Mit einem interessanten Cover lockt “Sonnentänzer” von der deutschen Autorin Ana Jeromin ihre Leser an. Eine Geschichte über ein junges Mädchen, das ihre Kindheit bei den (Haida-)Indianern verbracht hat und von ihrer Vergangenheit eingeholt wird. Eine Liebesgeschichte mit einem Schuss Fantastik. Leichte Unterhaltung. Romantisch und geheimnisvoll. Für Jugendliche ab 12 Jahren.
Die 16-jährige Kathrin hat endlich Anschluss gefunden. Sie, die sich immer schon ein wenig anders gefühlt hat und am liebsten barfüßig und in der Natur unterwegs ist, gehört nun endlich dazu. Mit ihrer besten Freundin Malin sehnt sie sich der nächsten Strandparty entgegen, wo sie ihren Schwarm Pits wieder treffen wird. Doch dann holt ein Teil ihrer verdrängten Vergangenheit sie wieder ein. Ein Teil in Form zweier gutaussehenden, junger Indianer: Sigai und Táan. Letzterer war vor einigen Jahren ihr bester Freund gewesen. Bis sie ihn bitter enttäuscht hat. Sie hat eine Schachtel gestohlen, die ein altes Erbstück und zugleich der wertvollste Besitz in Táans Familie war: “Kate hatte die Schachtel schon oft bewundert. Jedes Mal wenn sie Táan bei seiner Familie daheim besuchte, hatte sie wenigstens eine kleine Weile vor dem Regalbrett im Wohnzimmer gestanden und die gewundenen Linien betrachtet, die zu immer anderen Bildern zusammenflossen, je nachdem, aus welchem Winkel man sie ansah, und hatte sich vorgestellt, wie sich das seidig schimmernde Horn wohl unter den Fingern anfühlen mochte.” (Zitat aus “Sonnentänzer” S.5ff). Táan hat sie damals bei dem Diebstahl erwischt und sie wütend angefahren, die Schachtel wieder zurückzulegen. Doch es war nicht Kathrins eigene Idee, sie an sich zu nehmen. “Ich kann nicht”, flüsterte sie, “Ich muss sie mitnehmen. Der Rabe hat es gesagt. Es … tut mir leid!” (Zitat S.9) Von Raben wimmelte es auf den Inseln von Haida Gwaii, die vor der Küste Kanadas liegen. Hier in der Siedlung von Old Masset, wo Kathrin große Teile ihrer Kindheit verbracht hat, erzählt man sich viele Geschichten über diese Tiere, besonders über Xuuyah, den klugen Raben. Seine Stimme, die sie wie in Trance geleitet hat, hat Kathrin dazu gebracht, die Schachtel zu stehlen. Als sie dies dem darüber völlig verblüfften Táan zu jener Zeit gestanden hat, ließ dieser sie gehen. Er deckte ihre Tat. Bis zum heutigen Tag, an dem er und sein Zwillingsbruder Sigai nach Deutschland zurückkehren, um angeblich ihre Ferien mit Kathrin
verbringen zu wollen, so wie deren Mutter dies glaubt. Doch die beiden wollen etwas ganz anderes. “Es war nicht wirklich greifbar, nicht richtig zu erklären. Aber es stand eindeutig fest, dass die Stimmung im Ort sich mehr und mehr verschlechtert hatte. Die Sonne schien immer seltener, mehr und mehr Stürme und Unwetter suchten die Inseln heim und auch die Gemüter der Einwohner verfinsterten sich zunehmend. Es hatte eine ganze Weile gedauert, bis Táan diese Umstände mit dem Diebstahl der Schachtel in Verbindung gebracht hatte.” (Zitat S.83). Sie wollen die Schachtel zurück, um ihr Dorf zu retten. Nichts ahnend, dass Kathrin noch einen weiteren, unheilvollen Fehler begangen hat. Kathrin, die die Stimme des Raben, der mit ihr spricht, bis heute noch wahrnimmt. Denn sie hat den Sonnengeist, der sich in der Schachtel befand, freigelassen…
“Sonnentänzer” wird zumeist aus der Ich-Perspektive der weiblichen Hauptfigur erzählt (die 16 und nicht 15 ist, wie auf dem Klappentext fälschlicherweise angegeben ist). Jedoch gibt es auch einige Kapitel, die durch Táans Sicht ergänzt werden und ein zusätzliches Licht auf seine Gedanken- und Gefühlswelt werfen. Die Sprache ist angenehm und leicht zu lesen. Lockere Unterhaltung für Zwischendurch. Manchmal ein klein wenig pathetisch. Die Kapitel werden mit der Zeichnung von Vogelfedern eingeleitet. Verbunden mit einer romanischen Liebesgeschichte darf sich der Leser jedoch auch auf viel Mystik einstellen: so wird die Kultur der Haida, einem Indianervolk, welches auch heute noch auf der Inselgruppe Haida Gwaii lebt, dem Leser näher gebracht. Ob die Geschichten, die in dem Roman erzählt werden, fiktiv oder tatsächlich auf dort erzählten Sagen beruhen, kann ich leider nicht beurteilen, aber es gibt laut Wikipedia dort tatsächlich zwei Gesellschaftsgruppen, die sich “Adler” und “Rabe” nennen und zwischen denen es Rivalitäten gibt/gab. Ob romantisch verklärte Vorstellungen oder greifbare Legenden, in “Sonnentänzer” müssen selbst die Indianer Táan und Sigai ihr Denken korrigieren: “Sie beide hatten nie so ganz an die Magie des traditionellen Schamanismus glauben wollen, trotz aller Mythen und Geheimnisse, mit denen sie aufgewachsen waren. Selbst der Sonnengeist in der Schachtel war den größten Teil ihres Lebens nur ein Symbol für sie gewesen, ein Schatz mit großem ideellem Wert für ihre Familie — aber mehr nicht. […] Die letzten Jahre und vor allem die letzten Stunden allerdings hatten diesen Nicht-Glauben gehörig ins Wanken gebracht.” (Zitat S.122) Das Ende des Buches liest sich recht nervenaufreibend und dramatisch.
Auf der Inselgruppe Haida Gwaii spielt ebenfalls der Roman “Die Nacht der Wale” von Christopher Ross. Von selbigem Autor kommt dieses Jahr noch eine Neuerscheinung heraus, die thematisch auch sehr gut zu “Sonnentänzer” passt: “Spirit Lake: Die Legende des Wendigo” Eine der besten Alternativen für Romane über die Kultur der Indianer, meist verbunden mit einer Liebesgeschichte, ist jedoch die deutsche Autorin Antje Babendererde. Lies von ihr “Libellensommer”, das Buch, das sie bekannt machte. Sehr gut gefallen haben mir von ihr auch “Julischatten” und “Rain Song”. Ana Jeromin hat übrigens noch ein weiteres Buch geschrieben: “Amaies Lied: Höre den Zauber und du bist mein”.
Bibliografische Angaben:Verlag: Coppenrath ISBN: 978-3-649-66885-5 Erscheinungsdatum: 18.März 2016 Einbandart: Hardcover Preis: 14,95€ Seitenzahl: 272 Übersetzer: - Originaltitel: - Originalverlag: - Originalcover: -
Kasimiras Bewertung:
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