Andreas Steinhöfel, bekannt durch „Rico, Oskar und die Tieferschatten“ (ab 10, Deutscher Jugendliteraturpreis 2009, Kategorie Kinderbuch) und „Die Mitte der Welt“ (ab 13) hat ein neues (Taschen-)Buch für Jugendliche geschrieben: „Anders“. Ein Roman über das Vergessen, die Veränderung einer Persönlichkeit nach einem Unfall und dem Versuch zu verstehen. Sprachlich brillant erzählt. Mit fantastischen Illustrationen von Peter Schössow. Für Jugendliche ab 12 und Erwachsene.
„Mir ist nicht gut. Darf ich nach Hause gehen?“ Damit fing alles an. An seinem elften Geburtstag verlässt Felix Winter die Schule eher und wird auf dem Nachhauseweg von der Dekoration einer hinabrutschenden, leuchtenden Elf, die sein Vater gerade auf dem Dach befestigen wollte, am Kopf getroffen. Als er verletzt noch zur Garageneinfahrt läuft, weil er dort das Auto seiner Mutter hört, wird Felix ausgerechnet von dieser auch noch angefahren. Daraufhin landet er im Koma, das er erst nach 263 Tagen wieder verlassen wird. Als er erwacht, ist es für alle wie ein Wunder. Doch Felix ist anders, als er vorher war. Auf einmal scheint er gut in Mathematik zu sein, was vorher gar nicht der Fall war – er hatte sogar Mathenachhilfe; er hat seltsame synästhetische Anwandlungen: er sieht Farben um Menschen herum, fühlt den Geschmack von Musik; und er erkennt seine Eltern, seine Freunde nicht mehr. Er hat im Grunde alles vergessen, was sich während des Unfalls und davor zugetragen hat. Doch es gibt jemandem, der genau das verhindern will: dass Felix, der von nun an nur noch „Anders“ genannt werden will, sich wieder zurückerinnern könnte…
„Anders“ ist aus der Sicht von vielen Personen und einem allwissenden Erzähler geschrieben. Gerade dass auch viele Nebenpersonen zu Wort kommen — wie die Lehrerin, die Nachbarin, die Felix auf dem Heimweg damals noch getroffen hat, der Nachhilfelehrer, die Eltern — gibt der Geschichte unheimlich viel Tiefe. Die Figur des “Anders”/Felix bleibt zunächst noch recht distanziert und wenig greifbar für den Leser. Er wirkt sehr geheimnisvoll, uneinschätzbar und sogar fast ein bisschen unheimlich. Er sieht plötzlich eine Aura um die Menschen herum. Einer Nachbarin wirft er Dinge an den Kopf, die der Wahrheit entsprechen, die er eigentlich aber gar nicht wissen kann. Erkennt Krankheiten, die die Menschen in sich tragen. Auf seinem Computer hat er eine geschützte Datei, die er aber nicht öffnen kann. Er verlässt das Haus tagsüber oder nachts. Einfach so. Ohne jemandem etwas zu sagen.
Geheimnisvolle Andeutungen des Erzählers oder der Nebenpersonen selbst steigern die Spannung zunehmend. Die Besonderheit mit den Zahlen hat mir auch gut gefallen, die nebenbei betont wird. Denn 263 Tage, die Felix im Koma lag, war auch genau die Anzahl der Tage, in denen seine Mutter mit ihm schwanger war. Sein Name war auf der Liste der beliebtesten Kindernamen auf Platz 11 gestanden und an seinem elften Geburtstag passierte der Unfall. Auch die Unheimlichkeit der Primzahlen, die der Vater empfindet, stellt der Autor immer wieder in den Vordergrund. Diese magischen Verknüpfungen geben dem Inhalt der Geschichte eine gewisse tiefere Note. Was mir auch sehr gut gefallen hat, sind die Zeichnungen von Peter Schössow, die jedes Kapitel, welches nach Tagen erzählt ist, einleiten.
„Anders“ spielt interessanterweise wieder in Bergwald an der Lahn (fiktiver Ort), wo auch „Paul Vier und die Schröders“ beheimatet ist. Die Nachbarin von Felix erwähnt diese Personen aus der Ulmenstraße (in der auch Felix’ Familie lebt) sogar in einem Monolog;-) Sehr typisch für Andreas Steinhöfel ist auch die Thematisierung von Außenseitern, wie Felix einer geworden ist und das Spießbürgertum einer Kleinstadt, das er darstellt und zugleich vorführt.
Fazit: Eine sehr lohnenswerte Lektüre!
Wenn dir „Anders“ gefallen hat, kannst du auch noch die anderen Bücher von Andreas Steinhöfel lesen: die „Rico & Oskar“-Reihe (3 Bände, ab 10), „Beschützer der Diebe“ (ab 10), „Paul Vier und die Schröders“ (ab 10), „Dirk und ich“ (ab 8), „Die Mitte der Welt“ (ab 13), „Defender“ (ab 12), „Der mechanische Prinz“ (ab 12). Das Thema Synästhesie findet sich auch in dem bewegenden Roman “Sternschnuppenträume” von Julie Leuze.
Bibliografische Angaben: Verlag: Carlsen ISBN: 978-3-551-31566-3 Erscheinungsdatum: 1.Februar 2017 Einbandart: Taschenbuch Preis: 7,99€ Seitenzahl: 240 Übersetzer: - Originaltitel: - Originalverlag: - Originalcover: - Andreas Steinhöfel liest aus seinem Buch:
Kasimiras Bewertung:
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