Gemeinsam mit Co-Autorin Katrin Blum erzählt das deutsche Model Anne-Sophie Monrad in “Fashion Victim: Licht und Schatten des Modelbusiness: Ein Topmodel berichtet” ihre Geschichte. Ein Insiderblick hinter die Kulissen der Modeindustrie. Über Sehnsüchte, Träume, aber auch Enttäuschungen und unschöne Realitäten — in diesem Buch wird nichts ausgespart. Ein unglaublich faszinierender, höchst unterhaltsamer, aufrüttelnder Einblick, ergänzt mit Interviews von Prominenten und einigen Fotografien aus Anne Sophie Monrads Alltag. Für alle Jugendlichen ab 14 Jahren, die sich nicht blenden lassen wollen und Erwachsene.
Als Model arbeiten — für die junge Anne-Sophie ein Traum! Im Fernsehen sieht sie “Germanys Next Topmodel” an, vertraut ihrem Tagebuch ihren großen Wunsch, dieser Karriere ebenfalls nachzugehen. “Ich wollte um die Welt reisen, auf Modenschauen laufen, gestylt, fotografiert, berühmt werden, auf Partys gehen, viel Geld verdienen, kurz: Ich wollte ein Model sein.” (Zitat aus “Fashion Victim: Licht und Schatten des Modelbusiness: Ein Topmodel berichtet” S.8) Erst ein Bericht im Fernsehen über ein Model, das von einer seriösen Agentur vertreten wird, lässt ihre Mutter positiver über die Sache denken. Sie erlaubt ihr, sich bei einem Modelwettbewerb anzumelden. Doch Anne-Sophie gewinnt nicht, landet nur auf dem fünften Platz. “Ich wollte schon nach Hause gehen, als einer der Juroren auf mich zukam. Er sagte, er sei von der Agentur. “Du bist mir aufgefallen. Du hast Potential. Hier ist meine Karte. Melde dich, wenn du an der Hüfte im Neunzigerbereich bist. Ich konnte mein Glück kaum fassen.” (Zitat S.35) Anne-Sophie nimmt ab. Mit allen Mitteln. Und erhält tatsächlich von der Agentur einen Vertrag! Ihr erstes Shooting führt sie direkt nach Mailand. Bald folgen Shows in New York, Tokio. Doch der Preis des Modelebens ist hart. “Ich hungerte, machte Sport bis zum Umfallen, wickelte mir Folie um die Beine und Hüfte, weil man damit angeblich das Fett ausschwitze, trank nur noch Saft, spuckte das Essen nach dem Kauen wieder aus, teilte mir mit einem anderen Model einen Muffin, der ohnehin nur 80 Kalorien hatte.” (Zitat S.9) Der Konkurrenzkampf ist groß, es wird keine Rücksicht genommen. Und immer wieder stehen nur die Maße ihres Körpers im Mittelpunkt: “Je dünner ich war, desto besser fühlte ich mich, weil ich mehr Komplimente bekam. Die Leute bei Shootings und in der Agentur sagten dann Dinge wie: “Wow, du siehst so schön aus”, und ich glaubte ihnen. Das Komplimente immer nur dann kamen, wenn ich richtig dünn war, mündete in eine Art Sucht. Gefallsucht.” (Zitat S.110ff) Aber eines Tages zieht Anne-Sophie den Schlussstrich. Sie will sich nicht mehr verbiegen lassen und geht einen völlig neuen Weg…
“Fashion Victim: Licht und Schatten des Modelbusiness: Ein Topmodel berichtet” beginnt mit einem Vorwort, in dem Anne-Sophie Monrad bereits klar macht, auch sie war Teil der Maschinerie der Modeindustrie. Auch sie hat das Spiel zehn Jahre lang mitgespielt. Und nun will sie darüber sprechen. Denn die Arbeit als Model ist nicht spurlos an ihr vorübergegangen: “Ich habe nach wie vor Schwierigkeiten, ungezwungen mit Essen umzugehen und mich so zu akzeptieren wie ich bin. Ich bekam über Jahre hinweg meine Periode nicht. Wer weiß, ob ich je Kinder kriegen kann. Ich geben niemandem die Schuld dafür. […] Und zweifelsohne hatte ich auch tolle Begegnungen und Momente, die ich weder missen noch in diesem Buch verschweigen möchte. Doch wo Licht ist, da ist auch Schatten.” (Zitat S.10) Das Buch, das in romanartiger Form erzählt wird, aber den Charakter eines Sachbuchs trägt, ist in mehrere Kapitel unterteilt, die immer aus Anne-Sophie Monrads Sicht der Ich-Form erzählt werden. Meist chronologisch, mit manchen Sprüngen, sehr wenigen Wiederholungen und einigen Andeutungen berichtet sie aus ihrem Leben: “Selbstbewusst auftreten, aber gleichzeitig bescheiden sein. Das ist das, was von dir erwartet wird. Eine dauerhafte Zerreißprobe. Doch auch das wusste ich damals noch nicht.” (Zitat S.34ff) Das liest sich äußerst bewegend und mitreißend. Ihr Erzählstil ist klar und ohne Schnörkel, sie legt offen, ist schonungslos und klärt zudem über viele Aspekte auf: “Häufig ist es so, dass die ersten Jobs von Models erst mal dazu dienen, ihre Rechnungen bei den Agenturen zu begleichen. Das ist natürlich das gute Recht der Agenturen — niemand hat etwas zu verschenken. Es wird nur viel zu wenig darüber geredet und vor allem im Voraus aufgeklärt, wie hoch die Preise für Fahrer, Flüge und Unterkünfte sind oder was eine Sedcard kostet.” (Zitat S.45) Zwischendurch schildert sie immer wieder Gespräche mit berühmten Persönlichkeiten der Modewelt, so wie mit dem Fotografen Kristian Schuller, dem Designer Wolfgang Joop oder befreundeten Modelkolleginnen. Stellt ihnen Fragen und diskutiert mit ihnen über die ungeschriebenen Gesetze dieses Business. Und kritisiert auch deutlich: “Was ich damals nur ahnte, heute aber weiß: All das hat etwas mit Macht zu tun. Macht über einen Menschen zu haben, der für seinen Traum alles tut und riskiert. Wir Models werden in diesem Business von allen Seiten unterstützt in unseren träumerischen Gedanken. Risiken und Nachteile werden verschwiegen, heruntergespielt oder ausgeblendet.” (Zitat S.49) Vor allem für den Schutz Minderjähriger setzt sie sich ein, fordert feste Regeln, klärt auf. Denn gerade als Schutzbedürftiger wird man oft alleingelassen, muss sich in fremden Städten durchkämpfen, von Casting zu Casting hetzen, nach Regeln spielen, die man noch nicht kennt. All das hat Anne-Sophie Monrad bereits hinter sich und offenbart ein (Erzähl-)Werk, das gerade Heranwachsenden äußerst hilfreich sein wird, die den gleichen Traum träumen und wissen wollen, was wirklich abgeht im Alltag eines Models. Sehr gelungen ist da auch der Brief der Autorin am Ende des Buches, in dem sie sich direkt an ihre jungen Leser/innen wendet. Die Fotografien im Innenteil, die Anne-Sophie Monrad als Kind und als Erwachsene bei ihrer Arbeit als Model zeigen, runden das Ganze ab.
Fazit: Ein gelungenes und ein wichtiges Buch!
Eine sehr gute Alternative zu “Fashion Victim: Licht und Schatten des Modelbusiness: Ein Topmodel berichtet” ist “Size Zero: Ein Topmodel über die dunklen Seiten der Modewelt” von Victoire Dauxerre und Valérie Péronnet. Jugendbuch wurden sehr viele Romane über das Modeln geschrieben. Hier chronologisch nach Erscheinungsdatum: “Schrecklich schön: Geschichte eines Models” von Heidi Hassenmüller (2007), “Allein unter Models” von Chantal Schreiber (2007), “Drama Princess: Topmodel — um jeden Preis?” von Brigitte Blobel (2010), “Die Topmodels”-Reihe von Sara Manning (2010), “Das Model und ich” von Ilona Einwohlt (2011), “Dying for beauty” von Todd Strasser (2012, ein spannender Thriller!), “Abgerutscht” von Marliese Arold (2013), “Heute leider kein Foto für dich, Baby” von Carolin Philipps (2014), “Life Edition: Mein Modeltagebuch” von Jaqueline Thiessen (2015), sogar in der Conni-Reihe kommt das Thema in einem Band vor: “Conni: Meine beste Freundin, der Catwalk und ich” von Dagmar Hoßfeld (2015), “Der Look” von Sophia Bennett (2015), “The Perfect: Wie weit gehst du für deinen Erfolg?” von Patricia Schröder (2016). Richtig gut gefielen mir zudem “Not your girl” von Annette Mierswa (2019) und “Meat Market: Schöner Schein” von Juno Dawson (2020).
Bibliografische Angaben: Verlag: dtv ISBN: 978-3-423-74063-0 Erscheinungsdatum: 21.August 2020 Einbandart: Broschur Preis: 16,95€ Seitenzahl: 288 Übersetzer: - Originaltitel: - Originalverlag: - Originalcover: - Anne-Sophie Monrad bei einem Shooting für die Vogue (2011):
Anne-Sophie Monrad führt ein Interview im SWR (2020):
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