Alyssa Sheinmel — Faceless

Alyssa Sheinmel Faceless17.Oktober 2017

Face­l­ess” ist der neue Roman der ame­ri­ka­ni­schen Schrift­stel­le­rin Alys­sa Shein­mel, der sich mit einer erns­ten The­ma­tik aus­ein­an­der­setzt und ein Mäd­chen in den Mit­tel­punkt stellt, die nach einem Unfall eine Gesichts­trans­plan­ta­ti­on bekommt. Eine Geschich­te über das Aus­se­hen, das Anders­sein und die Suche nach der eige­nen Iden­ti­tät. Unheim­lich berüh­rend und emo­tio­nal erzählt. Ein Buch, das schnell gefan­gen nimmt! Für Jugend­li­che ab 14 Jah­ren und Erwachsene.

Die 16-jäh­ri­ge Mai­sie ist frisch ver­liebt. Seit Janu­ar ist sie mit Chi­rag zusam­men: “Heu­te Abend tref­fen wir uns wie­der. Viel­leicht sage ich es dann. Wenn er es als Ers­ter sagt, dann zie­he ich auf jeden Fall nach. Ich fan­ge schon mal an zu üben, flüs­te­re es lei­se mit jedem Aus­at­men vor mich hin: “Ich lie­be dich auch. Ich lie­be dich auch. Ich lie­be dich auch.” (Zitat S.8) Doch zu dem abend­li­chen Tref­fen wird es nicht kom­men. Denn auf ihrer täg­li­chen Lauf­run­de gerät die Eins­er­schü­le­rin und Sports­ka­no­ne in ein Gewit­ter. Der Blitz schlägt in einen Baum neben ihr ein und der dar­auf­hin abre­chen­de, bren­nen­de Ast trifft eine Strom­lei­tung. Ein Fun­ken­re­gen geht auf das jun­ge Mäd­chen nie­der. Das nächs­te Mal, als Mai­sie erwacht, ist sie bereits Alyssa Sheinmel Facelessim Kran­ken­haus: “Mein gesam­ter Kopf ist mit irgend­et­was Dickem, Wuls­ti­gem umwi­ckelt, sodass ich mich füh­le, als hät­te ich Scheu­klap­pen auf. […] Ich will etwas sagen, brin­ge jedoch nur ein erbärm­li­ches Kräch­zen zustan­de, als hät­te ich seit Wochen nichts getrun­ken. Mei­ne Keh­le ist rau wie Schmir­gel­pa­pier und mei­ne Lip­pen pri­ckeln, als wür­den mich Hun­der­te klei­ne Nadeln ste­chen.” (Zitat S.14) Doch das erst nicht seit ein paar Stun­den, son­dern — wie sie jetzt erfährt — schon seit eini­gen Wochen. Sie hat schwe­re Ver­let­zun­gen erlit­ten und wur­de in ein künst­li­ches Koma ver­setzt. Ver­bren­nun­gen zwei­ten Gra­des am Arm und am Ober­kör­per. Und irgend­et­was scheint auch mit ihrem Gesicht pas­siert zu sein: Anschei­nend ist so ein Elek­tro­brand hei­ßer und inten­si­ver als ein nor­ma­ler. […] Irgend­wann eröff­nen sie mir, dass ich kei­ne Ver­bren­nun­gen zwei­ten Gra­des im Gesicht habe. Als ich wis­sen will, ob drit­ten Gra­des, ver­nei­nen sie, sagen aber auch nichts von Ver­bren­nun­gen vier­ten Gra­des. Ich beru­hi­ge mich damit, dass es so schlimm ja wohl nicht sein kann, schließ­lich tut mein Gesicht nicht annä­hernd so weh wie mein Ober­kör­per.” (Zitat S.26) Doch es ist schlim­mer als Mai­sie erwar­tet hat. Viel, viel schlim­mer. Und es dau­ert eine Wei­le, ehe sich jemand traut, ihr davon zu berich­ten: “Am Ende ist es mein Vater, der mir die Alyssa Sheinmel FacelessWahr­heit sagt. […] Dein Gesicht ist mehr als nur ver­brannt. Es — ” Er hält inne. Atmet tief durch. Als er wei­ter­re­det, zit­tert sei­ne Stim­me. “Ein Teil davon ist zer­stört. […] Dei­ne Nase, dei­ne lin­ke Wan­ge und das meis­te von dei­nem Kinn. […] Die Ärz­te muss­ten alles ent­fer­nen — die abge­stor­be­ne Haut, die Mus­keln, die Kochen.” (Zitat S.27ff) Für Mai­sie ein abso­lu­ter Schock. Doch dann eröff­nen ihr die Ärz­te, dass es noch neben der Ver­pflan­zung von ein­zel­nen Haut­stü­cken die Mög­lich­keit einer Gesichts­trans­plan­ta­ti­on gibt. Gera­de ist eine Frau ver­stor­ben, deren Haut dafür in Fra­ge kom­me wür­de. Das ver­än­dert Mai­sies kom­plet­tes Leben…

Face­l­ess” wird in vier Tei­len erzählt: “Som­mer”, “Herbst”, “Win­ter” und “Früh­ling” und kom­plett aus Mai­sies Per­spek­ti­ve. Und wenn Alys­sa Shein­mel eines kann, dann eine äußerst dra­ma­ti­sche Geschich­te zu erzäh­len, die sei­ne Leser sofort in ihren Bann rei­ßen wird: “Ich dach­te, ich wäre gewapp­net. Ich habe die Stel­len betas­tet, andau­ernd, jedes Mal, wenn ich auf­ge­wacht bin. Ich dach­te, ich sähe wie­der aus wie ich, nur mit run­de­ren Wan­gen und einer schma­len Nase. Nie­mals hät­te ich mit die­sem Mons­ter gerech­net, das mich aus dem Spie­gel anstarrt. Gezack­te Nar­ben ver­un­stal­ten mei­ne Wan­gen, leuch­ten rot, wie bei einem Klein­kind, das Alyssa Sheinmel Facelessmit dem Lip­pen­stift sei­ner Mut­ter gespielt und den Mund kom­plett ver­fehlt hat.” (Zitat S.68) Mai­sie hat ein neu­es Gesicht, das auch nicht dem des alten ent­spricht, son­dern völ­lig anders aus­sieht. Sie kann ihre Haut anfangs über­haupt nicht spü­ren. Selbst Trä­nen, die ihr über die Wan­gen flie­ßen, fühlt Mai­sie nicht. Das gan­ze Gesicht hat ein neu­es, frem­des Eigen­ge­wicht und zieht sie irgend­wie nach vor­ne. “Ich sehe ja kaum aus wie ein Mensch. Mit zit­tern­der Hand las­se ich den Spie­gel sin­ken. Ich bin nicht die böse Köni­gin aus dem Mär­chen, son­dern das Unge­heu­er, das sich im fins­te­ren Wald ver­bor­gen hält, damit nie­mand es sehen kann. “Wir schau­en es uns mor­gen noch mal zusam­men an”, sagt Dr. Boden, “Mit dei­ner Psych­ia­te­rin. Sie wird ab jetzt jeden Tag mit dir arbei­ten, solan­ge du hier im Kran­ken­haus bist.” Jeden Tag? Ich muss mir die­ses Grau­en jeden Tag anse­hen? (Zitat S.69) Das Schlimms­te für das Mäd­chen ist es jedoch in den All­tag zurück­zu­keh­ren. Hier erlebt man die gan­ze Band­brei­te an Emo­tio­nen: Scham, Wut, der Wunsch sich zurück­zu­zie­hen, Angst vor der Zukunft, das Gefühl des Aus­ge­schlos­sen Alyssa Sheinmel Facelessund Ange­starrt­wer­dens, Ableh­nung ihrer selbst. Am liebs­ten wür­de Mai­sie gar nicht mehr in die Schu­le gehen. Am bes­ten auf eine Uni­ver­si­tät spä­ter, die ganz weit weg von ihrem Zuhau­se ist. Wo sie nie­mand mit ihrem alten Gesicht kennt. Die Schil­de­rung ihrer Emp­fin­dun­gen ist sehr sen­si­bel, teil­wei­se sar­kas­tisch und immer 100%ig gut getrof­fen: “Mir war gar nicht klar, wie sehr man sich vor sich selbst schä­men kann. Ich dre­he mich zur Wand, obwohl ich eigent­lich gar nicht auf der Sei­te lie­gen darf. Wow, wie rebel­lisch. Ande­re Teen­ager blei­ben die hal­be Nacht weg, trin­ken, neh­men Dro­gen — ich dre­he mich auf die Sei­te. Es ist erbärm­lich.” (Zitat S.147ff) Erst eine Selbst­hil­fe­grup­pe, die Mai­sie auf  den Wunsch ihrer Mut­ter hin besu­chen soll, hilft ihr lang­sam wie­der ins Leben zurück­zu­fin­den und sich selbst zu akzeptieren.

Fazit: Ein bemer­kens­wer­ter, total ergrei­fen­der Roman!

Auf der Rück­sei­te “Face­l­ess” wird “Wun­der” von Raquel J. Pala­cio” emp­foh­len — das sich auch mit dem The­ma Aus­se­hen auf sehr berüh­ren­de Wei­se aus­ein­an­der­setzt. Das Buch erhielt 2014 den Deut­schen Jugend­li­te­ra­tur­preis. Eine sehr gute Lese­al­ter­na­ti­ve ist “Skin Deep: Nichts geht tie­fer als die ers­te Lie­be” von LauLesealternativenra Jar­ratt. Hier hat die Prot­ago­nis­tin durch einen Auto­un­fall eben­falls schwe­re Ver­bren­nun­gen im Gesicht erlit­ten und erfährt erst durch die Lie­be wie­der Hei­lung. Ähn­lich geht es auch der Prot­ago­nis­tin in “Sieh mich an” von Nata­sha Fri­end und “In mei­ner Haut” von Debo­rah Froe­se. Ein rich­tig tol­les Buch über Schön­heit ist “Nur eine Lis­te” von Siob­han Vivi­an. Ein Roman über Gesichts­trans­plan­ta­tio­nen erschien im Jugend­buch übri­gens vor vie­len Jah­ren ein­mal: “Sarahs Gesicht” von Mel­vin Bur­gess - ein sehr bewe­gen­des Buch. Sehr gut vor­stel­len kann ich mir auch die Lie­bes­ge­schich­te von Best­sel­ler­au­torin Col­leen Hoo­ver Nächs­tes Jahr am sel­ben Tag” (eines ihrer bes­ten Bücher!), in dem ein jun­ges Mäd­chen an den Fol­gen eines Brand lei­det, der ihr ein ent­stell­tes Gesicht beschert hat. Du kannst natür­lich auch noch ande­re Bücher von Alys­sa Shein­mel lesen. Ihr ers­tes auf Deutsch über­setz­tes Buch war “Stone Girl” (die Geschich­te einer Ess­stö­rung). Außer­dem hat sie zusam­men mit Pai­ge McKen­zie die “Suns­hi­ne Girl”-Rei­he geschrie­ben (Hor­ror): “Suns­hi­ne Girl: Die Heim­su­chung” (Band 1) und “Suns­hi­ne Girl: Das Erwa­chen” (Band 2).

Bibliografische Angaben:
Schilder was wo wer wannVerlag: Hanser
ISBN: 978-3-446-25703-0
Erscheinungsdatum: 25.September 2017
Einbandart: Broschur
Preis: 18,00€ 
Seitenzahl: 352 
Übersetzer: Jessika Komina, Sandra Knuffinke
Originaltitel: "Faceless"
Originalverlag: Scholastic

Amerikanisches Originalcover:
Alyssa Sheinmel Faceless










Amerikanischer Trailer:
 

Kasimiras Bewertung:

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(5 von 5 mög­li­chen Punkten)

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Amerikanisches Cover: Homepage von Alyssa Sheinmel

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