten Freun­din Yara aufs Dach ver­zo­gen hat, hilft nun auch das nicht mehr. Ihr Vater ist weg. Lebt jetzt in Tokio. Und ihre Mut­ter hat auch schon einen neu­en Lover, der zudem noch gegen Isis gelieb­ten Hasen all­er­gisch ist. Alles zer­bricht, und auch ihre Schwär­me­rei für ihren bes­ten Freund Matteo erweist sich als Rein­fall. Aus Frust pro­biert sich Isi an einem neu­en Sty­ling. “Ich steck­te sie hoch und pro­bier­te die Schu­he an. […] Sie saßen per­fekt. Und Per­fek­ti­on war mein Ziel. Per­fek­ti­on wür­de mir Halt geben. Das Make-up auf­zu­tra­gen fühl­te sich Annette Mierswa - Instagirltoll an, wie ein Mas­ke, hin­ter der ich alles ver­ste­cken konn­te, viel­leicht sogar mein altes Leben.” (Zitat S.48) Isi will jemand ande­res wer­den. Will alles ver­ges­sen, was war. Auch wenn ihre bes­te Freun­din Yara von die­sen opti­schen Ver­än­de­run­gen nicht unbe­dingt begeis­tert ist. Jedoch erhält Isi uner­war­tet Zuspruch und Unter­stüt­zung von der unnah­ba­ren Kim, die erst seit Kur­zem in ihrer Klas­se ist: “Kim war eine Erschei­nung. […] Sie sah aus wie ein You­Tube-Star, der in unse­rer Klas­se gestran­det war und eine Stra­fe absaß. Ihre Augen­brau­en waren pro­fes­sio­nell gezupft und sie hat­te so einen spe­zi­el­len Blick, ste­chend und hart. Der ging durch und durch.” (Zitat S.8) Kim hat ein Tat­too und inter­es­siert sich null für die Leu­te in ihrer Klas­se. Meist hängst sie mit den Ober­stu­fen­schü­lern ab. Den Klas­sen­chat igno­riert sie gekonnt. Die Leh­rer speist sie mit zum Teil äußerst fre­chen Ant­wor­ten ab. Und jetzt bie­tet Kim ihr Hil­fe an. Gibt Isi Tipps, wie sie sich schmin­ken, was sie anzie­hen kann. Und zeigt ihr, wie sie ihre Fotos auf Insta­gram bear­bei­ten und sich selbst bes­ser in Sze­ne set­zen kann. Aber vor allem das Aus­se­hen ist Kim super­wich­tig. Alles um dich her­um kann sich jeder­zeit auf­lö­sen — zum Bei­spiel dei­ne Fami­lie. Aber dein Kör­per bleibt. Er ist dei­ne ein­zi­ge Sicher­heit. Und Annette Mierswa - Instagirlum von der Welt gese­hen zu wer­den, musst du Auf­merk­sam­keit bekom­men, Likes. Sonst exis­tierst du prak­tisch nicht und nie­mand wird sich je an dich erin­nern.” (Zitat S.51ff) Des­halb erstellt Kim Isi auch einen stren­gen Sport- und Ernäh­rungs­plan. Nimmt sie mit zu Par­tys, zu “ihren” Leu­ten. Immer mehr son­dert sich Isi von der Klas­sen­ge­mein­schaft und ihrer bes­ten Freun­din Yara ab, die das Gan­ze mit größ­ter Sor­ge betrach­tet. Und Isi ver­liert immer mehr an Gewicht. Lässt sich von Kim mehr und mehr beein­flus­sen. Bis zu einer schick­sals­haf­ten Nacht…

Das Cover von “Ins­ta­girl” samt Titel sind sehr pas­send gewählt und ide­al für die Ziel­grup­pe. Der Roman ist durch­ge­hend aus Isis Sicht in der Ich-Per­spek­ti­ve geschrie­ben und ist in ein­zel­ne Kapi­tel unter­teilt. Im Grun­de erzählt Isi ihre Geschich­te rück­bli­ckend, was man an ver­ein­zel­ten Andeu­tun­gen merkt wie zum Bei­spiel: “Wenn ich in die­sem Moment geahnt hät­te, was für eine Lawi­ne sie damit los­trat, dann hät­te ich die Reiß­lei­ne gezo­gen. […] Statt­des­sen dackel­te ich blind hin­ter ihr her wie ein Lem­ming und gera­de­wegs auf den Abgrund zu…” (Zitat S.63) Dass etwas Schlim­mes geschieht, das weiß man zu Anfang bereits. Was, noch nichtAnnette Mierswa - Instagirl. Die Ver­än­de­rung von Isi wird sehr glaub­haft und authen­tisch geschil­dert. Wie sie zunächst eigent­lich als ein ganz “gewöhn­li­ches” Mäd­chen her­über­kommt, das mit Kim nicht viel gemein­sam hat“Und schon äußer­lich war sie das genaue Gegen­teil von mir. Sie hat­te lan­ges glat­tes Haar, war grö­ßer als die meis­ten unse­rer Jungs und unglaub­lich dünn. Okay, ich war weder sehr klein noch dick. Ich war eher nor­mal. Dazu mei­ne rot­blon­den locki­gen Haa­re und eine sehr hel­le Haut, die noch nie Make-up gese­hen hat­te. Ich schmink­te mich nur dezent, genau wie Yara, mei­ne bes­te Freun­din…” (Zitat S.9) Doch Isis pri­va­ten Pro­ble­me, vor allem die Tren­nung ihrer Eltern, wer­fen sie völ­lig aus der Bahn. Wem fol­gen, wenn die Fami­lie aus­ein­an­der­brecht? Wo Sicher­heit und Gebor­gen­heit fin­den, wenn das Eltern­haus zer­rüt­tet ist und der ver­meint­li­che Traum­prinz schein­bar kein Inter­es­se an einem hat? Annet­te Miers­wa spricht wich­ti­ge The­men an und zeigt wie leicht man sich in sozia­len Netz­wer­ken ver­lie­ren und den Kör­per als ver­meint­li­ches Mit­tel benut­zen kann, um Kon­trol­le über etwas zu haben. Am Anfang war der Erzähl­stil manch­mal noch etwas flap­sig und tri­vi­al (“Matteo öff­ne­te die Arme und lächel­te. Er war so wun­der­schön.” (Zitat S.22)), die Dia­lo­ge teil­wei­se etwas flach (“Du Huhn, rufst mich ein­fach nicht an.” “BoAnnette Mierswa - Instagirlg bog bog.” Ich flat­ter­te mit ange­win­kel­ten Armen. “Na, zum Glück geht es dir wie­der bes­ser.” “Bes­ser? Als Huhn?” (Zitat S.27), aber das legt sich zum Glück schnell. Die Geschich­te zieht rasch in einen Sog, dem man sich so schnell nicht mehr ent­zie­hen kann. Das Ende hält noch eine klei­ne Über­ra­schung bereit. Jedoch hat mir noch inhalt­lich in man­chen Punk­ten im Nach­hin­ein eine Erklä­rung gefehlt. ««««««ACHTUNG SPOILER:»»»»»» Was hat­te die­se Sze­ne zwi­schen Len­ny und Matteo zu bedeu­ten, die Isi beob­ach­tet hat? Was wur­de den Leh­rern erzählt, die Kim anders behan­delt haben? Und was wird aus Isis Fami­lie? Hier erfährt man lei­der nichts mehr zu und muss selbst sei­ne Schlüs­se zie­hen. ««««««ENDE SPOILER»»»»»»

Fazit: Trotz klei­nen Man­kos eine sehr unter­halt­sa­me und gelun­ge­ne Lektüre!

Eine der wohl bes­ten Alter­na­ti­ven zu “Ins­ta­girl” ist wohl “Like me. Jeder Klick zählt.” von Tho­mas Fei­bel, iLesealternativenn dem eben­falls ein neu­es Mäd­chen in der Klas­se gro­ßen Ein­fluss aus­übt und zwei Jugend­li­che dazu ani­miert die ver­rück­tes­ten Posts in einem sozi­al Netz­werk zu ver­öf­fent­li­chen. Etwas, was schließ­lich außer Kon­trol­le gerät. Oder lies “Likes sind dein Leben” von Ulri­ke Ruwisch und “Ich hab schon über 500 Freun­de” von Armin Kas­ter. Die Gefahr von sozia­len Netz­wer­ken zeigt sich eben­falls in fol­gen­den Büchern“Second face” und For your eyes only” von Caro­lin Phil­ipps. Ein schö­nes Sach­buch hat auch Siob­han Cur­ham geschrie­ben: “True Face — Sei echt. Sei furcht­los. Sei du selbst”das Jugend­li­chen Tipps gibt mit Schön­heits­idea­len und sozia­len Netz­wer­ken umzu­ge­hen. Wenn du die Geschich­te eines Mäd­chens lesen möch­test, das sich durch eine Freund­schaft ver­än­dert, dann greif doch zu “Love Ali­ce” von Nata­ly Savina (toll!) oder “Spring in den Him­mel” von Lot­te Kins­ko­fer (mit­rei­ßend!). Ein neu­es Buch von Annet­te Miers­wa ist übri­gens “Not your girl”, in dem sie einen wich­ti­gen Bei­trag zur “#Metoo-Bewe­gung leis­tet! Eben­falls wie­der rich­tig gut geschrieben.

Bibliografische Angaben:
Schilder was wo wer wannVerlag: Loewe
ISBN: 978-3-7432-0121-7
Erscheinungsdatum: 17.September 2018
Einbandart: Broschur
Preis: 6,95€ 
Seitenzahl: 224 
Übersetzer: -
Originaltitel: - 
Originalverlag: -
Originalcover: -

Kasimiras Bewertung:

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(4 von 5 mög­li­chen Punkten)

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